Ausgetrickst vom eigenen Hirn Dass sich Filmpaare auch in echt verlieben, ist Berufsrisiko

Von Fabian Tschamper

11.11.2022

Von Tobey und Kirsten bis zu Brad und Angelina: Wer sich über Monate an Filmsets echte Gefühle vorgaukelt, der hält sie schliesslich für echt. Oder sind sie das etwa nicht? Die Wissenschaft liefert Antworten.

Von Fabian Tschamper

Als Schauspieler tust du so, als ob. Und wenn du lange genug so tust, als ob, werden gespielte Gefühle zur Realität. Glaubst du mir nicht? Dann frag mal die x-hundert Paare in Hollywood, die nach einem gemeinsamen Projekt in eine Beziehung geschlittert sind.

Dabei ist mein Lieblingsbeispiel der Superheld Spider-Man. Der Spinnenmann hat eine grosse Liebe in all seinen Filmen: Mary Jane Watson. Wenn die Bösewichte jeweils rausfinden, dass Peter Parker unter der Maske steckt, fokussieren sie sich auf seine Angebetete und das drahtige Kerlchen muss abermals ihr Leben retten. Das darf natürlich romantisch sein – und eine Fantasie von noch so mancher oder manchem.

In den frühen 2000er-Jahren war Tobey Maguire der Spider-Man einer Generation, seine Mary Jane war Kirsten Dunst. Die beiden wurden im echten Leben zum Paar, nachdem sie 2002 den ersten «Spider-Man» gedreht hatten. Sie trennten sich allerdings schnell wieder, «aus keinem besonderen Grund», wie sie damals sagten. Die Beziehung sei einfach versandet.

Der nächste – und nicht so wirklich beliebte Spider-Man – war Andrew Garfield. Seine Mary Jane wurde von Emma Stone verkörpert. Und ja, auch die beiden waren seit Beginn der Dreharbeiten 2011 bis nach Ende des Hypes 2015 – und zwei «The Amazing Spider-Man»-Teilen – ein Paar.

Was mich schliesslich noch zum aktuellen – und womöglich passendsten Schauspieler für den Spinnenmann – bringt: Tom Holland. Der junge, spritzige Brite hat im Marvel-Universum bereits drei eigene «Spider-Man»-Filme bekommen. Nach Kirsten Dunst und Emma Stone ist nun Zendaya der love interest.

Und wer hätte es gedacht: Auch dieses Filmpaar wurde zum Paar im echten Leben. Zusammen sind sie nach wie vor. Vielleicht findest du das jetzt komisch, mir ging es jedenfalls so. Ein Zyniker würde eventuell sogar behaupten, dass es eine Marketing-Masche der «Spider-Man»-Macher sein könnte – um die Magie von Peter Parker und Mary Jane Watson in die Realität zu tragen?

Viel wahrscheinlicher ist es, dass die «Spider-Man»-Paare ihrem eigenen Hirn auf den Leim gekrochen sind.

Echte Emotionen folgen auf gespieltes Verhalten

Wissenschaftler*innen der Universität Yale haben nämlich – als erste überhaupt – untersucht, was mit dem Hirn geschieht, wenn ein Mensch im Theater als Schauspieler*in tätig ist. Was sie gefunden haben, ist nicht erstaunlich: Wer sich auf eine Rolle vorbereitet, der bringt viel Energie auf, um sich mental in die Figur zu versetzen, zu dieser Figur zu werden.

Was passiert also, wenn Schauspieler*innen so tun müssen, als wären sie verliebt?

Die Forscher der kognitiven Neurowissenschaft beschreiben es so: «Sie versetzen ihre Körper und ihren Verstand in Positionen und Interaktionen, die fiktiv sind – ihre Körper und Handlungen imitieren aber die Realität. Es besteht also die Chance, dass Schauspieler*innen dieses fiktive Verhalten als real auffassen und die Emotionen schlicht folgen.»

Gleichzeitig werden junge Darsteller*innen darauf getrimmt, offen und emotional intelligent zu sein, um sich leichter in eine Vielzahl an Figuren versetzen zu können. Die Interaktion mit anderen Menschen, die ebenfalls so ausgebildet wurden, eröffnet logischerweise unzählige Möglichkeiten einer emotionalen Verbindung.

Und es ist nicht so, als wäre die Filmindustrie komplett blind, was dieses Phänomen angeht. Es wird in der Branche als «milde Besessenheit» bezeichnet. Es ist äusserst verbreitet und gilt als berufliches Risiko.

«Sie haben mich alle ignoriert»

Die Produzentin der «Spider-Man»-Filme, Amy Pascal, habe Zendaya und Tom Holland sogar davor gewarnt. Sie sollen ihre Beziehung auf einer professionellen Basis belassen: «Ich hatte separat mit ihnen gesprochen, als wir sie zum ersten Mal gecastet haben», erzählt Pascal. «Tut es nicht, schlicht nicht, habe ich ihnen gesagt. Denselben Rat gab ich Andrew Garfield und Emma Stone. Es macht alles nur komplizierter. Und wissen Sie was? Sie haben mich alle ignoriert.»

Vertraglich hindere die Schauspieler*innen nichts daran, mit ihren Co-Stars intim zu werden. Solange es die Dreharbeiten nicht beeinträchtige. Pascal geht sogar so weit und behauptet, «dass dies der Grund ist, warum es in Hollywood so viele Scheidungen gibt».

Die Darsteller*innen seien von den Figuren besessen, die sie spielen. Sie glauben wirklich, sie hätten sich verliebt – wenn auch nur temporär. Oftmals merken sie dies aber erst, nachdem sie sich das Jawort gegeben hätten. Plötzlich löse sich die Fantasie, diese Illusion in Luft auf.

Das ist aber längst nicht immer der Fall. Ein ungerades Mal endet eine solche Beziehung glücklich. Ein Beispiel dafür ist Kirsten Dunst. Mit Tobey Maguire hat es zwar nicht funktioniert, doch während der Dreharbeiten zu «Fargo» (2015) lernte sie Jesse Plemons («The Power of the Dog») kennen. Sie sind seit Juli 2022 verheiratet und haben zwei gemeinsame Söhne.

Mehr Beispiele von Filmpaaren, die zu echten Paaren wurden – wenn auch teils nur kurzweilig – findest du in der Bildergalerie.


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