«Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht» So war die Arbeit an der teuersten Serie aller Zeiten

Von Marlène von Arx

2.9.2022

Die Serie «Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht» ist das neuste Mega-Projekt unter den spektakulären Fantasy-Serien. Wir haben mit den Darstellern Lloyd Owen und Leon Wadham gesprochen.

Von Marlène von Arx

2.9.2022

Es ist das ambitionierteste Projekt, das Amazon für seinen Streaming-Service bisher auf die Beine gestellt hat: 462 Millionen Dollar soll die erste Staffel von «Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht» gekostet haben.

Zusätzlich schlugen die Rechte an Tolkiens «Der Herr der Ringe»-Trilogie, den Anhängen und «The Hobbit» mit 250 Millionen Dollar zu Buche. Erstaunlich dabei: Obwohl die Serie tausende Jahre vor diesen Büchern angesiedelt ist, sind die Rechte an Tolkiens «Silmarillion», eine Sammlung von mythischen Erzählungen aus der «Herr der Ringe »-Vorgeschichte, nicht beinhaltet.

Die Schöpfer und Showrunner Patrick McKay und John D. Payne haben in den Fussnoten und Rückblenden offenbar genügend Material gefunden, um eine neue Welt zu kreieren, die nur entfernt mit den Filmen von Peter Jackson zu tun hat.

Darsteller erklärt Ausgangslage

Die zentrale Rolle spielt hier der Aufstieg und Fall des zwischen Mittelerde und den unsterblichen Landen gelegenen Inselreichs Númenor. Dazu wurden vom Tolkien-Nachlass bewilligte neue Figuren geschaffen wie beispielsweise Kemen, der Sohn des Númenor-Kanzlers Pharazôn.

«Die Insel war ein Geschenk der Elben an die Menschen, weil sie sich im Kampf gegen Morgoth mit ihnen verbündeten», erklärt Kemen-Darsteller Leon Wadham die Ausgangslage.

«Es ist ein Paradies, auf dem man eine verlängerte Lebensdauer hat. Nach Jahrhunderten spaltet sich die Bevölkerung aber in zwei Lager – jenes, die den Elben treu bleiben und jenes der nationalistischen Kingsmen, die einen eigenen, unabhängigen Weg gehen wollen. Kemen gehört in die zweite Kategorie und ist naiv und unerfahren.»

Zur Vorbereitung tauchte der Neuseeländer nicht nur in Tolkiens Bücher ein, sondern liess sich auch von «Indiana Jones», der Unternehmerfamilien-Serie «Succession» und von seinen Bekannten aus Wellington inspirieren: «Ich bin in der Hauptstadt aufgewachsen und kannte viele junge Leute in politischen Parteien. Leute also, die viel Leidenschaft haben, aber noch nicht durch die graue Realität der Politik getestet wurden. Ich dachte als Kemen oft an den Bruder eines Freundes: Wie kann der so viel Selbstvertrauen ohne jegliche Erfahrung haben?»

Er spielt den Ur-Ur-Ur-Urgrossvater von Aragorn

Zwischen den beiden politischen Fraktionen hin- und hergerissen ist Elendil, der 38 Generationen zurückliegende Urgrossvater von Aragorn. Er wird von Lloyd Owen dargestellt.

«Aus den Büchern und den Filmen wissen wir, dass Elendil in der letzten Schlacht gegen Sauron stirbt und sein Schwert bricht. Aragorn nimmt es dann auf und schmiedet es neu», blickt der britische Schauspieler zeitlich in die weite Ferne des dritten Zeitalters von Mittelerde. «Hier im zweiten Zeitalter beginnt Elendils Geschichte als verwitweter See-Kapitän und Vater dreier Kinder auf der Insel Númenor, die eingefleischte Fans als Tolkiens Atlantis kennen.»

Um das Zuschauer-Auge nicht mit zu vielen CGI-Effekten zu überfordern, wurden auch wieder herkömmliche Kamera-Tricks verwendet und massive Sets gebaut.

