Spielekritik«Life is Strange 2» ist eine emotionale Achterbahnfahrt
Von Domagoj Belancic
10.12.2019
Der französische Entwickler Dontnod beweist einmal mehr, dass Videospiele in der Lage sind, Geschichten mit emotionalem Tiefgang zu erzählen, die den Spieler auch nach dem Abspann nicht loslassen.
Mit dem ersten «Life is Strange» ist Dontnod 2015 einer der Überraschungshits des Jahres gelungen. Das Teenie-Drama mit übernatürlichen Elementen überzeugte mit emotionalem Storytelling und einer mystischen Atmosphäre à la «Twin Peaks».
Vier Jahre später führt «Life is Strange 2» das Konzept des Originals konsequent fort und besticht mit einer gefühlvollen Geschichte über Familie, Liebe und Heimat.
Der Spieler übernimmt die Kontrolle über den 17-jährigen Sean Diaz, der zusammen mit seinem kleinen Bruder Daniel und ihrem alleinerziehenden Vater in einem ganz normalen amerikanischen Vorort lebt. Doch all das ändert sich auf einen Schlag. Durch eine Verkettung von unglücklichen Zufällen wird Seans Vater vor den Augen der zwei Brüder von einem Polizisten erschossen.
Durch den unglaublichen Schock erwachen in Daniel plötzlich unkontrollierbare telekinetische Kräfte, die sich gegen den fassungslosen Polizisten richten und zu dessen Tod führen. Völlig panisch und überfordert entschliesst sich Sean, mit Daniel zu flüchten. Es würde ihnen sowieso niemand glauben, was da gerade passiert ist.
Eine Story, die unter die Haut geht
Die Story begleitet die zwei Brüder fortan auf ihrer Flucht vor dem Geschehenen. Ihr Ziel: der Heimatort ihres Vaters, Puerto Lobos. Eine malerische Küstenstadt irgendwo in Mexiko. Zwar hat die Geschichte (vor allem mit der eher langsamen Episode 2) ein paar Anlaufschwierigkeiten, sie kommt dafür in den späteren Episoden umso mehr in Fahrt.
Auf ihrem Weg nach Mexiko wird den Brüdern nichts geschenkt. Sie müssen tagtäglich um ihr Überleben kämpfen, Verpflegung suchen und sich mit allerlei rassistischen Fanatikern herumschlagen.
Sie lernen aber auch zahlreiche unvergessliche und liebenswürdige Charaktere kennen. Der abwechslungsreiche Cast ist einer der grossen Stärken des Spiels und überzeugt durch hervorragend geschriebene Dialoge und solide schauspielerische Leistungen.
Im Gegensatz zum etwas traditionelleren und vertrauten Highschool-Setting des Vorgängers ist die Road-Trip-Story in «Life is Strange 2» eine echte Wundertüte. Jede der fünf Episoden führt die Geschichte mit überraschenden Wendungen in eine unerwartete Richtung. Das sorgt zwar für Spannung und Abwechslung, aber die beklemmende Intimität und der emotionale Tiefgang des örtlich limitierten Originals können dadurch leider nicht ganz erreicht werden.
Wer den Vorgänger nicht gespielt hat, muss sich übrigens keine Sorgen machen. Die Geschichte um die selbsternannten «Wolfsbrüder» ist komplett in sich geschlossen und kann ohne jegliche Vorkenntnisse genossen werden. Fans des Vorgängers werden aber einige nette Anspielungen und Easter Eggs entdecken.
Probier's mal mit Gemütlichkeit
«Life is Strange 2» bietet dem Spieler klassische Adventure-Kost. Meistens ist Sean damit beschäftigt, Umgebungen zu erkunden und mithilfe eines kontextbasierten Menüs mit diversen Objekten und Charakteren zu interagieren.
Sowohl kleine Innenräume als auch weitläufige Szenarien in der Natur sehen sehr schön aus und überzeugen durch liebevolle Details und den Einsatz von atmosphärischem Licht. In Kombination mit dem nostalgischen Indie-Rock-Soundtrack entstehen eindrückliche Momente, die zum Träumen und Nachdenken anregen. Viel Action oder komplexe Rätsel sucht man in «Life is Strange 2» aber vergebens.
Leider fallen die detailarmen Charaktermodelle und die hölzernen Animationen im sonst so runden Gesamtpaket eher negativ auf und reissen den Spieler im schlimmsten Fall aus der sonst so dichten Atmosphäre des Spiels. Hinzu kommen merkwürdige technische Bugs, die den harmonischen Gesamteindruck ein bisschen trüben.
Herr seiner Sinne
Im Verlaufe der Geschichte lernt Daniel, seine telekinetischen Kräfte immer besser zu kontrollieren. Sean kann seinen kleinen Bruder instruieren, Objekte zu bewegen, Gegner anzugreifen oder mit der übernatürlichen Macht einfach nur Blödsinn anzustellen. Es liegt am Spieler zu entscheiden, wie verantwortungsvoll Daniel mit seiner Fähigkeit umgeht.
