Düstere StudieStudie malt Schwarz: Schaden autonome Autos der Gesellschaft?
Dirk Jacquemien
19.10.2018
Autonomes Fahren bringt fast nur Vorteile für seine Nutzer. Doch was würde eine flächendeckende Einführung der Technik für die Gesellschaft als Ganzes bedeuten? Eine neue Studie malt jetzt ein düsteres Bild.
Der Vormarsch der autonomen Fahrens streitet scheinbar unaufhaltsam voran: Fast jeder Autohersteller arbeitet an der Technologie, und zahlreiche Modelle besitzen zumindest schon Teilaspekte von autonomer Fahrtechnik.
Es gilt als allgemein erwiesen, dass autonome Fahrzeuge in Zukunft effizienter und vor allem sicherer fahren werden, als dies Menschen heute tun können: Das bedeutete weniger Stau, weniger Unfälle und weniger Verkehrstote.
Autonomes Fahren erweitert auch die potenziellen Nutzer von Individualmobilität: Kinder und Menschen mit Einschränkungen könnten problemlos das Auto nutzen. Klar: Für den, der in einem autonomen Auto sitzt, ist somit alles super. Doch welche Auswirkungen haben die Fahrzeuge auf die Gesellschaft?
Was passiert bei flächendeckender Einführung?
Ein multinationales Forscherteam aus Wien und der nordenglischen Stadt Leeds ist dieser Frage nun nachgegangen. Konkret haben die Forscher geprüft, welchen Effekt die flächendeckende Einführung autonomer Fahrzeuge auf den Verkehr in Leeds im Jahre 2050 haben würde.
Wenig überraschend: Je besser die Bedingungen für autonome Autos sind, etwa durch grössere Strassen oder mehr Parkplätze, desto stärker würden diese genutzt werden. Paradoxerweise sind es aber gerade die Vorteile des autonomen Fahrens, die einen negativen Einfluss auf die Gesellschaft ingesamt erzeugen könnten.
Autonome Fahrzeuge schädigen den ÖV
Ein Beispiel: Zwar ist das eigene Auto in der Regel komfortabler als ein Bus oder eine S-Bahn, doch durch die Notwendigkeit, das Fahrzeug selber steuern zu müssen, werden andere Aktivitäten unmöglich. Man kann morgens nicht in Ruhe die Zeitung lesen, eine Präsentation vorbereiten oder einfach noch ein wenig dösen. Dies wäre in autonomen Fahrzeugen hingegen möglich und würde einen der bisher noch bestehenden Wettbewerbsvorteile des öffentlichen Verkehrs eliminieren.
Dadurch würden mehr Autos auf den Strassen sein als heute, der öffentliche Verkehr hätte weniger Nutzer und dadurch weniger Einnahmen. Das hätte zur Folge, dass Leistungen reduziert werden müssten, und für finanziell schwache Menschen, die sich keine autonomen Fahrten leisten können, würde dies eine Einbusse in ihrer Mobilität bedeuten.
Privatbesitz oder Taxisystem
Entscheidend für das Ausmass der Auswirkungen auf die Gesellschaft wird auch sein, ob sich die autonomen Fahrzeuge überwiegend in Privatbesitz befinden oder eher geteilt genutzt werden, also in einem Taxisystem im Stil von «Uber».
Wenn die autonomen Autos sich in Privatbesitz befinden, würde das laut der Studie zu einer weiteren Zersiedelung führen, da hier die Kosten für eine einzelne Fahrt gegenüber den Fixkosten einer Anschaffung vernachlässigbar seien. Die Möglichkeit, wie oben erwähnt, während des langen Pendelns produktiv zu sein, würde diesen Effekt noch verstärken. Ein autonomes Taxisystem würde hingegen eher zu einer städtischen Verdichtung führen, da Nutzer jede Fahrt einzeln zahlen müssten und dadurch finanzielle Anreize hätten, nahe an ihrem Arbeitsplatz oder an Freizeitzentren zu wohnen.
Über 50% mehr Autoverkehr?
Im Endeffekt gehen die Forscher bei idealen Bedingungen für autonome Fahrzeuge in 2050 für Leeds von einer Steigerung der Autonutzung bei der Privatbesitz-Variante von 56 Prozent sowie bei der gemeinschaftlichen Nutzungs-Variante von 41 Prozent aus. Die Nutzung des öffentlichen Verkehrs und auch die Fortbewegung zu Fuss oder per Velo würde dagegen zurückgehen.
Das würde dann negative Einflüsse auf die Umwelt und die Gesundheit haben. Die autonomen Fahrzeuge der Zukunft werden zwar vermutlich einen Elektroantrieb haben, aber gleiches gilt natürlich für nicht-autonome Wagen der Zukunft, so dass autonome Autos nicht per se umweltfreundlicher sind – ausser vielleicht bei einem geteilten Besitzmodell, wonach auch insgesamt weniger Autos hergestellt werden müssten.
Bisher reine Spekulation
Die Analyse ist hoch spekulativ, da es natürlich noch nirgendwo auf der Welt empirische Daten zur massenhaften Nutzung von autonomen Fahrzeugen gibt. Daher mussten die Forscher zahlreiche Annahmen vornehmen, die sich freilich als falsch erweisen könnten. Auch gesellschaftliche Veränderungen ausserhalb der Verkehrstechnik sprengen den Rahmen der Studie.
Beispiel Arbeitswelt: Ob der 8-bis-17 Uhr-Präsenzjob auch noch in 2050 die Standardvariante des Arbeitslebens sein wird, ist zumindest diskutabel. Durch mehr Arbeiten daheim würden wohl weniger Autofahrten insgesamt anstehen oder zumindest nicht mehr so extrem zu Stosszeiten gebündelt werden. Die zweifellosen Vorteile des autonomen Fahrens könnten da wieder überwiegen, da die öffentliche Infrastruktur ja ingesamt weniger Verkehr verkraften müsste.
Auch ob Leeds, in dem es kein S-Bahn-, U-Bahn- oder Tram-System gibt, für andere Grossstädte repräsentativ sein kann, sei dahingestellt. Und sollte sich das Taxisystem durchsetzen, müssten ingesamt natürlich viel weniger Fahrzeuge gebaut werden, was gut für die Umwelt wäre. Der ETH-Verkehrsexperte Kay W. Axhausen geht im Interview mit Swissinfo beispielsweise davon aus, dass in diesem Fall 10 bis 30 Prozent des heutigen Fahrzeugbestands ausreichen würden, um den Verkehrsbedarf zu bedienen.
Chancen für autonomen ÖV
Dafür, dass das autonome Fahren den Verkehr und das öffentliche Leben schon bald so radikal verändern könnten, gibt es erstaunlich wenig Forschung und öffentliche Diskussion zum Thema. Die Wiener und Leedser Forscher wollen 2019 eine deutlich umfangreichere Studie vorlegen. Als mögliche Handlungsanweisung für die Politik empfehlen sie schon einmal, dass autonome Fahrzeuge in Privatbesitz aus Städten verbannt werden sollten, um die von ihnen identifizierten negativen Auswirkungen zu beschränken.
Schliesslich dürfte das autonome Fahren natürlich nicht nur den Individualverkehr betreffen. So hat die Studie etwa nicht untersucht, welchen Einfluss ein autonomer öffentlicher Verkehr haben könnte. Kleinbusse könnten etwa zukünftig vermehrt eingesetzt werden und einen Nahverkehr liefern, der heute vor allem aufgrund von Personalkosten als nicht finanzierbar erscheint.
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