«Wieso tue ich mir das an? «Wieso tue ich mir das an?» Mein später Einstieg in «League of Legends»

Von Pascal Wengi

3.12.2019

Aller Anfang ist schwer und kann im Fall von «League of Legends ganz schön frustrierend sein.
Aller Anfang ist schwer und kann im Fall von «League of Legends ganz schön frustrierend sein.
Bild: Riot Games

«League of Legends» gehört ohne Zweifel zu den beliebtesten und erfolgreichsten Titeln im eSports. Hunderte von Millionen spielen es jeden Monat. Diesen Rückstand erst jetzt aufzuholen ist hart, richtig hart.

«Deinstalliere das Spiel, du Trottel» oder «Du bist absolut nutzlos»: So und ähnlich klingen die Motivationsversuche meiner Teamkollegen, ehe wir uns in das vermeintlich letzte Gefecht dieser Partie stürzen.

«Ich kann das, ich muss nur üben», wiederhole ich mantramässig in meinem Kopf. Die beiden Fronten tasten sich langsam ab. Fähigkeiten werden in Richtung des Gegners gezielt, um einen einzelnen Helden des Fünferteams zu isolieren und die Gunst der Überzahl für die eigene Seite nutzen zu können.



Meine linke Hand liegt verkrampft auf den Tasten für die vier Fähigkeiten, die Rechte umklammert meine Maus, als ob ich wegfliegen würde, wenn ich sie auch nur für eine halbe Sekunde loslasse. Das Herz rast. Die Atmung kurz und flach. Ich will kein Klotz am Bein sein. Ich will nützlich sein und mein Team voranbringen.

Gefühlt stehen sich die beiden Teams minutenlang gegenüber und tasten sich weiter ab. Dann geht es ganz schnell. Eine blind gezielte Fähigkeit trifft und fesselt das Opfer an Ort und Stelle. Der Gegner stürzt sich wie ein ausgehungerter Schwarm auf seine Beute und zerfetzt die Spielfigur förmlich. Das Opfer war wieder einmal ich. Anschliessend nutzen die Gegner die Überzahlsituation aus und löschen unser komplettes Team aus. Der Anfang vom Ende.

«Wieso mach ich das?»

Ich kannte «League of Legends» bis vor ein paar Wochen nur von Twitch-Streams und aus den Medien, wenn ein grosses Event stattfand. Ich wusste nur grob, worum es geht: Zwei Teams mit fünf Spielern wählen je einen der über 130 Champions und kämpfen sich über die Karte vor, um nacheinander die gegnerischen Türme und später den sogenannten «Nexus», also die Basis, zu zerstören.

Dann lernte ich das Spiel näher kennen und schaute mir aus Interesse an meiner Arbeit die Matches genauer an. Irgendwas daran zog mich in seinen Bann. Vielleicht waren es doch die vielen verschiedenen Champions, die man wählen konnte. Oder es hatte doch etwas mit meinem Ego zu tun und ich wollte mir nicht eingestehen, dass es ein Game da draussen gibt, das ich nicht spielen kann. Auf jeden Fall hatte ich den Entschluss gefasst, «League of Legends» doch mal eine Chance zu geben.

Youtube als wichtiger Begleiter

Fix den Account erstellt, Spielclient heruntergeladen und rein ins erste Match. 20 Minuten später war ich dann auf Youtube und suchte nach Ratgebern für Anfänger, weil mich die Gegner zerfleischt haben. Einige Guides verinnerlicht und zurück aufs Schlachtfeld. Dieses Mal mit mehr Taktik und dem Wissen von 40 Minuten Videomaterial. Und siehe da: knapp gewonnen! Ich freute mich quer durchs Zimmer, weil ich mir dachte, dass ich Talent haben muss, wenn ich schon im zweiten Spiel gewinnen konnte. Doch dann stellte sich meine Freude abrupt wieder ein, als ich feststellte, dass ich gegen computergesteuerte Gegner auf dem untersten Schwierigkeitsgrad gespielt hatte.



«Also auf ein Neues», dachte ich mir. Gegen echte Menschen dieses Mal. Wider aller Erwartungen reichten 40 Minuten Video-Coaching doch nicht aus und ich wurde regelrecht gefressen. Nicht den Hauch einer Chance hatte ich. Doch dieses Mal, anders als gegen die KI, war der Chat nicht so stumm. Es wurde während des gesamten Matches geschimpft und beleidigt was das Zeug hält. Vor allem von Spielern, die auf demselben Level wie ich waren, also gleich lang spielten, aber um Welten besser waren. Später sollte mir jemand erklären, dass es sich dabei meist um sogenannte «Smurf»-Accounts handelt. Geübte Spieler erstellen sich oft einen Zweitaccount, um gezielt gegen schlechtere Spieler spielen zu können oder einfach, um damit nicht so ernst spielen zu müssen.

Alles auf stumm

Irgendwann verschwand «League of Legends» wieder aus meinem Leben. Die Computer-Gegner waren keine Herausforderung mehr und gegen echte Menschen wollte ich nicht ran. Doch irgendwie stupste mich mein Ego weiter an. Es kann doch nicht sein, dass ich ein Spiel meide, was ich gerne spiele, nur weil ich schlecht bin.



So habe ich vor rund zwei Wochen meinen Account wieder aus der Schublade geholt und mich eingeloggt. Nur dieses Mal vor den Spielen den kompletten Chat auf stumm gestellt. Digitale Ohropax sozusagen. Mein Vorsatz lautet «Keine Spiele gegen Bots mehr» und «Alle auf Stumm bis Gold-Rang». Bis jetzt funktioniert das wunderbar. Ich spiele befreit auf. Der Druck zu versagen ist nicht mehr so präsent und auch wenn ich Fehler mache, bin ich der Einzige, der sie mir vorwirft.

Es zeigen sich bereits erste Fortschritte, denn ich gewinne plötzlich Zweikämpfe. Immer öfter erarbeite ich mir mehr Gold als die Gegner und habe einen besseren Überblick. Dadurch kann ich mich auch besser auf meine Mitspieler konzentrieren und versuchen, meinem Team zu helfen. In Teamkämpfen stehe ich jedes zweite Mal am richtigen Ort und weiss immer besser, wann ich anzugreifen habe und wann nicht.

Ein nützlicher Klotz

Ich bin vielleicht noch meilenweit davon entfernt, auch nur im Ansatz so etwas wie passabel zu sein. Aber ich sehe in jeder Niederlage und jedem Tod eine Lektion, die es zu lernen gibt. In diesen zwei Wochen bin ich gefühlt zehnmal besser geworden als in den hunderten Stunden davor. Ich liebäugle auch damit, Rangspiele zu absolvieren. Auch traue ich mich nun, mit Freunden zu spielen, die viel besser sind und ich dadurch auch auf bessere Gegner treffe. Manchmal stelle ich mich dabei nicht mal ganz so schlecht an und bin nicht bloss ein Klotz am Bein wie früher oder zumindest ein etwas nützlicherer Klotz.

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