Ende einer Hassliebe Was sollen die Late-Night-Shows ohne Trump bloss machen?

dpa/phi

20.11.2020

Stephen Colbert und Late-Night-Kollege Jimmy Fallon (rechts) im Mai 2018 auf der Benefiz-Gala des Metropolitan Museum of Art's Costume Institute 
Stephen Colbert und Late-Night-Kollege Jimmy Fallon (rechts) im Mai 2018 auf der Benefiz-Gala des Metropolitan Museum of Art's Costume Institute 
Source: Keystone

Kaum jemand griff Donald Trump schärfer an als die US-Satiriker. Er brachte ihnen Quote, erschöpfte die Macher aber auch. Künftig dürfte sich einiges ändern – auch wenn der scheidende Präsident nicht ganz geht.

Der König der US-Late-Night hatte an diesem Abend keine Lust auf Witze. Stephen Colbert, Moderator der «Late Show», ging auf Sendung, als die Monstrositäten Donald Trumps kaum verklungen waren. Es war Donnerstag, zwei Tage nach der US-Wahl, ein Sieger wurde noch nicht verkündet. Ausser von Trump – der sich selbst ausrief.

Colbert schimpfte, Trump wolle die Demokratie «töten». Keine Scherze mehr, kein Augenzwinkern, kein schelmisches Lächeln, keine Metaebene. Er fiel aus der Rolle – vielleicht gewollt – und das Video davon verbreitete sich viral. Wie seine Moderatoren-Kollegen der US-Abendshows wurde Colbert in den vergangenen vier Jahren zu einem liberalen Bollwerk gegen Trump.

Nach dessen Wahlniederlage könnte auch bei ihnen eine neue Zeit anbrechen.

Harsche Kritik statt Gags

Colbert trägt an diesem Abend schwarz. Wie bei einer Beerdigung, sagt er. «Wie Sie bin ich erschöpft», fährt er scheinbar konsterniert fort, setzt zwischendurch zwölf Sekunden aus, nennt Trump einen «Faschisten» und den «fetten Kerl mit dem roten Hut».

Das undemokratische Verhalten, das Trump nach der Wahl an den Tag lege, sei zwar erwartet worden. «Was ich aber nicht wusste ist, dass es so sehr wehtun würde. Ich hätte nicht erwartet, dass es mir das Herz bricht.»



Kaum einer griff Trump in den vergangenen Jahren mit schärferem Spott an als Colbert, was sich auch in seinen in die Höhe schnellenden Zuschauerzahlen spiegelte. Genau wie seine Kollegen, Trevor Noah von der «Daily Show» oder Jimmy Kimmel («Jimmy Kimmel Live!»), enttarnte er die Lügen nachhaltiger und führte die Absurditäten der populistischen Trump-Jahre direkter vor als jede Nachrichtensendung.

«Ich sehe viele Veränderungen»

Die Shows nutzten dabei ihre Freiheiten gegenüber den Journalisten, gaben sich betont subjektiv und hielten sich sprachlich nicht zurück. Anders als die Nachrichten sprachen sie nicht von «Unwahrheiten», sondern von «Lügen», nicht von «skurrilen Auftritten», sondern «Peinlichkeiten». Colbert, Noah oder auch Seth Myers trugen ihre Abneigung gegenüber Trump offen vor sich her. Für jene, die Trump verabscheuen, war der beissende Spott das Einzige, was ihnen noch blieb, um die Realität zu ertragen.

Donald Trump zu Gast bei «Jimmy Kimmel Live!» im Mai 2016.
Donald Trump zu Gast bei «Jimmy Kimmel Live!» im Mai 2016.
Bilkd: Keystone

Doch was nun kommt, weiss keiner so genau. Nicht, dass die Late-Night-Shows nicht schon seit Jahrzehnten Witze auf Kosten der führenden Politiker gemacht hätten, das wird auch unter Joe Biden weitergehen. Doch der Aktivismus während der Trump-Jahre dürfte damit nicht zu vergleichen sein.

Bald unpolitischer? Comedian Trevor Noah 2017 in New York.
Bald unpolitischer? Comedian Trevor Noah 2017 in New York.
Bild: Keystone

«Ich sehe viele Veränderungen», sagte Produzent Daniel Kellison, der bereits mit den Branchengrössen David Letterman und Jimmy Kimmel zusammenarbeitete, der «Washington Post». «Viele Menschen haben als Erleichterung von stressigen Nachrichten Late Night geschaut, und die Frage ist, ob sie das noch tun werden, wenn die Nachrichten weniger stressig sind.»

Late-Night-Shows bald unpolitischer?

Die Shows könnten seiner Einschätzung zufolge unpolitischer werden. Ein Trend, der auch nach dem Übergang von der Bush- zur Obama-Regierung zu beobachten war.

2021 könnte auch deswegen anders werden, weil Donald Trump sich aller Voraussicht nach nicht wie ein klassischer Ex-Präsident verhalten wird. Momentan sieht er sich noch im aussichtslos erscheinenden Machtkampf ums Weisse Haus. Doch Medien berichten bereits davon, dass er 2024 erneut antreten will. Auch gibt es Spekulationen, Trump könnte seinen eigenen TV-Sender gründen.

Seth Meyers 2018 auf einer New Yorker Bühne.
Seth Meyers 2018 auf einer New Yorker Bühne.
Bild: Keystone

Für die Late-Night-Shows dürfte er als Witzfigur bleiben. Doch sie müssen sich gut überlegen, wie viel Raum sie ihm noch geben wollen. Stephen Colbert, so wird ein anonymer Vertrauter von der «Washington Post» zitiert, ist glücklich über das Wahlergebnis. Auch beruflich, obwohl Trump ihm Traumquoten bescherte.

Er wolle sich nicht weitere vier Jahre an ihm abarbeiten. In seiner nun berühmten Wutrede sagt Colbert, dass er so wie alle anderen nur eines wolle: «Einen langweiligen Präsidenten».

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