Kolumne am Mittag Dieter Bohlen und die asozialen Träume des Mittelstands

Von Michael Angele

8.2.2021

«Du singst wie ein Gartenzwerg»: Dieter Bohlen, Juror.
«Du singst wie ein Gartenzwerg»: Dieter Bohlen, Juror.
Bild: Getty Images

Alles ist anders, aber das bleibt zum Glück gleich: Dieter Bohlen ist auch in der aktuellen Staffel von «Deutschland sucht den Superstar» (DSDS) wieder in der Jury mit dabei. 

Seit einem Monat läuft die 18. Staffel von «Deutschland sucht den Superstar» (DSDS). Nach dem Rauswurf von Michael Wendler aus der Jury verhält es sich ein bisschen wie bei der Tour de France nach den grossen Dopingskandalen.

Wer jetzt noch schaut, kann sich auf das Rennen konzentrieren oder einfach nur die schöne Landschaft geniessen. Wir sind an Deck der «Blue Rhapsody», fahren auf dem Mittelrhein, Kandidaten werden in Rüdesheim, Oberwesel, Boppard, Braubach, Koblenz, Andernach, Linz am Rhein, Königswinter, Köln, Düsseldorf und Duisburg aufgenommen und abgesetzt. Das Wetter ist strahlend, Dieter Bohlen trägt seine blaue Sonnenbrille. Die Castings wurde vergangenen Spätsommer aufgezeichnet.

Aber das ist egal. Dieter Bohlen sieht aus wie immer. Dieter Bohlen sieht wie Dieter Bohlen aus, seit er vor 36 Jahren mit Modern Talking «Cheri Cheri Lady» sang. Nur die Haare sind etwa kürzer geworden.

«Reiss deinen Arsch zusammen»

Und als Juror von DSDS sagt er nun auch schon fast 20 Jahre «Du singst wie ein Gartenzwerg» (1. Staffel) respektive «Du singst wie eine Pissprimel» (18. Staffel), oder «Reiss deinen Arsch zusammen» oder «Du bist komisch» oder «Okay Schnuckelhase». Er sagt auch seit Jahren «Das ist echt geil», «Deine Stimme ist megageil», «Du kommst ja richtig aus dir raus, geil».

Dieter Bohlen verkörpert den Traum des Menschen, Macht über andere zu haben. Im Guten wie im Bösen, aber ein bisschen mehr im Bösen.

Er verkörpert diesen Wunsch bei RTL, also nicht zu extrem. Schliesslich beurteilt er ja Gesangskunst und Performance («Siehst ja süss aus»). Ein Herrscher muss Gunst bezeugen, sonst ist er kein echter Herrscher.

Bei DSDS geschieht das über die «Goldene CD». Wer sie bekommt, geht direkt in den «Re-Call». Diesen Samstag überreichte Dieter Bohlen seine Goldene CD an Karl Jeroban.  Im März geht es für den singenden Fitnesstrainer aus Düren direkt ins Finale nach Mykonos!

Er hampelt ständig vor neuen Autos herum – alles nur Show

Apropos. Der Wendler wurde ja wegen seiner Radikalisierung in der Corona-Frage aus der Jury geworfen und in seinen Auftritten rückwirkend unkenntlich gemacht. Und auch Bohlen hat eine Pandemie-Delle. Vor dem aktuellen Lockdown floh er auf die Malediven. Es gab Kritik von den Fans.



Warum eigentlich? Seit ich ihn kenne, verkörpert Bohlen die kontrolliert asozialen Träume des männlichen Mittelstands. Ein bisschen dreister sein als die anderen, ein bisschen cooler sein als der andere, die schärferen Bräute abschleppen (Naddel, Verona, Estefania, Famta, Carina) und vor allem Geld scheffeln.

Solche Männer studieren öfter mal BWL. Wie Dieter Bohlen, der sein Studium 1978 abschloss.

Sein Vermögen beläuft sich auf geschätzt 135 Millionen Euro. 2009 schloss Bohlen einen Werbevertrag mit der Deutschen Bahn und bekannte, künftig mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu reisen. Okay, okay, wer seinen Insta-Account verfolgt, sieht ihn ständig vor neuen Autos rumhampeln, aber das ist nur Show.

(Geschrieben zu «You’re My Heart, you’ re My Soul», «Brother Louie», «Jet Airlainer» und «Heaven Will Know».)


Zum Autor: Der Berner Michael Angele liefert regelmässig eine Aussenansicht aus Berlin – Schweizerisches und Deutsches betreffend. Angele schreibt für die Wochenzeitung «Der Freitag». Er ist im Seeland aufgewachsen und lebt seit vielen Jahren in Deutschlands Hauptstadt. Berndeutsch kann er aber immer noch perfekt. Als Buchautor erschienen von ihm zuletzt «Der letzte Zeitungsleser» und «Schirrmacher. Ein Porträt».


Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.

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