Sicherheitsbedenken TikTok-Verbot anderer Länder lässt die Schweiz kalt

dpa/sda/dj

1.3.2023 - 11:40

Auf EU-Diensthandys ist Tiktok bereits verboten.
Auf EU-Diensthandys ist Tiktok bereits verboten.
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Die USA, Kanada und die EU verbieten Tiktok auf Diensthandys. Die Schweiz sieht noch keinen Anlass, nachzuziehen – will sich aber mit Brüssel darüber austauschen. 

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Die Beamten der Europäischen Kommission und die Regierungsbeschäftigten in den USA oder Kanada gehören nicht gerade zur Kern-Zielgruppe von Tiktok. Der Kurzvideo-Dienst aus dem chinesischen ByteDance-Konzern ist mit seinen viral verbreiteten Inhalten vor allem bei Teenagern beliebt, die sich um die Sicherheitsbedenken der Regierungen weniger Sorgen machen.

Doch nach der Anweisung, Tiktok von den Diensthandys zu löschen, steht erneut ein generelles Verbot des Dienstes in den westlichen Ländern im Raum.

Tiktok ist grosse Konkurrenz für US-Tech-Giganten

Die bisherige Erfolgsgeschichte von Tiktok hat vor allem die grossen Social-Media-Konzerne im Silicon Valley kalt erwischt. Insbesondere beim Facebook-Konzern Meta versucht man seit Monaten fieberhaft, mit einem ähnlichen Konzept eine Antwort für den Überraschungserfolg aus China zu finden.

Auch Youtube tat sich zunächst schwer, die Tiktok-Offensive zu kontern. Im Sommer 2021 stellte die Google-Plattform Youtube Shorts vor, ein Format, das stark an Tiktok erinnert. Nur Twitter, das einst mit «Periscope» Vorreiter beim Livestreaming von Videos war, ist bis heute eine Antwort schuldig.

70 Prozent der Jugendlichen in den USA nutzen angeblich Tiktok bereits. Mit dem Aufstieg des Dienstes meldeten sich auch immer wieder warnende Stimmen zu Wort, die einen Abfluss der Benutzerdaten nach China befürchteten.

Kein Verbot in der Schweiz geplant

Die Schweiz hat jedoch zurzeit kein Verbot der chinesischen Plattform Tiktok auf Mobiltelefonen von Bundesangestellten geplant. Das sagte die Bundeskanzlei auf Anfragen von mehreren Schweizer Medien. Die Regierung wird sich mit den Behörden der Europäischen Union in Verbindung setzen, um herauszufinden, was sie zu dieser Entscheidung veranlasst hatte.

Der deutsche Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber sieht Tiktok dagegen kritisch. Bereits im Juni 2021 empfahl der Datenschützer den Bundesministerien und -behörden, die Video-App des chinesischen Anbieters nicht auf dienstlichen Geräten einzusetzen. Das Ergebnis einer angekündigten umfangreichen Analyse steht allerdings noch aus.

Das deutsche Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) formuliert seine Bedenken auch eher vage: «Grundsätzlich ist bekannt, dass zahlreiche Apps Daten an die jeweiligen Hersteller wie auch an Dritte übermitteln.»

Gefahr von Einflussnahme

Härter fällt das Urteil von Rüdiger Trost aus, der bei der Sicherheitsfirma WithSecure arbeitet: Er schätze Tiktok als «sehr gefährlich» ein, sagte der Experte der Deutschen Presse-Agentur. «Der Algorithmus von Tiktok benachteiligt gezielt Individuen, die nach westlichem Verständnis eines besonderen Schutzes bedürfen.» So würden etwa Videos von Behinderten auf Tiktok gezielt seltener ausgespielt.

Als problematisch sieht Trost auch die Verbindung zur Regierung des Herkunftslandes: «Ereignisse, die dem chinesischen Staat nicht gefallen, fallen der Zensur zum Opfer.» Vieles an Tiktok sei mit dem westlichen Verständnis von Menschenwürde, Gleichberechtigung, freier Meinungsäusserung und Minderheitenschutz nicht in Einklang zu bringen. «Mindestens so gross wie die Gefahr vor Spionage ist das Risiko einer gezielten Beeinflussung der öffentlichen Meinung in westlichen Gesellschaften. Nicht zuletzt vor Wahlen.»

Tiktok weist Vorwürfe von sich

Tiktok will Vorwürfe wie diese nicht im Raum stehen lassen. Sprecher des Konzerns behaupten immer wieder, die Daten der Anwenderinnen und Anwender aus den USA würden in den Vereinigten Staaten verarbeitet, Back-up-Server befänden sich in Singapur. Tiktok sei auch unabhängig gegenüber dem in Peking sitzenden Firmenteil von ByteDance.

Doch viel Eindruck haben diese Beteuerungen im politischen Washington nicht hinterlassen. Insbesondere Vertreter der Republikanischen Partei behandeln Tiktok so, als hätten sie es direkt mit einem Dienst der Kommunistischen Partei Chinas zu tun.

Die Tiktok-feindliche Haltung hat bei den Republikanern schon Tradition. 2020 drohte der damalige US-Präsident Donald Trump mit dem generellen Verbot von Tiktok, wenn ByteDance den Dienst nicht an den US-Softwarekonzern Oracle verkaufe. Trump sah die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten bedroht, ohne allerdings auf Details einzugehen. Tiktok setzte sich rechtlich zur Wehr, bis Trumps Nachfolger Joe Biden die wirren Übernahmepläne stoppte und die Massnahmen seines Vorgängers einkassierte.

Viele US-Politiker*innen wollen Komplettverbot

Doch vom Tisch sind die Verbotspläne in den USA noch lange nicht. In einem grossen Gesetzespaket zur Absicherung des staatlichen Haushalts brachten die beiden republikanischen Abgeordneten Josh Hawley (Missouri) und Ken Buck (Colorado) das Verbot auf den Dienst-Smartphones der Regierungsbeschäftigten unter. Eigentlich streben sie aber ein komplettes Verbot von Tiktok in den USA an und werden dabei auch von einzelnen Vertretern der Demokratischen Partei unterstützt.

Der renommierte US-Sicherheitsexperte Bruce Schneier hält diese Verbotspläne für «eine schreckliche Idee». «Die Nebenwirkungen wären unerträglich», schrieb Schneier in seinem Blog. Am Ende würden alle wirksamen Optionen (für das Verbot von Tiktok) das freie Internet, wie wir es kennen, zerstören.

Tiktok ist nicht alleine

Es bestehe kein Zweifel, dass Tiktok und ByteDance, zwielichtig seien, schrieb Schneier. «Sie arbeiten, wie die meisten grossen Unternehmen in China, im Auftrag der chinesischen Regierung. Sie sammeln extrem viele Informationen über ihre Nutzer.» Aber Tiktok sei nicht allein:

«Viele Apps, die Du verwendest, tun das Gleiche, darunter Facebook und Instagram sowie scheinbar harmlose Apps, die keinen Bedarf an den Daten haben. Deine Daten werden von Datenmaklern gekauft und verkauft, von denen Du noch nie etwas gehört hast und die wenig Skrupel haben, wo die Daten landen. Sie haben digitale Dossiers über die meisten Menschen in den Vereinigten Staaten.»

Der Experte setzte sich für ein wirksames Datenschutzgesetz in den USA ein, mit dem die Konsument*innen langfristig geschützt werden könnten, «und nicht nur vor der App der Woche.»