Ernste Stimmung Nichts zu lachen am Set von «Jagdzeit»

Von Lukas Rüttimann

22.2.2020

Der Schweizer Film «Jagdzeit» nimmt sich einem sensiblen Thema an – der Selbstmordwelle unter Top-Managern. Beim Besuch am Filmset in Baar ZG herrscht denn auch eine eher ernste Stimmung.

Das Haus sieht aus, als hätte man es extra für diesen Film gebaut. Ein sentimentaler Charme umweht das lehmfarbene Gebäude, in dem die Dreharbeiten zum Schweizer Film «Jagdzeit» über die Bühne gehen. Das passt zu der Geschichte über einen ehrgeizigen Finanzchef eines international tätigen Zulieferers in der Autobranche, der auch schon bessere Zeiten gesehen hat. Auch sonst stimmt die industrielle Gegend am Rand von Baar ZG zu einem Film über das Leben und Leiden von Top-Managern: Gegenüber hat der internationale Rohstoff-Konzern Glencore seinen Sitz, am Drehort selbst gehen auch Businessleute unter anderem von Shell ein und aus.

Am Set wird hoch konzentriert gearbeitet. Kameraleute und Tontechniker wuseln in den engen Gängen umher, und immer wieder erklingt das Signal, dass nun absolute Ruhe herrschen soll. Denn nicht nur die Techniker stellen die Filmaufnahmen im fiktiven Büro der Firma Walser vor eine grosse Herausforderung; auch die Schauspieler haben an den intensiven Dialogen und Emotionen des Films durchaus zu beissen.

So auch bei der Szene, bei der Medien einen Augenschein von den Dreharbeiten nehmen dürfen. Stefan Kurt steht mit Anzug und Krawatte vor einem Chart im Sitzungszimmer und berichtet von Verlusten – zum «vierten Mal in Folge», wie er mit angespannter Miene sagt. Immer wieder klingeln Handys (der Ton wird von einem Regie-Assistenten mit Fingerschnippen simuliert) der Meeting-Teilnehmer am Sitzungstisch. Doch nur einer nimmt ab. Es ist der deutsche Sanierer, der offenbar eine weitere Hiobsbotschaft in Empfang nimmt und das lakonisch kommentiert: «Willkommen bei Walser», sagt er.

Zwei Stars in Hochform

Die hohe Geschwindigkeit und die Präzision der Dialoge in «Jagdzeit» seien der Hauptgrund dafür gewesen, dass er die Rolle als externer Firmensanierer Hans Werner Bockmann angenommen habe, sagt der deutsche Schauspieler Ulrich Tukur (u.a. «das Leben der anderen», «Tatort») später in einer Drehpause gegenüber Bluewin.ch. Er habe sich für den Film auch mit echten Managern unterhalten – und sei froh, dass er dem Druck, der in diesem Berufsstand herrscht, als Schauspieler nicht allzu oft ausgesetzt sei.

Tukur ist Star eines Filmes, der vor allem von seinen messerscharfen Dialogen lebt. Der Deutsche spielt sozusagen den Bösewicht, während der tragische Held vom Schweizer Schauspieler Stefan Kurt – den man kaum mehr als jenen Mann erkennt, der zuletzt noch als Titelfigur in «Papa Moll» im Kino zu sehen war– verkörpert wird.



Der Inhalt von «Jagdzeit» ist durchaus delikat: Alexander Maier (Kurt) ist der perfektionistische Finanzchef des Schweizer Automobilzuliefer-Konzerns Walser, der sein ganzes Leben der Arbeit unterordnet. Dann platzt jedoch der neue CEO Hans-Werner Brockmann (Tukur) in sein Leben. Der Topmanager soll die Firma umstrukturieren. Die beiden schmieden einen Plan, um den Betrieb in die Zukunft zu retten. Doch schon bald schlägt ihre Kollegialität um in einen erbitterten Kampf. Als ein Deal mit einem Grossinvestor platzt, gibt Brockmann Maier die Schuld für das Scheitern. Maier realisiert, dass er alles verloren hat: seinen Ruf, seine Frau und seinen Sohn. In dieser Leere sieht er nur noch eine Möglichkeit, um sich an Brockmann zu rächen.

