Schädliche LikesSüchtig nach Herzchen: Neues Buch über Instagram-Abhängigkeit
dpa/dj
3.2.2020
Ein Foto vom Shopping-Trip, eines vom Feiern — und dann noch eines vom Sonnenaufgang. Instagram ist zum alltäglichen Begleiter von Millionen Menschen auf der ganzen Welt geworden. Das neue Buch «Unfollow» warnt nun eindringlich vor der Insta-Sucht.
2018 knackte Instagram die magische Marke von einer Milliarde User weltweit. Viele nutzen die Plattform jeden Tag, um Fotos von sich zu präsentieren – oder Bilder von anderen anzuschauen. Ein neues Buch warnt nun Instagram-Nutzer. Das soziale Netzwerk habe ein grosses Suchtpotenzial, schreibt die Autorin Nena Schink (27) in «Unfollow – Wie Instagram unser Leben zerstört», das am Freitag (7. Februar) auf den Markt kommt.
Schink, die sich als Wirtschafts-Journalistin mit Instagram und dem Phänomen Influencer befasst hat, kommt zu drastischen Urteilen: «Ich vergleiche meine Instagram-Aktivität gerne mit meiner Vorliebe für Zigaretten», schreibt sie. «Die eine Angewohnheit schadet meiner Seele. Die andere meinem Körper.»
Im Interview der Deutschen Presse-Agentur in München fügt sie hinzu: «Facebook wurde gegründet, um mit Freunden in Verbindung bleiben zu können, LinkedIn, um beruflich voranzukommen. Aber auf Instagram gibt es nichts anderes als die Aufmerksamkeit der anderen zu gewinnen. Deswegen mutieren wir alle eigentlich zu Arschlöchern und es herrscht nichts vor als soziale Angeberei.»
Posting-Manöver für den Algorithmus
Was sie meint, zeigt ein Blick auf die derzeit so populäre Dolly-Parton-Challenge: Nach dem Vorbild der Country-Ikone, die die Idee populär machte, zeigen sich Promis und Normalo-User unter dem Hashtag #dollypartonchallange derzeit in verschiedenen Rollen: seriös für LinkedIn, relativ normal für Facebook, sexy für Tinder — und grenzenlos cool, stylish und gerne in Begleitung prominenter Bekannter bei Instagram.
Die Esslinger Psychologin Friederike Gerstenberg vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) sagt: «Je kommerzieller die Plattform wird, desto eher werden algorithmusfreundliche Posting-Manöver eingehalten. Und das wiederum kann sowohl bei der postenden als auch bei der folgenden Person zu Druck führen.»
Nach Angaben des 2017 gegründeten Bundesverbandes Influencer Marketing (BVIM) stand die Branche im vergangenen Jahr kurz davor, die Milliarde zu knacken. Der Verband geht davon aus, dass der Branchenumsatz in Deutschland, Österreich und der Schweiz 2020 bei 1,06 Milliarden Franken liegen wird. Schätzungsweise verdienen im deutschsprachigen Raum bis zu 165'000 Menschen mit Instagram, Blogs oder YouTube-Videos Geld.
Alles nur Kommerz?
Und so ist ein grosses Thema in Schinks Buch auch — der Kommerz. Schink seziert das Geschäftsmodell Influencerin, schreibt, wie entzaubernd es sein kann, die Frauen, die ein perfektes Instagram-Leben inszenieren, in der echten Welt zu treffen. Ein eigenes Kapitel widmet sie dem «Influencer-Wahnsinn auf dem Oktoberfest».
Sie verarbeitet in ihrem Buch allerdings auch ihre eigene Geschichte. Denn nach einem Selbstversuch mit dem Arbeitstitel «Wie werde ich Influencer?» drehte sich auch bei ihr jahrelang alles um Instagram. Irgendwann aber, so schildert sie es, geriet das Ganze aus dem Ruder.
Als sie — die sich eigentlich für eine Feministin hielt — sich im knappen Bikini auf einer Wassermelonen-Luftmatratze räkelte, sei sie am Tiefpunkt angekommen. Bis zu zwei Stunden täglich habe sie auf Instagram verbracht. «14 Stunden wöchentlich, 672 Stunden jährlich. 28 Tage. Ein Monat. Hochgerechnet: fünf volle Jahre meines Lebens.»
Schink ist nicht die einzige, die eine Social-Media-Suchtgefahr sieht. Laut einer Studie der Krankenkasse DAK und des Deutschen Zentrums für Suchtfragen am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) von 2018 erfüllen 2,6 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland die Kriterien für eine Abhängigkeit. Jungen und Mädchen zwischen zwölf und 17 Jahren verbringen demzufolge durchschnittlich rund zweieinhalb Stunden täglich mit sozialen Medien.
Durch die intensive Nutzung entstehen gesundheitliche Probleme», heisst es dazu in einer Mitteilung der Drogenbeauftragten der deutschen Bundesregierung. «Es gibt sogar einen Zusammenhang zwischen Social-Media-Sucht und Depressionen.» Auch Superstar Selena Gomez (mit rund 165 Millionen Followern in den weltweiten Top Fünf bei Instagram) machte in einem «Vogue»-Interview vor drei Jahren ihre Abhängigkeit von der Plattform öffentlich.
