«Megxit» und mehr Wenn Adel verzichtet: Abgänge lassen Königshäuser schrumpfen

Von Steffen Trumpf, dpa

8.2.2020 - 18:00

Harry und Meghan machen's vor: Warum sollte man sich von Traditionen einengen lassen, wenn man in der Thronfolge ohnehin weit abgeschlagen ist? Nicht nur im britischen Königshaus findet eine Schlankheitskur statt.

Das können die doch nicht machen! Als Prinz Harry und Herzogin Meghan aus dem britischen Königshaus Reissaus nahmen, war der Aufschrei gross. Die Queen im Stich gelassen, die royalen Pflichten verletzt – nicht alle waren mit dem Entschluss des jungen Paares einverstanden.

Bei einem näheren Blick in die anderen Königshäuser Europas fällt aber auf: So einzigartig ist das Schrumpfen der britischen Monarchie gar nicht. Tatsächlich befinden sich mehrere Paläste auf personeller Abspeckkur – aus teils völlig unterschiedlichen Gründen.

Warum einengen lassen?

Wobei der Schritt von Harry (35) und Meghan (38) sicherlich heraussticht und am intensivsten diskutiert wurde. Begründet hatten sie ihren Entscheid zu Jahresbeginn mit dem Wunsch nach mehr Privatleben und persönlicher Entfaltung. Aussichten auf den Königstitel hat Harry hinter seinem Vater Charles (71), Bruder William (37) und dessen Kindern George, Charlotte und Louis ohnehin nicht. Warum sich nicht also den royalen Fesseln entwinden?

Tatsächlich soll Thronfolger Charles schon lange vorhaben, das Königshaus personell zu verkleinern. Nun hat die «Firma» – so nennen sich die Royals intern – binnen weniger Monate gleich drei «Mitarbeiter» verloren: Harry und Meghan leben mit Sohnemann Archie in Grossbritannien und Kanada, Prinz Andrew (59) ist zudem in den Missbrauchsskandal um US-Millionär Jeffrey Epstein verwickelt. Seine royalen Aufgaben gab er deshalb vorerst auf.



Wie man ein Königshaus mit Anstand verschlankt, ohne dabei auf royale Füsse zu treten, hat Schwedens König Carl XVI. Gustaf (73) vorgemacht: Er entschied im Oktober, dass fünf seiner sieben Enkel in Zukunft keine königlichen Amtsgeschäfte auf höchstem Niveau mehr ausüben müssen.

Die Kinder von Prinzessin Madeleine (37) und ihrem Mann Christopher O'Neill (45) sowie die von Prinz Carl Philip (40) und seiner Frau Prinzessin Sofia (35) sind damit weiter Mitglieder der königlichen Familie, nicht aber des königlichen Hauses – ein kleiner, aber feiner Unterschied auf dem Weg zu mehr Privatsphäre.

Die Schweden waren überrascht vom Schachzug ihres Königs. Eine klare Ansage von oben, angemessene Erklärungen des Hofes und öffentliches Lob von Madeleine und Carl Philip für den Schritt sorgten für landesweites Verständnis. «Die Kinder sind endlich von den königlichen Fesseln befreit worden», urteilte die Boulevardzeitung «Expressen».

Budget-Royals in Spanien

Andere Königshäuser haben sich schon früher bewusst verschlankt. In dieser Hinsicht hat sich kaum ein anderer König so entschlossen gezeigt wie Spaniens Felipe VI. (52). Er stellte von Anfang an klar, ein moderner Monarch sein zu wollen.

Schon bei der Thronbesteigung 2014 nach der Abdankung seines Vaters liess er mehrere Reformen in Kraft treten, darunter auch eine Verkleinerung der Casa Real, der neben Felipe seitdem nur noch Königin Letizia (47), Kronprinzessin Leonor (14), Felipes jüngste Tochter Sofía (12) sowie das emeritierte Königspaar Juan Carlos I. (82) und Sofía (81) angehören.



Seine älteren Schwestern Elena (56) und Cristina (54) warf Felipe damals aus dem inneren königlichen Zirkel kurz und schmerzlos hinaus. Sie müssen sich seitdem mit einem Schattendasein und dem zweitrangigen Titel «Familienangehörige seiner Majestät des Königs» begnügen.

Und Felipes Durchgreifen ergibt für den spanischen Steuerzahler auch finanziell Sinn: Jeder Spanier muss für das Königshaus, das mit einem Haushalt von knapp 8,4 Millionen Franken zu den kostengünstigsten zählt, statistisch nur wenige Cent im Jahr zahlen – im Vergleich zu anderen Häusern herrschen in Madrid also echte Budget-Royals.

Nur noch direkte Verwandte 

In den Niederlanden war der Thronwechsel 2013 ebenfalls Anlass für eine deutlichere Verkleinerung des Hofes: Nur noch direkte Verwandte ersten Grades von König Willem-Alexander (52) gehören seither zum Königshaus.

Das sind neben dem Monarchen noch Frau Máxima (48), die drei gemeinsamen Töchter, Ex-Königin Prinzessin Beatrix (82) samt Sohn Constantijn und dessen Frau Laurentien sowie Beatrix' Schwester Margriet und deren Mann Pieter van Vollenhoven. Willem-Alexanders Cousins samt Anhang sowie auch die Kinder seiner Brüder sind nur noch Mitglieder der Königsfamilie.



Ein Kuriosum erleben gerade etwas weiter südlich die Belgier: Nach jahrelangem Dementi hat Ex-König Albert II. die Künstlerin Delphine Boël als seine uneheliche Tochter anerkannt – nach öffentlichem und juristischem Druck und einem Gentest, der alle Zweifel ausräumte.

Bekommt das belgische Königshaus damit entgegen dem Trend ein neues Mitglied? Mitnichten: Boël wird nicht Prinzessin und erhält keinen Platz in der Thronfolge. Auch öffentliche Auftritte im Namen der Königsfamilie sind für Philippes Halbschwester völlig ausgeschlossen.

Prinz zu sein, ist uncool

Wohin führt also der Weg der Königshäuser? «Im Jahr 2020 ist es hoffnungslos unmodern, Prinz oder Prinzessin zu sein», urteilte der «Expressen» nach dem Goodbye von Harry und Meghan düster. Manche Briten sahen in dem «Megxit» bereits das endgültige Indiz für eine bröckelnde Monarchie.

Vielleicht stellt all das aber auch einen Trend zu schlankeren Palästen dar: Die Königshäuser schrumpfen sich gesund – und passen sich damit an die Moderne an.

Dabei entsteht aber auch ein Problem, das viele Arbeitnehmer kennen: Je weniger Personal, desto mehr Arbeit bleibt an den Übriggebliebenen hängen. In Schweden dürfte der Terminkalender von Kronprinzessin Victoria (42) und ihrer Familie nun noch voller werden, in Grossbritannien bedeutet der Abgang von Harry und seiner Frau mehr Aufgaben für den ohnehin stark eingespannten Prinz William und Herzogin Kate (38).

Und auch für Königin Elizabeth II. ist an Rente nicht zu denken: Die 93 Jahre alte Monarchin nimmt selbst noch etliche Termine wahr und bevorzugt dabei Kleidung in auffälligen Farben – damit man sie ja nicht übersieht.

Galerie: Die Matura-Noten der Royals

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Von Steffen Trumpf, dpa