Locarno Film Festival Die Riesenleinwand auf der Piazza Grande

fts

11.12.2019

Weiss, gigantisch, einmalig: Die Leinwand auf der Piazza Grande ist das Locarno Film Festival par excellence. Sie ist sein Abbild, seine Ikone, seine Postkarte.

Sommer 1946, im Park des Grand Hotels. Das Locarno Film Festival nimmt hier seinen Anfang, mit einer zwischen den Bäumen gespannten Leinwand, auf den abfallenden Rasen gestellten Stühlen, und die Vorführung von Giacomo Gentilomos O sole mio.

Sommer 1971, 25 Jahre später. Raimondo Rezzonico, Präsident des Festivals, klopft beim Architekten Livio Vacchini an die Tür: «Wir brauchen eine Idee, um das Festival neu zu lancieren, um es weiterzuentwickeln. Etwas Spektakuläres.» Und Vacchini antwortet: „Gib mir ein paar Tage, ich denke darüber nach.“ Der Architekt, der von seinem Büro die Piazza überblickt, beginnt zu überlegen: Ich muss mir etwas einfallen lassen. Aber die Idee war schon da, vor seinen Augen: Piazza Grande.



«Das ist ein Freiluftkino!»

Für Livio Vacchini gab es keinen Zweifel: Piazza Grande war ein perfektes Kino. Man musste „einfach“ eine Seite mit einer grossen Leinwand abgrenzen und für mehr Sitzgelegenheiten sorgen. Raimondo Rezzonico nahm die Herausforderung an, und in wenigen Wochen machte man sich eifrig an die Arbeit. Um auch starkem Wind standzuhalten, musste dieses Ungetüm neun Meter tief eingegraben und verankert werden. Und die Genehmigungen? Das hatte Zeit; jetzt war man in Eile. Nachdem der weisse Koloss montiert und straff gespannt war, wurden die Stühle angeschafft: 500 Stück.

Gebraucht wurden aber 2'000!

Für Vacchini waren 500 zu wenig; er verlangte 2'000. „Die 500 alle zu besetzen, wäre schon ein Wunder“, antwortete Rezzonico lachend. Am ersten Abend wird «Take the Money and Run» («Woody, der Unglücksrabe», von Woody Allen) gezeigt, aber bereits bei der zweiten Vorführung am nächsten Abend ist Not am Mann: Ein unaufhörlicher Strom von Besuchern ergiesst sich aus der Stadt auf die Piazza. Die Stühle sind zu wenig, viel zu wenig. Damit niemand stehen muss, werden alle Schulen der Stadt sowie das Institut für Grundschullehrer «geplündert».



Es wird dunkel. Und in der Stadt ...

In einem Kino muss es dunkel sein, ganz dunkel. Also legt das Elektrizitätswerk Sopracenerina zu Beginn der Vorführung den Hebel um, und das Licht geht aus. Auf der Piazza, und auch in allen Häusern rund um den Platz. Und doch, auch wenn man im Dunkeln sass, war es doch ein genialer Moment der Aufklärung. Es war der Beginn einer neuen Geschichte. Da man damals noch auf der Piazza rauchen konnte, war es für Mario Botta die Geschichte «des grössten Kinosaals der Welt für Raucher.» Und für viele jene des schönsten Kinos der Welt.

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