Der toxische Machtkampf zwischen den beiden Managern ist das Herzstück von «Jagdzeit» – und ein absolutes Erlebnis. Zu sehen, wie sich diese beiden Top-Schauspieler auf höchster Ebene duellieren, ist bereits am Set ein Highlight. Und wer den Film in diesen Tagen im Kino sieht, wird wissen: Ein besseres Mimen-Duell hat es in einem Schweizer Film noch selten gegeben. «In der Wirtschaft sind heute alle Krieger, da wird nach dem Machiavelli-Prinzip agiert. Am Ende gewinnt der Stärkere», sagt Tukur über den erbarmungslosen Machtkampf zwischen den beiden Hauptfiguren.

Wenig zu lachen am Set

Ein «absoluter Glücksfall» sei die Besetzung, schwärmt auch Regisseurin Sabine Boss («Der Goalie bin ig», «Ernstfall Havanna») über ihre beiden Hauptdarsteller. «Diese beiden Schauspieler haben vorher noch nie zusammen gespielt, harmonieren vor der Kamera aber perfekt. Wir denken bereits darüber nach, die beiden für einen weiteren Film noch einmal zu vereinen», sagt sie lachend.

Tatsächlich sind Tukur und Kurt allein das Eintrittsgeld für «Jagdzeit» wert. Zwei Profis, die sich für den Film bis aufs Blut bekriegen, abseits der Kamera aber einen lockeren und kollegialen Umgang pflegen. Allerdings: Eine Gaudi sind die Dreharbeiten nicht; dafür ist der Filmstoff schlicht zu ernst. «Die Stimmung am Set ist gut, aber man spürt schon, dass wir hier ein intensives Drama drehen. Es gibt keinen Comic relief, keine Momente der Entspannung und des Lachens», sagt Boss.

Ein Büro als Lebensmittelpunkt

Neben Tukur und Kurt gibt es noch einen weiteren Star in «Jagdzeit». Es sind die Räumlichkeiten. Tatsächlich ist es Boss und ihrem Team gelungen, in Baar eine ganz eigene Firmenwelt zu kreieren, die auf der Leinwand die passende Stimmung vermittelt. Die Büros der Manager sehen zwar standesgemäss aus, verströmen aber auch jede Menge Retro-Flair. Eine bewusste Wahl, wie die Regisseurin erklärt: «Büros gibt es in jedem Film, aber hier spielen sie eine besonders wichtige Rolle. Sie sind quasi das Kernstück des Films. Wir haben bewusst nach Räumlichkeiten gesucht, die eine gewisse 80er oder 90er-Sentimentalität ausstrahlen – als Zeichen einer Firma, die ihre Blütezeit hinter sich hat und nun darum kämpft, in der Moderne zu überleben.»

Tatsächlich ist das Setting einer der Pluspunkte von «Jagdzeit». Das fiebrige Treiben in den Räumlichkeiten beschwört eine intensive Stimmung, die zur fatalen Entwicklung von Stefan Kurts Manager-Figur passt. Wer dagegen platte Tränendrüsenszenen erwartet, wird enttäuscht. Der Film zeigt eindrücklich, welche Dynamik das Machtstreben entwickeln kann – und wird nicht nur wegen seiner Parallelen zur Realität (Zürich-Finanzchef Pierre Wauthier, Ex-Swisscom-CEO Carsten Schloter oder Zürich-CEO Martin Senn) aus der Schweizer Wirtschaftswelt zum Mahnmal für mehr Menschlichkeit. Auch und ganz besonders im Bereich des Top-Managements.

«Jagdzeit» von Sabine Boss mit Stefan Kurt und Ulrich Tukur jetzt im Kino.

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