Die Zukunft von AR-Games Vom «Pokémon Go»-Hype ist nicht mehr viel übrig

Von Martin Abgottspon

10.8.2022

AR-Games wie «Pokémon Go» hatten es in den letzten Jahren nicht einfach.
AR-Games wie «Pokémon Go» hatten es in den letzten Jahren nicht einfach.
Niantic

Sechs Jahre ist es bereits her seit «Pokémon Go» auf den Markt kam. Damals sprach man von einem Wegbereiter für neue Handy-Spiele. Heute sieht alles etwas anders aus.

Von Martin Abgottspon

10.8.2022

Zu Tausenden strömten Leute im Sommer 2016 auf die Strassen und begaben sich mit ihren Handys auf Pokémon-Jagd. Besonders eifrige Sammler statteten sich gleich mit mehreren Powerbanks aus, um dem Akkuproblem entgegenzuwirken. Man unterhielt sich in Parks mit wildfremden Spielern, ehe man seinen Vorrat an Pokébällen wieder an den verschiedenen Stopps auffrischte. Augmented Reality (AR) ist dadurch in der breiten Masse angekommen.

Die Verbindung der realen mit der digitalen Welt war für viele Nutzer Neuland, weshalb das Spiel auch so viele Menschen begeisterte. Doch obwohl sich das Spiel auch in den Folgejahren immer weiterentwickelt hat, sind heute nur noch hartgesottene Pokémon-Jäger in den Städten anzutreffen.

Ein Milliarden-Geschäft

Der Hype ist vorüber, ein Flop war «Pokémon Go» aber definitiv nicht. Mehr als drei Milliarden Dollar spülte das Game seit seiner Veröffentlichung in die Kassen der Entwickler von Niantic. Bis heute sind die Umsatzzahlen noch immer stabil, weil die verbliebenen Spieler auch gerne mal das Portemonnaie für zusätzliche Ingame-Items zücken.

Dennoch wurde «Pokémon Go» nicht zum erhofften Wegbereiter. Weitere AR-Games, die auf ein ähnliches Spielkonzept setzten, konnten nicht annähernd mit dem Erfolg von «Pokémon Go» mithalten. Und dies, obwohl sich die Entwickler auch hierbei bei bekannten Franchises wie «Harry Potter», «Minecraft» oder «Jurassic Park» bedienten.

Die externen Faktoren stimmen

Doch was ist passiert? Wo sind die Entwickler falsch abgebogen, dass man diesen Hype nicht für neue Kassenschlager nutzen konnte? Spielen an der frischen Luft ist doch eigentlich auch sechs Jahre später ein zeitloses Versprechen. Insbesondere bei einem Sommer wie diesem. Ausserdem haben sich auch verschiedene externe Faktoren seit dem Release von «Pokémon Go» laufend verbessert. 2016 war 5G beispielsweise noch nicht die Standard-Handy-Netzabdeckung der Schweiz. Und auch bessere Akkus und Chips machen das Spielen am Handy stetig angenehmer.

Bei Niantic allerdings, immerhin die führenden Entwickler von AR-Games und ehemalige Google-Tochter, wurden zuletzt rund 90 Stellen gestrichen und zahlreiche Game-Projekte eingestellt, wie «Bloomberg» berichtete. Begründet wurde der Schritt nur vage: Man wolle sich verstärkt auf die Schlüsselprioritäten konzentrieren.

Banales Spielprinzip

Man muss den Entwicklern sicherlich zugutehalten, dass auch sie in den letzten Jahren unter Corona gelitten haben. Im Gegensatz zur Virtual Reality hat die Augemented Reality die Tendenz, Menschen zusammen und nach draussen zu bringen. Nicht gerade das, was in den Hochzeiten der Pandemie gefragt war. Und dennoch wäre es etwas zu banal, nur Covid die Schuld an der Entwicklung von AR-Spielen zu geben.

Wenn Niantic von Schlüsselprioritäten spricht, meinen sie so vielleicht auch eine Qualitätssteigerung von AR-Spielen. Denn auch wenn «Pokémon Go» laufend weiterentwickelt und verschiedene Modi und Mehrspieler-Erlebnisse ins Spiel integriert wurden, blieb es letzten Endes auch einfach das banale Spiel, das es immer war. Man schleudert mit immer gleichen Wischbewegungen Bälle nach zufällig erscheinenden Pokémon. Hunderte Male, Tausende Male. Wer «Pokémon Go» noch immer aktiv spielt, wird es kaum deswegen tun, sondern eher aus Sammel-Lust oder kompetitiven Gedanken.

Andere AR-Spiele sind diesbezüglich nicht viel weiter. Bei «AR Basketball» wirft man nach demselben Prinzip einfach Basketbälle statt Pokébälle durch die Luft und bei Shootern tippt man auf Ziele, die sich dank Handykamera in unserem Garten oder an der Busstation etwas realer anfühlen. Streng genommen sind die Mechaniken dieser Spiele aber genau gleich weit, wie es Arcade-Maschinen in den Achtziger-Jahren schon waren.

Nicht mehr als ein Marketing-Gag?

Wenn wir schon Kritik ausüben, muss man ehrlicherweise auch festhalten, dass AR noch nicht einmal den Erfolg von «Pokémon Go» ausgemacht hat. Zu Beginn war es zwar lustig, den einen oder anderen Screenshot von Pokémon zu machen, die im nahen Gebüsch oder vielleicht auch auf einem Gartenstuhl hockten, spätestens nach zehn Minuten haben sich die meisten Spieler davon aber auch schon wieder verabschiedet. Auch zuliebe ihres Akkus. AR war so mehr ein Marketing-Gag als wirklich eine Bereicherung des Spiels.

Es war vielmehr die GPS-Technologie und die riesige Datenmenge von Google, die «Pokémon Go» zu einer neuartigen digitalen Schnitzeljagd machten. Insofern haben AR-Games einen noch viel weiteren Weg vor sich, als man vielleicht glauben möchte. Im Shopping-Bereich oder auch im Bildungswesen leistet AR zwar schon gute Dienste, bei Spielen ist die erweiterte Realität aber vielleicht nicht unbedingt der heilige Gral, sodass Niantics Bemühungen vielleicht auch eher in Richtung Metaverse gehen.