Willkürliche Regeln Man tritt bei Wahl an, um falsche Facebook-Werbung zu schalten

dj

30.10.2019

Die Wahrheit ist bei politischen Facebook-Werbeanzeigen optional.
Die Wahrheit ist bei politischen Facebook-Werbeanzeigen optional.
Getty Images

Um die Grenzen der Facebook-Richtlinien für politische Werbung zu testen, kandidiert ein Aktivist einfach selbst für ein politisches Amt.

Adriel Hampton will Gouverneur von Kalifornien werden. Also zumindest offiziell, denn er hat die nötigen Unterlagen für seine Kandidatur bei den Behörden eingereicht, obwohl die nächste Gouverneurswahl erst 2022 ansteht. In Wahrheit ist Hamptons Ziel nämlich, Wahlwerbung auf Facebook schalten zu dürfen.

Bei der Aktion geht es um die kürzlichen geänderten Regeln zu solcher Werbung. Facebook hat sich entschlossen, bezahlte und unbezahlte Posts von Politikern nicht einem Faktencheck zu unterziehen und sie auch dann nicht zu löschen, wenn sie offensichtliche Unwahrheiten enthalten. Hampton wollte nun testen, wie konsequent Facebook diese Regel anwendet.

Facebook ändert Regeln ad hoc

Gegenüber CNN sagte Hampton, er wolle in Werbeanzeigen falsche Aussagen über US-Präsident Donald Trump sowie Facebook-CEO Mark Zuckerberg und andere hochrangige Facebook-Manager treffen. Für diesen Zweck sammelte er auch schon «Wahlkampfspenden», aber offensichtlich vergebens.

Denn Facebook hat in Reaktion auf Hamptons Plan erneut seine Regeln zur Wahlwerbung geändert. «Diese Person hat klar gemacht, dass sie sich nur als Kandidat angemeldet hat, um unsere Regeln zu umgehen», heisst es vom Unternehmen. Hamptons Werbeanzeigen werden also, im Gegensatz zu jenen von Donald Trump und anderen, von von Facebook engagierten Faktencheckern auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Hampton prüft nun eine Klage gegen Facebook.

Mit dieser Reaktion hat Facebook aber auch gleich die Absurdität seiner Regeln deutlich gemacht. Denn solange man nicht wie Hampton im CNN-Interview zugibt, zu lügen, sollte man von Facebook einen Freifahrtschein für unwahre Werbeanzeigen bekommen. Pseudo-Kandidaturen mit dem einzigen Zweck, Lügen zu allen möglichen Themen und Personen zu verbreiten, müssten weiterhin möglich sein.

Facebook: «Wir wollen keine Macht»

Hampton wurde bei seiner Aktion durch eine Interaktion zwischen der demokratischen Kongressabgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez und Zuckerberg bei dessen Anhörung letzte Woche inspiriert. Ocasio-Cortez fragte den Facebook-CEO, ob sie Werbeanzeigen schalten könnte, die sagen, dass Republikaner ihren «Green New Deal» unterstützen, was sie offensichtlich nicht tun. Zuckerbergs Antwort: «Wahrscheinlich».

Facebooks Position, jüngst in einem Zeitungsbeitrag für «USA Today» artikuliert, ist, dass wenn es Faktenchecks für die politische Werbung durchführen würde, es noch mehr Macht bekommen würde. Und auf den ersten Blick erscheint das durchaus plausibel, denn wer will schon, dass Mark Zuckerberg entscheidet, was wahr ist und was nicht.

Doch wie am Beispiel von Hampton zu sehen gibt es durchaus Fälle, in denen Facebook eingreift. Und wo diese Grenze des Erlaubbaren liegt, entscheidet Facebook offensichtlich ad hoc, übt also doch jene Macht aus, der es eigentlich abgeschworen hatte.

Facebooks Regeln sind nicht alternativlos

Alternativlos ist Facebooks gegenwärtiges Vorgehen keineswegs. Das Unternehmen könnte sich zum Beispiel entscheiden, gar keine bezahlte Wahlwerbung mehr zu akzeptieren, das Dilemma zu Faktenchecks würde verschwinden und Facebook würde kein Geld mehr mit Lügen verdienen.

Hier würde Facebook entgegenhalten, dass doch auch Fernsehsender oftmals unwahre Wahlwerbung zeigen. Bei Facebook ist das Missbrauchspotential allerdings deutlich grösser. Denn hier kann man durch personalisierte Werbung gezielt Personengruppen ansprechen, die besonders anfällig für Desinformationen sind, etwa Menschen ohne Schulabschluss. Das geht im Fernsehen nicht.

Galerie: Das Facebook-Konto absichern

Zurück zur Startseite