«Unethische Methoden»
«Ich möchte Instagram nicht verteufeln», sagt die Psychologin Gerstenberg. Ein Suchtpotenzial der Plattform sieht sie dennoch. «Die Mediensucht ist vor allem für Personen mit geringem Selbstwert ein Problem, da sie sich häufig von der perfekt inszenierten «Insta-Welt» schwer distanzieren können und unter Posting-Druck geraten».
Im Silicon Valley in Kalifornien seien nicht nur Informatiker beschäftigt, «sondern auch eine ganze Reihe von PsychologInnen, die genau darauf angesetzt sind, uns durch Signalfarben, Herzchen (...) und andere psychologische Tricks bei der Stange zu halten», sagt Gerstenberg. «Viele der verwendeten Methoden würde ich als Psychologin als unethisch bezeichnen und nicht am Wohl der Menschen ausgerichtet.»
Instagram gibt sich verantwortungsbewusst und verweist auf Anfrage auf Werkzeuge zum Zeitmanagement und den medienwirksam eingeführten Test, die Likes nicht mehr anzuzeigen. «Wir testen dies, weil wir wollen, dass Instagram ein Ort ist, an dem sich die Menschen wohlfühlen, wenn sie sich ausdrücken», heisst es in einem Statement des Netzwerks. «Dazu gehört auch, ihnen zu helfen, sich auf die Fotos und Videos zu konzentrieren, die sie teilen, und nicht darauf, wie viele Likes sie bekommen.»
Apps prägen unser Leben. Die folgenden Apps haben das vergangene Jahrzehnt bestimmt.
Bild: iStock
Platz 10: TikTok (2016). TikTok ist die erste chinesische Social Media App, die auch im Westen signifikanten Anklang gefunden hat. Das brachte der App, in der vor allem sehr junge Nutzer kurze, meist lustige Videos posten, einige kritische Blicke ein. Zahlreiche Medien berichteten über Zensur bei für China sensiblen Politikthemen, die vom Unternehmen durch die Bank dementiert wurde.
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Platz 9: Flappy Bird (2014): Dieses simple Spiel, bei dem man einen Vogel vor der Kollision mit Röhren bewahren musste, bewegte Anfang 2014 für einige Wochen die ganze Welt. Dann tat der Entwickler etwas sehr Uneigennütziges. Er entfernte die App aus allen App Stores, weil Flappy Bird zu süchtig machend sei. Heutige Smartphone-Spiele haben aber natürlich genau dieses Geschäftsmodell.
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Platz 8: Google Fotos (2015): Bei Google Fotos konnte man von Anfang an unbegrenzt kostenlos die eigenen Bilder in der Cloud sichern. Damit setzte sich die App deutlich von der Cloud-Konkurrenz ab, die sich jeden Megabyte Speicherplatz üblicherweise gut bezahlen liess.
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Platz 7: Slack (2013): Slack brachte die von der privaten Kommunikation bekannten Chat-Funktionen in Unternehmen. Nun kann sich auch auf der Arbeit ganz offiziell Emojis schicken. Diese neue Art der Unternehmens-Kommunikation sorgt allerdings auch dafür, dass Mitarbeiter immer erreichbar sind, oftmals auch ausserhalb ihrer Arbeitszeiten.
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Platz 6: Candy Crush (2012): Die Macher von Candy Crush hatten das entgegengesetzte Konzept zu Flappy Bird. Sie machten ihr Spiel immer nur noch abhängiger und erzielten durch In-App-Käufe Milliardenumsätze.
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Platz 5: Snapchat (2011): Für eine Weile sah es so aus, als könnte Snapchat Facebook vor allem bei jungen Nutzern als das dominante soziale Netzwerk ablösen. Mit seinen verschwindenen Nachrichten und lustigen Filtern hatte Snapchat viele innovative Features. Doch diese kopierte Facebook in Instagram einfach schamlos. Dennoch hält sich Snapchat weiterhin solide am Markt.
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Platz 4: Pokémon GO (2016): Wenn Menschen ohne ersichtlichen Grund mit dem Smartphone in der Hand in dunklen Parks herumlaufen, jagen sie vermutlich gerade Pokémon. Die 2016 veröffentlichte App war eines der ersten und ist bis heute das einzige wirklich erfolgreiche Augmented-Reality-Spiel.
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Platz 3: Tinder (2012): Vor Tinder hatte Online-Dating einen eher zweifelhaften Ruf. Wer es benutze, könne wohl auf «normalem Wege» niemanden finden, hiess es. Die sehr simple und sehr oberflächliche Funktionsweise von Tinder, bei der man durch ein Wischen nach links oder rechts sein (Nicht)Interesse an potenziellen Partnern bekundet, machte Online-Dating zu einem Massenphänomen.
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Platz 2: Uber (2011): Uber hat urbane Mobilität verändert. Einfach mit dem Smartphone ein Auto bestellen, das war neu. Bestehende Gesetze zum Arbeitsrecht oder Personentransport betrachtete das Unternehmen in vielen Ländern als optional und verdrängte mit aggressiven Taktiken zahlreiche alteingesessene Taxifirmen.
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Platz 1: Instagram (2010): Instagram hat eine ganz neue Ästhetik erschaffen. Restaurants ändern ihre Deko, um möglichst gut auf Instagram zu erscheinen. Menschen ändern beim Schönheitschirurgen ihr Gesicht, um ein «Instagram Face» zu bekommen. Und dank der von Snapchat kopierten Features wird Instagram auch immer mehr die App der Wahl für die 1-zu-1-Kommunikation.
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