Virtuelle Welt stösst übel aufStoppt die Reisekrankheit den Vormarsch des Metaverse?
Dirk Jacquemien
27.9.2022
So richtig durchsetzen kann sich das Metaverse bisher nicht. Jetzt könnte auch noch die altbekannte Reisekrankheit der Technik einen Strich durch die Rechnung machen.
Dirk Jacquemien
27.09.2022, 12:04
Dirk Jacquemien
Die Reisekrankheit macht der Menschheit schon seit der antiken Seefahrt zu schaffen. Ursächlich ist meist eine Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Bewegung und der Bewegung, die das Gehirn erwartet. Das könnte auch einer ganz modernen Technik zum Verhängnis werden, bevor diese überhaupt Fuss gefasst hat.
Auf das Metaverse setzen gerade ganz viele Unternehmen, vor allem Facebook, das direkt den Firmennamen in Meta änderte, um keinerlei Zweifel an der eigenen Hingabe zur neuen Technik zu lassen. Um ins Metaverse zu kommen, ist üblicherweise eine Virtual-Reality-Brille nötig, die die virtuelle Welt auf kleine Displays direkt vor den Augen projiziert.
Bildschirme können auch krank machen
Dass der Reisekrankheit ähnliche Symptome auch beim Anschauen von Bildschirmen auftauchen können, ist schon seit längerem bekannt. «Simulator-Sickness» tritt etwa bei manchen Nutzer*innen von Flugsimulatoren auf, auch actionreiche Ego-Shooter verursachen manchmal Übelkeit.
Doch im Metaverse sollen nach dem Willen seiner Fürsprecher*innen auch völlig alltägliche Situationen virtuell nachgestellt werden können, etwa der Einkauf in einem Geschäft oder eine Besprechung in einem Konferenzraum. Diese wenig bewegungsreichen Situationen sollten von sich heraus eigentlich keinen Schwindel oder ähnliches auslösen.
Aber wie eine Studie der Päpstlichen Katholischen Universität Mater et Magistra in der Dominikanische Republik zeigt, geraten auch bei der so gearteten Verwendung von Virtual Reality viele Menschen in Schwierigkeiten.
Bei der Studie besuchten die Teilnehmer*innen eine virtuelle Küche und ein virtuelles Badezimmer. 65 Prozent von ihnen berichteten danach von Reisekrankheit-ähnlichen Symptomen, knapp ein Drittel verzeichnete sogar schwere Symptome, berichtet «Daily Beast».
Fokussieren der Augen klappt nicht
Der mutmassliche Auslöser für diese Symptome ist ein wenig anders als bei der klassischen Reisekrankheit. Das Phänomen nennt sich «vergence-accommodation conflict» (VAC). In der echten Welt passen unsere Augen von alleine den Fokus auf ein Objekt in Abhängigkeit von dessen Distanz zu uns an.
Doch im Metaverse kann dieser Automatismus nicht richtig funktionieren. Je näher ein virtuelles Objekt sein soll, desto unschärfer erscheint es, da sich unsere Augen versuchen auf etwas zu fokussieren, das nicht wirklich näher gekommen ist — da die Distanz zum Display der VR-Brille ja unverändert bliebt.
Dass der «Vergence-accommodation conflict» zum echten Problem für die Virtual Reality werden könnte, scheint auch den grössten Unterstützern klar zu sein. Kleine Tricks, wie das Einblenden einer virtuellen Nase durch die Brille, scheinen nur bedingt Abhilfe zu schaffen.
Forscher*innen von Meta arbeiten stattdessen an einer neuartigen Linse, die das richtige Fokussieren für die Augen übernehmen könnte. Doch deren Entwicklung ist noch ganz am Anfang, vor allem konnte die Linse noch nicht so verkleinert werden, dass sie in eine Virtual-Reality-Brille passen würde.
Derweil bringen Meta und andere Anbieter aber weiterhin VR-Brillen auf den Markt, die anfällig für den VAC sind. Dadurch könnten zahlreiche Nutzer*innen wegen schlechter Erfahrungen auf Dauer vom Metaverse abgeschreckt werden.