Hungriges Update Microsoft bringt kostenloses Windows 11 heraus und verdient trotzdem

DPA/dj

4.10.2021 - 12:11

Das Windows-11-Logo mit blauem Hintergrund.
Das Windows-11-Logo mit blauem Hintergrund.
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Microsoft wagt bei seinem Betriebssystem wieder einen Versionssprung: Windows 11 ist für Windows-10-Nutzer sogar kostenlos. Der Konzern verdient aber trotzdem damit Milliarden, weil wohl viele neue PCs angeschafft werden müssen.

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Microsoft räumt auf und verpasst seinem Betriebssystem Windows ein modernes Design. Eigentlich hatte der Konzern vor sechs Jahren in Aussicht gestellt, bei Windows 10 für immer zu bleiben: Doch nun hat der Softwaregigant seinem runderneuerten Betriebssystem eine neue Versionsnummer verpasst. Windows 11 startet am Dienstag.

Zur Premiere wird das System auf jeden Fall auf neuen PCs verfügbar sein. Darunter sind zum einen die neuen Surface-Rechner von Microsoft selbst. Mit an Bord sind aber auch die zahlreichen Hardwarepartner wie Lenovo, HP, Dell, Acer, Huawei und viele andere.

Windows 11 wird jedoch auch als kostenloses Upgrade schrittweise auf bestehenden Rechnern mit Windows 10 installiert. Dabei werden allerdings nur PCs zum Zuge kommen, die eine lange Liste von Voraussetzungen erfüllen.

So wird ein vergleichsweise neuer Prozessor verlangt. Das sind die Intel-Prozessoren der achten Generation, Zen-2-Chips von AMD sowie ARM-Chips der Serien 7 und 8 von Qualcomm. Damit werden die Benutzer älterer Systeme mit Prozessoren aus Intels sechster oder siebter Generation sowie älteren AMD-Modellen vom Wechsel zu Windows 11 ausgeschlossen.

Sicherheitschip Voraussetzung

Bei vielen Modellen aus den Jahren 2017 und früher wird das Upgrade auf Windows 11 aber auch daran scheitern, dass auf der Hauptplatine der Rechner noch kein spezieller Sicherheitschip verbaut wurde. Dabei handelt es sich um das umstrittene Trusted Platform Module (TPM) 2.0.

Ob es Microsoft gelingen wird, mit dem neuen Windows 11 in Verbindung mit der Sicherheitshardware moderner PCs die rapide wachsende Cyberkriminalität einzudämmern, werden die kommenden Monate und Jahre zeigen. Klar ist: Bei der Abwehr von Schadprogrammen, die ganze Computernetzwerke erobern und komplette Datenbestände verschlüsseln, könnte die Kombination von Windows 11 und TPM eine wichtige Rolle spielen.

Umstritten wird das TPM aber vermutlich dennoch bleiben, auch wenn die PCs dadurch sicherer werden. Schliesslich lassen sich mit dieser Architektur auch Identitäten genauer erkennen, als es manchen Anwendern gefällt. Damit könnte beispielsweise ein Lizenzmanagement der installierten Programme viel rigider umgesetzt werden als bislang.

Windows 11 als «Erlebnispaket»

Die recht hohen Voraussetzungen für Windows 11 lösten Kritik aus. Microsoft rechtfertigte sich Ende Juni in einem Blogeintrag: Windows 11 sei als komplettes Erlebnispaket konzipiert und entwickelt worden. «Wir brauchen eine Mindestsystemanforderung, die es uns ermöglicht, Software und Hardware anzupassen, um mit den Erwartungen und Bedürfnissen der Menschen Schritt zu halten und den wahren Wert und die Leistung des PCs zu nutzen, um jetzt und in Zukunft die besten Erfahrungen zu bieten.» Dazu gehöre auch der TPM-Chip, der unter anderem ein sicheres Hochfahren der Rechner ermögliche.

Anwenderinnen und Anwender, die mit ihren Maschinen nicht Windows 11 nutzen können, erleiden kurzfristig keine Nachteile. Die Softwareunterstützung für Windows 10 soll erst 2025 enden. Die Erfahrung bei der Ablösung von inzwischen stark veralteten Versionen wie Windows XP hat allerdings gezeigt, dass viele private Nutzer und auch gewerbliche Anwender sich vermutlich nicht rechtzeitig um einen sicheren Ersatz kümmern werden.

Es winkt ein grosses Geschäft

Für Microsoft und seine Partner winkt mit dem geplanten Windows-10-Verfallsdatum aber ein riesiges Geschäft. Nach Expertenschätzungen sind derzeit rund 1,3 Milliarden Personal Computer mit Windows 10 im Einsatz. Davon werden mehrere Hundert Millionen Geräte beim Check mit der «PC Health App» von Microsoft kein grünes Licht für einen Umstieg auf Windows 11 anzeigen. Diese Rechner werden über kurz oder lang ersetzt werden müssen. Und Microsoft macht mit jedem neuen PC durch die Lizenzgebühr der Hersteller schätzungsweise 25 Dollar Umsatz.

Einen Umsatzschub könnte Windows 11 auch dem Segment der Produktivitätssoftware bescheren. So wird das Kommunikationstool Microsoft Teams in Windows integriert, sodass eine noch schnellere und einfachere Kontaktaufnahme mit Kollegen, Freunden und der Familie möglich ist. Das dürfte die Umsätze des dazugehörigen Programmpakets Office 365 fördern und Teams-Konkurrenten wie Zoom oder Slack Sorgen bereiten. Slack beschwerte sich wegen der Bündelung schon im Herbst bei der EU-Kommission.



Nicht ganz fertig

Nicht rechtzeitig fertig zum Start von Windows 11 wurde die Funktion, auch Android-Apps auf dem Windows-PC laufen zu lassen. Die Unterstützung für Android-Anwendungen soll nun erst im kommenden Jahr Einzug halten. Microsoft hat das Projekt zusammen mit Amazon entwickelt. Der Internetriese betreibt selbst einen App-Store für Android-Apps und macht damit Google Konkurrenz. Microsoft bekäme über diese Kooperationen zumindest in Ansätzen wieder einen Fuss in die Tür mit mobilen Apps, denn seit dem Aus für Windows Mobile verfügt der Softwaregigant nicht mehr über eine eigene Mobilplattform.

An der Börse kamen die angekündigten Windows-11-Innovationen gut an. Seit der ersten Vorstellung des Systems Ende Juni hat der Kurs der Microsoft-Aktie um rund zehn Prozent zugelegt. Dabei hat auch eine Rolle gespielt, dass Windows 11 bei den Technik-Journalisten, die bereits mit der Beta-Version gearbeitet haben, durchweg gute Noten bekam.

Potenzielle Käufer, die sich einen neuen PC zulegen wollten, sollten aber, wenn möglich, den Kauf um einige Monate verschieben, raten Verbraucherschützer. In der Corona-Krise haben Unternehmen, Organisationen und Schulen insbesondere den Laptopmarkt quasi leergekauft. Vor diesem Hintergrund haben die Hersteller keinen Grund, attraktive Schnäppchen anzubieten. Im Sommer 2022 könnte die Lage anders aussehen.