«Als ich es zum ersten Mal sah, hat es mich umgehauen»

«Ich habe auch schon früher in diesen Studios in Auckland gearbeitet, aber als ich Númenor zum ersten Mal sah, hat es mich fast umgehauen», so Wadham. «Die Designer haben eine ganze Stadt detailliert aufgebaut, mit alten, elben-inspirierten Vierteln und den neueren Quartieren der Kingsmen. Man roch Weihrauch in den Gängen, und auf dem Markt wurde richtiger Fisch gekocht. Boote segelten auf Wasser in und aus dem Hafen. Ich brauchte mir nicht viel vorzustellen. Es war alles da. »

Lloyd Owen glaubt denn auch, dass die Geografie dieses Zweiten Zeitalters das überraschendste Element für die «Herr der Ringe »-Fans sein wird: «Das Zwergen-Königreich Khazad-dûm, Númenor und die Königreiche der Elben bekommen eine neue visuelle und emotionale Struktur. Und ich denke, es ist spannend zu sehen, wie etwa Elendil, der in den Büchern oft als Held beschrieben wird, vom zweiten ins dritte Zeitalter kommt.»

Die Mutter ist ein Super-Fan

In einer Produktion mit weltweiter Reichweite aufzutreten, ist Neuland für Leon Wadham. «Ich bin aufgeregt und nervös zugleich, denn es ist schon surreal, jetzt in diesem massiven Ding zu sein», sagt er. «Aber ich sehe Karl Urban relativ häufig in unserem lokalen Shopping-Center mit seinen Kindern. Er scheint ein ziemlich normales Leben zu führen. Wenn das für den Hauptdarsteller aus ‹The Boys› möglich ist, wird es wohl für mich auch möglich sein.»

Derzeit wird er wegen der Serie noch am meisten von seiner Mutter belagert, die ein «Herr der Ringe»-Fan ist und ihren Sohn als Kind in die Welt von J.R.R. Tolkien einführte. «Sie folgt allen Gerüchten im Internet und vielen Instagram-Accounts», so Wadham. «Dann kriege ich wieder eine SMS, in der sie nach Informationen fischt. So sehr ich ihr Interesse schätze: Ich halte dicht!»

Feststeht bereits, dass fünf Staffeln geplant sind und die zweite bald in Produktion geht. Ursprünglich sollte die erste Staffel in Schottland gedreht werden. Dieser Plan wurde dann aber unter anderem wegen des Brexits verworfen.

Der Lockdown während der Pandemie hat dann aber die vielen britischen Schauspieler *innen in Neuseeland zwei Jahre lang von ihren Familien abgeschnitten und verhindert, dass Amazon-Verantwortliche einreisen und den Dreh begutachten konnten.

Wadham hatte beinahe sich und seinen Serien-Vater getötet

Jetzt werden die Sets von Auckland nach Grossbritannien verfrachtet und ab Oktober soll die zweite Staffel in Europa gedreht werden. «Neuseeland war super und die Crew hatte dank den Jackson-Filmen wertvolle Mittelerde-Erfahrung», so der aus London stammende Owen. «Aber jetzt kehren wir in die Landschaften zurück, die Tolkien selber kannte. Ich weiss zwar noch nicht, wo wir drehen, aber für mich ist es schön, nahe der Familie zu sein und im eigenen Bett schlafen zu können, bevor ich um 4 Uhr zur Arbeit abgeholt werde.»

Dafür hat nun Leon Wadham einen langen Heimweg, aber den nimmt er gern in Kauf. Denn beinahe wäre die Serie für ihn schon fertig gewesen, bevor sie begonnen hatte: Ganz am Anfang nach einer Probe offerierte er Trystan Gravelle, der seinen Vater spielt, ihn zu seinem Hotel zurückzufahren, damit sie sich besser kennenlernen konnten.

«Ich beichtete ihm all meine Job-Ängste und merkte plötzlich, dass das Auto im Stau auf einem Bahnübergang feststeckte», erinnert sich Wadham noch immer mit Schrecken. «Der Warnalarm an der Barriere ging los, aber ich konnte im Stau nicht von den Geleisen runter! Irgendwie schaffte ich es dann doch. Dieses Erlebnis bestimmte nachher unsere Beziehung. Von da an war ich der Typ, der uns fast beide umbrachte, noch bevor wir einen Tag vor der Kamera standen.»