«Elden Ring» Nie war Leiden schöner

Von Martin Abgottspon

1.3.2022

«Elden Ring» ist kein Spiel für Zartbesaitete.
«Elden Ring» ist kein Spiel für Zartbesaitete.
From Software

Jahrelang warteten Gamer sehnsüchtig auf «Elden Ring». Entsprechend gross war die Erwartungshaltung. Noch grösser ist nun die Überraschung darüber, dass das Spiel diese sogar noch übertrifft.

Von Martin Abgottspon

1.3.2022

Mit der «Dark Souls»-Reihe hat From Software in den letzten Jahren ein eigenes Genre geschaffen, das aus der Gaming-Welt nicht mehr wegzudenken ist. Die Games stehen für knallharte Action und Boss-Kämpfe, die Spieler verzweifeln lassen. Sterben als Spielprinzip. Diesem Motto blieb der leitende Entwickler Hidetaka Miyazaki auch bei «Elden Ring» treu. Mit dem Unterschied, dass er jetzt ein Meisterwerk geschaffen hat, das weltweit für Begeisterungsstürme sorgt.

Während sich bisher wirklich nur äusserst frustresistente Spieler an seine Werke trauten, stürzen sich jetzt Tausende neuer Samurais, Propheten und Banditen in die Welt mit dem klangvollen Namen Zwischenlande. Erstmals folgen die Spieler dabei nicht einem linearen Verlauf, sondern können eine offene Welt nach Belieben erkunden und ihre Abenteuer so gestalten, wie es ihnen gerade passt.

Mut und Eigeninitiative sind gefragt

Natürlich ist es auch möglich gleich die Hauptstory anzugehen und seiner Bestimmung, ein Eldenfürst zu werden, nachzukommen. Spätestens beim ersten «richtigen» Boss wird das so mancher aber schnell bereuen. Selbst gestandene «Souls»-Veteranen haben teilweise Stunden damit verbracht, diese erste Hürde zu nehmen. Vielleicht dreht man also doch erst ein paar Runden durchs wunderschöne Startgebiet von Limgrave und versucht sich an einfacheren Dungeon-Bossen oder kundschaftet Schlösser, Kirchen und Türme aus.

Hier ist die Handschrift von From Software klar zu erkennen. Im Gegensatz zu anderen Open-World-Games nimmt einen «Elden Ring» nie wirklich an die Hand. Das Tutorial beschränkt sich auf ein Minimum, Questgeber ploppen nicht mit den obligaten goldenen Ausrufezeichen über dem Kopf auf und man sucht vielleicht auch nach Stunden noch nach dem einen speziellen Heiltrank. 

Doch genau das macht den Reiz von «Elden Ring» eben aus. Statt einfach stupide To-Do-Listen abzuarbeiten, lässt einen das Spiel so richtig tief in die mittelalterlich angehauchte Fantasy-Welt und deren Geschichte eintauchen. Umso grösser ist dafür die Freude, wenn man irgendwo einen Geheimgang findet und den Rätseln der Nebenmissionen so langsam auf die Spur kommt.

Die Kulissen in «Elden Ring» sind genauso atemberaubend wie furchteinflössend.
Die Kulissen in «Elden Ring» sind genauso atemberaubend wie furchteinflössend.
From Software

Willkommene Neuerungen perfekt umgesetzt

From Software hat es tatsächlich geschafft, ihr bereits hervorragendes und fordernde Kampfsystem in eine offene Welt zu transferieren, die sich nie langweilig anfühlt. Von tobenden Braunbären über Skelettkrieger und gigantischen Steinreisen trifft man auf seiner Reise alles an. Zwar winken zur Belohnung nicht immer Gegenstände, die man brauchen kann und trotzdem hat man irgendwie immer das Gefühl, Fortschritte zu machen.

Wer eine kleine Verschnaufpause braucht, kann zwischendurch aber auch einfach mal durch die wirklich riesige Welt reiten. Denn neu bekommen Spieler schon ziemlich früh ein Pferd an die Seite gestellt, auf welchem man auch berittene Kämpfe austragen kann. Das fühlt sich zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig an, mit der Zeit erleichtert es einem den einen oder anderen Kampf aber erheblich. Dasselbe gilt auch für die hilfreichen Geister, die sich beschwören lassen und bei besonders kniffligen Bossen oft als gewinnbringende Ablenkung agieren.

Immer wieder ist man dann auch überrascht, welch atemberaubende Kulissen sich einem offenbaren. Wer eine der längsten Fahrstuhl-Fahrten seines Lebens hinter sich gebracht hat, wird wissen, wovon die Rede ist.

Selbst der Untergrund ist in «Elden Ring» eine Augenweide.
Selbst der Untergrund ist in «Elden Ring» eine Augenweide.
From Software

Die kleinen Schattenseiten

An dieser Stelle wird es aber auch Zeit, auf die Schwachpunkte des Spiels einzugehen. Denn so atemberaubend die Szenerien in «Elden Ring» auch sind, kann die Grafik nicht im gleichen Stil mithalten. Das Spiel schöpft die Möglichkeiten der neuen Konsolen-Generationen bei Weitem nicht aus und selbst die Neuauflage von «Demon's Souls» hatte diesbezüglich mehr zu bieten.

Was viele Spieler in den ersten Tagen aber viel mehr stört, sind Leistungsschwankungen ihres PCs oder Konsole, die zu Frame-Verlusten führen. Gerade bei einem solch anspruchsvollen Spiel wie «Elden Ring» sind solche zeitverzögerten Ruckler oft der sichere Tod und umso frustrierender, wenn man den Bösewicht schon fast ins Jenseits geschickt hätte. Bei unserer Testversion auf der Playstation 5 hatten wir nur gelegentliche technische Schwierigkeiten und die bezogen sich eher auf den Multiplayer-Teil.

Wie schon in älteren Souls-Games lassen sich auch in «Elden Ring» zufällige Mitstreiter oder Freunde beschwören, die einem unter die Arme greifen. Leider wurden diese gemeinsamen Abenteuer in unserem Test oft von Netzwerkfehlern vorzeitig beendet. 

Ein Vorbild für jedes Open-World-Spiel

Alles in allem ist «Elden Ring» aber mit Sicherheit eines der Spiele-Highlights des Jahres. Die Welt hat schlicht soviel zu bieten, dass Spieler in Wochen oder sogar Monaten noch Neues entdecken werden.

Der Schwierigkeitsgrad und die Zugänglichkeit zum Spiel sind hoch, aber das macht Spiele wie «Elden Ring» genau aus. Immerhin können neue Recken beliebig lange in der offenen Welt Erfahrungen mit dem Kampfsystem sammeln und ihren Charakter verbessern, ehe sie sich den Story-Bossen stellen.

Die Neuerungen und die offene Welt sind eine echte Bereicherung und deshalb wird «Elden Ring» wohl als wichtiger Wegbereiter für viele andere Spiele dienen. Vielleicht hat man bei «Elden Ring» an der einen oder anderen Stelle etwas mehr zu beissen als in anderen Spielen. Aber versprochen: Nie war Leiden schöner.