Der Check So grotesk war der Start in die neue «Tatort»-Saison

tsch

29.8.2021

Im «Tatort»-Comeback nach der Sommerpause entführten Täterinnen mit Hundemasken den Sohn eines Katzenfans. Der 13. Frankfurter Fall mit Janneke (Margarita Broich) und Brix (Wolfram Koch) spielte auf Filme an, in denen grotesk verkleidete Gruppen ebenfalls ein Hingucker waren.

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29.8.2021

Wer authentische Figuren benötigt, um einen Krimi zu mögen, hatte es mit dem «Tatort»-Saisondebüt «Wer zögert, ist tot» schwer. Hier war alles überdreht. Zudem gab es ausser Ermittler Brix eigentlich keine männliche Figur, die auch nur ein bisschen sympathisch war. Dafür kämpften Frauen in Tierverkleidung um ihre Rechte. Der Kniff mit den Hundemasken tragenden Entführerinnen eines Nichtsnutzes, dessen Vater ein Ekel war, war die beste Idee einer etwas zu sehr auf Coen-Brüder gebürsteten «Tatort»-Groteske. Immerhin erinnerte das Treiben an andere Gangs, die sich ebenfalls hinter Mottomasken verbargen.

Worum ging es?

Frederick Seibold (Helgi Schmid) wird von einer Hundemasken tragenden Gangster-Squad direkt vom Golfplatz entführt. Seine Ex-Partnerin Bille Kerbel (Britta Hammelstein) und sein ebenso reicher wie fieser Vater (Bernhard Schütz) haben jeweils einen Finger des Gefangenen zugeschickt bekommen. Seibold senior, ein vermögender Misanthrop und einzig und allein seiner Rassekatze zugetan, zweifelt jedoch stark an der Echtheit des Verbrechens. Tatsächlich stellt sich bald heraus, dass die beiden Finger jemand anderem gehörten. Die Spur des Frankfurter Ermittlungs-Teams Janneke (Margarita Broich) und Brix (Wolfram Koch) führt in ein Sportstudio, in dem Frauen Kampfsport und Selbstbewusstsein lernen.

Worum ging es wirklich?

Schwer zu sagen, denn Autorin und Regisseurin Petra Lüschow («Petting und Pershing») hatte offenbar eine Menge Themen im Kopf: Das bittere Porträt einer dysfunktionalen Vater-Sohn-Beziehung wurde mit der Selbstermächtigungs-Ballade rund um eine Gruppe benachteiligter Frauen gepaart. Daneben gab es sprechende Hunde als Entführer mit Niedlichkeitsfaktor, Katzen-Witze und so manche, vor allem männliche Figuren, die fast wie im Münsteraner «Tatort» derb überzeichnet und damit klamottig wirkten.

«Wer zögert, ist tot» war noch am ehesten die bittersüsse Emanzipations-Story verzweifelter Frauen: Sisters Are Doin' It For Themselves! Selbst dann, wenn es darum geht, abgeschnittene Finger mit der Post zu verschicken.

Welche grotesken Masken-Filme gibt es?

Eine obskure Gruppe verbirgt sich hinter Motto-Masken: Tiere, Ex-Präsidenten oder venezianischer Karneval. Einige berühmte Filme verdanken ihre Wirkung diesem Verkleidungskonzept. Im philosophischen Action-Klassiker «Gefährliche Brandung» (1991) begeht eine Gruppe anarchischer Surfer um Patrick Swayze Raubzüge, bei denen sie sich mit Masken ehemaliger US-Präsidenten tarnen. Swayze trug übrigens das Gesicht Ronald Reagans.

In Stanley Kubricks letztem Film «Eyes White Shut» (1999) gerät Tom Cruise an einen mysteriösen Geheimbund, der hinter venezianischen Masken Sex-Orgien feiert. Im aktuellen spanischen Netflix-Serien-Hit «Haus des Geldes» tragen die Gangster hingegen Masken, die karikaturistisch das Gesicht des Malers Salvador Dalí zeigen. Die Beispiele beweisen: Nicht nur Horror- und Superheldenmasken haben ihren festen Platz im Film. Gerade humoristische «Entfremdungsmasken» können Irritation und Gänsehaut auslösen.

Wer steckt hinter «Tatort»-Figur Fanny?

Paul Brix' platonische Freundin Fanny (Zazie de Paris) ist seit Folge eins des bisher 13 Fälle umfassenden Janneke/Brix-«Tatorts» dabei. Anfangs wohnte der Kommissar bei der divenhaften Französin zur Untermiete. In «Wer zögert, ist tot» hat Fanny mal wieder eine grössere Rolle. Sie darf – oder muss – «undercover» in einem Kampfsport-Studio für Frauen ermitteln. Auch aus therapeutischen Gründen, so Brix, um Fannys Selbstbewusstsein zu stärken.

Zazie de Paris heisst eigentlich Solange Dymenzstein. Geboren als Junge, ging sie mit acht Jahren zum Ballett und fühlte sich seitdem als Mädchen. Nach Jahren beim klassischen Ballett wechselte sie während der 70er in den «Underground». Sie strippte und wurde von Bühnen-Guru Peter Zadek in den frühen 80ern fürs deutsche Premium-Theater entdeckt. Seitdem spielte sie regelmässig an grossen deutschen Bühnen, war unter anderem zehn Jahre Ensemblemitglied am Hamburger Schauspielhaus. Sogar in der «Lindenstrasse» war Zazie de Paris mal für zwei Folgen dabei. 2016 verkörperte sie Viktoria, eine schillernde Transsexuelle aus München.

Wie geht es mit der neuen «Tatort»-Saison weiter?

Nach einer zweiwöchigen Pause ermitteln die Kölner Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) am 19. September im Fall «Der Reiz des Bösen». Darin geht es um Frauen, die sich zu Gewaltverbrechern hingezogen fühlen. Nach der «tatortfreien» deutschen Bundestagswahl am 26. September folgt eine Woche später am 3. Oktober das Kiel-Highlight «Borowski und der gute Mensch». Lars Eidinger spielt zum dritten Mal Axel Milbergs Gruselgegner Kai Korthals – bekannt aus den Vorläufer-Fällen «Borowski und der stille Gast» sowie «Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes».

«Tatort» lief am Sonntag, 29. August auf SRF1.