TV-Kritik Retro-«Samschtig-Jass»: Corona isch Trumpf!

Von TV-Experte Gion Mathias Cavelty

10.5.2020

«Eine absolut verblüffende Idee», staunt TV-Experte Gion Mathias Cavelty über den ersten Retro-«Samschtig-Jass».

Um coronabedingte Löcher im TV-Programm zu stopfen, wiederholen Fernsehanstalten gerne mal etwas, zum Beispiel eine Champions-League-Partie (Spoiler: Das Resultat ist am Schluss meistens das gleiche wie bei der Live-Übertragung).

Gut möglich, dass auf irgendeinem Sender gerade die Wiederholung der Schweizer Meisterschaft im Chriesistein-Spucken vom 4. Juli 2019 läuft (Sieger: Gustav Gantenbein mit 16,18 Metern).

Beim «Samschtig-Jass» hat man sich gedacht: Komm, wir wiederholen uralte «Samschtig-Jass»-Folgen, an die erspielten Differenzpunkte kann sich eh keiner erinnern, weil alle schon vor 300 Jahren das Zeitliche gesegnet haben.

Und so meldete sich am Samstagabend Fabienne Bamert aus ihrem Küchen-Homeoffice in Oberägeri bei den SRF-Jassfans und teilte ihnen mit, sie sei ins Archiv gestiegen und dort auf «wunderbare ‹Samschtig-Jass›-Sendungen» gestossen. Und die wolle man nun in den nächsten Wochen ausstrahlen.



Meine spontane Reaktion: Kann man den «Samschtig-Jass» momentan wirklich nicht mehr produzieren? Indem jeder Jasser die Karten mit zwanzig Meter langen Selfie-Sticks auf den Tisch legt oder so (natürlich dürfte jeder eine Karte nur ein Mal berühren, danach müsste alles desinfiziert werden, also konkret: Mischen – Desinfizieren – Ablupfen – Desinfizieren – Austeilen – Desinfizieren – Aufnehmen – Ablegen – Desinfizieren et cetera)? Oder jeder von zu Hause aus spielt, virtuell?

Ein Trip zurück zu goldenen Jass-Zeiten!

Sei es, wie es wolle. Der erste Retro-«Samschtig-Jass» (im SRF-Jargon genannt: «Archivperle») war der vom 29. Oktober 1988. Und ich muss zugeben: Ich war begeistert davon!

Der damalige Moderator Jürg Randegger, mittlerweile 85 Jahre alt, erinnerte sich in einem kurzen Telefonat mit Bamert an die damalige Zeit und zog Vergleiche zu heute («de ‹Samschtig-Jass› isch echli lüüter und schnäller worde und vor allem echli marktschreierischer, aber das ghört hüt eifach dezue»).



Dann ging die Zeitmaschine an und schwupps: erschien das Original Alpenland Quintett auf dem Bildschirm und dudelte die Eröffnungs-Melodie. Die Kamera zoomte auf den Jasstisch, an dessen Ende niemand anders als the one and only Göpf Egg thronte. Zu seiner Rechten: Stargast Walter Roderer sowie der frischgebackene Schweizer Meister im Differenzler; zu seiner Linken: der Zweitplatzierte der Differenzler-Meisterschaften sowie Jürg Randegger, der in der ersten Runde für die Telefonjasserin und Hobby-Tänzerin Rosmarie Burri aus Bazenheid die Karten ausspielte.

Ikonisch komisch

Es folgten Dialoge für die Ewigkeit, zum Beispiel:

Jürg Randegger: «Frau Burri – tanze, was tanzed Sie dänn am liebschte so?»

Frau Burri: «Rock 'n' Roll».

Jürg Randegger: «Ow, Rock 'n' Roll, hä? (…) Und dänn tanzed Sie ganz heissi Figure au? Oder eso chli hin und här?»

Frau Burri: «Das gib ich Ihne nöd bekannt.»

Vor ein paar Jahren habe ich Jürg Randegger übrigens zufällig in der Pestalozzi-Bibliothek in der Zürcher Anstalt beobachtet, wie er einen riesigen Stapel Bücher ausgeliehen hat, darunter solche von Martin Heidegger und Immanuel Kant.



Einfach ein Mann mit gewaltigem Horizont! Das zeigte sich auch bei folgender Frage an Walter Roderer:

Jürg Randegger: «Ich weiss, dass i de meischte Komiker e stilli Sehnsucht isch – sie wetted au als ernschte Schauspieler emal chönne de Durchbruch schaffe. Häsch du das au?»

Walter Roderer: … Das wär für mich z gföhrlich, wenn ich jetz plötzlich en ernschti Rolle würdi spiele (…).»

Jürg Randegger: «Also als König Lear chönntsch jetz nöd …»

Walter Roderer: «Also sicher nöd, dänn würed mer d Lüüt jo abschwimme und gängted hei.»

Bitte mehr alte Jass-Sendungen

Ein Jassproblem-Sketch der Jungs vom «Scharfe Egge» durfte natürlich auch nicht fehlen – der beste Spruch stammte von Heinz Lüthi: «Du würsch doch zum s Billett spare dini eiget Grossmueter hine am Tram aabinde!»

Höhepunkt: Die grüne Wand mit der Schweizerkarte, vor der Preisverteiler Hans Ricklin die Preise in Form von SBB-Reisegutscheinen aushändigte (aufs Jungfraujoch ging's und auf die Kleine Scheidegg).

Läck, diese grüne Wand hatte ich ganz vergessen! Irre, absolut irre! Wie in einem LSD-Rausch! Wie eigentlich die ganze Sendung.

Ich fordere: Auch nach der Corona-Krise sollten NUR NOCH alte Jass-Sendungen wiederholt werden! Am besten immer die gleiche, nämlich die vom 29. Oktober 1988. Besser wurd's und wird’s nicht!

Der «Samschtig-Jass» lief am Samstag, 9. Mai, um 18:40 Uhr auf SRF 1. Mit Swisscom Replay TV können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

Und hier noch die Bilder des Tages

Zurück zur Startseite