Auch abseits des Übernatürlichen stellt das Game den Spieler vor schwerwiegende Entscheidungen und teilweise unlösbare moralische Dilemmas. «Life is Strange 2» schafft es immer wieder, das Gefühl zu vermitteln, dass jede noch so kleine Entscheidung extrem wichtig für den weiteren Verlauf der Geschichte ist. Dieses Gefühl erzeugt auch das sehr befriedigende Finale, das alle bisher getroffenen Entscheidungen des Spielers zu einem nachvollziehbaren Ende zusammenführt.
Schön ist auch die Tatsache, dass nach jeder Episode präsentiert wird, wie sich die gesamte Spielerbasis bei wichtigen Entscheidungen verhalten hat. Diese Übersicht regt oft zu einem zweiten Durchgang an. Sammler werden zudem mit den zahlreichen gut verstecken «Souvenirs», die sich Sean im Verlauf des Spiels an seinen Rucksack hängen kann, zum erneuten Durchspielen motiviert.
Platz 7 – «Metroid: Samus Returns»: Dieses Remake ist zwar schon älter, hat es aber trotzdem gerade noch in unsere Top-Liste geschafft. Das Original für den Gameboy erschien bereits 1991. Später schaffte es das Remake auf den Nintendo 3DS und überzeugt da umso mehr mit seiner hervorragenden Steuerung und natürlich ganz vielen tollen Metroid-Abenteuer.
Bild: Nintendo
Platz 6 – «Pokemon: Let's Go Pikachu & Eevee»: Pokemon hat sich über all die Jahre zu einem Megabrand für Nintendo entwickelt. Natürlich lohnt es sich da, irgendwann wieder in die Anfangszeiten von «Pokemon Rot/Blau» zurückzugehen. Diese Neuauflage ist Nintendo durchaus gelungen. Schnell wird einem wieder bewusst, warum man die Taschenmonster damals so schnell ins Herz geschlossen hat.
Bild: Nintendo
Platz 5 – «Ratchet & Clank»: Auf der Playstation 2 gehörte «Ratchet & Clank» noch zu den Top-Sellern. Danach ging die Serie irgendwie in Vergessenheit. Zumindest bis zum Release des Remakes auf der Playstation 4, welches den Entwicklern ziemlich gut gelungen ist. Man merkt an allen Ecken und Enden, wie viel Liebe in das Abenteuer geflossen ist.
Bild: Sony Interactive Entertainment
Platz 4 – «Crash Bandicoot N. Sane Trilogy»: Diese Trilogie war 2017 ein Kassenschlager für die Playstation 4 und das zurecht. Denn man bekommt dabei gleich drei Spiele von damals in einer toll umgesetzten Neuauflage. Auch wenn sich die Spiele an gewissen Stellen fast etwas schwieriger anfühlen als früher, ist «Crash Bandicoot N. Sane Trilogy» ein gelungener Nostalgie-Trip mit sämtlichen Stärken und Schwächen der Originale.
Bild: Activision
Platz 3 – «Shadow of the Colossus»: Das Spielos war damals auf der Playstation 3 gar kein grosser Erfolg. Umso grösser war die Überraschung, dass ausgerechnet dieser Titel für die Playstation 4 neu programmiert wurde. Doch das Spiel sah bei Weitem nicht aus, als wäre es die Neuauflage eines Klassikers. Es sieht so aus, als wäre es wie für die Playstation 4 gemacht. Die Magie ging in den letzten zwölf Jahren nicht verloren.
Bild: Sony Interactive
Platz 2 – «Zelda: Link's Awakening»: Der Gameboy-Klassiker hat kaum von seinem Charme aus den 90er-Jahren eingebüsst. Ok, vielleicht ist die neue Diorama-Grafik dem einen oder anderen Spieler etwas zu kitschig, dafür geht die Musik richtig ins Herz, nicht wie damals das nervige 8bit-Gedudel.
Platz 1 – «Resident Evil 2»: «So muss ein Remake aussehen» titelten wir dieses Jahr zum neuaufgelegten Zombie-Abenteuer. Und tatsächlich bringt «Resident Evil 2» alles mit, was ein gutes Remake ausmacht. Topaktuelle Grafik und eine spielfreundlichere Kamera heben den Spielspass gegenüber dem Klassiker, ohne dabei die Atmosphäre und das Gameplay zu sehr zu verändern. Unsere Nummer 1.
Erstes Spiel: Super Mario Land 2 Ich spiele gerade: Pokemon Schild ...und freue mich auf: The Last of Us Part 2 Lieblingszitat: «Well, let's see here... I ruined my marriage. Drove my best friend away. Got two psychos and their army after me. And now my brother's gone missing. But, on the bright side, there's no one around to tell me I'm an idiot.» (Uncharted 4)