Faktencheck Hat Trumps Politik die US-Wirtschaft wirklich beflügelt?

von Michael Donhauser, dpa

19.12.2018

US-Präsident Donald Trump gibt sich stets überzeugt, dass seine Kurs die US-amerikanische Volkswirtschaft befördert. 
US-Präsident Donald Trump gibt sich stets überzeugt, dass seine Kurs die US-amerikanische Volkswirtschaft befördert. 
Bild: Keystone

«Make America Great Again!» Mit diesem Motto brachte Donald Trump viele Wähler hinter sich. Aber zeigt sein «America-First»-Kurs überhaupt den gewünschten Erfolg?

War es Trump? Oder war es Obama? Oder hat die Politik des Weissen Hauses überhaupt gar keinen Einfluss auf das Wohl und Wehe der US-Ökonomie? Die grösste Volkswirtschaft der Welt boomt – noch immer. Präsident Donald Trump reklamiert das für sich. Aber stimmt das überhaupt?



1. Behauptung: Donald Trump hat die US-Volkswirtschaft auf die Erfolgsspur gebracht

Bewertung: Vermutlich falsch, zumindest aber deutlich übertrieben.

Fakten: Die US-Volkswirtschaft boomt. Die Arbeitslosenquote war im November 2018 mit 3,7 Prozent ausgesprochen niedrig. Die Volkswirtschaft wuchs mit grossem Tempo um 3,5 Prozent im dritten Quartal. Allerdings: Dies ist ein Trend, der bereits seit langer Zeit anhält. Die Kurven der wesentlichen Konjunkturindikatoren zeigen keinerlei Ausschläge seit der Amtsübernahme von Donald Trump im Januar 2017. Es ging vorher und nachher geradlinig aufwärts.

So hatte die Zahl der Beschäftigten (ohne Landwirtschaft) etwa 2010 die Talsohle erreicht: Seitdem ging es von knapp unter 130 Millionen steil nach oben auf 145 Millionen zum Zeitpunkt der Amtsübernahme Trumps. Bis Mitte 2018 ging es dann weiter bergauf, aber nur noch um 4 Millionen. Die Kurve verläuft nahezu linear. Bei der Arbeitslosenquote bietet sich das gleiche Bild: Im Oktober 2009 hatte die Finanzkrise die Quote auf zehn Prozent getrieben, in Obamas Amtszeit fiel sie auf 4,8 Prozent. Während der knapp zwei Jahre Trump fiel sie weiter auf 3,7 Prozent. Auch beim Anstieg des durchschnittlichen Stundenlohnes von 22 US-Dollar (2009) auf inzwischen mehr als 27 Dollar fällt nur etwa ein Dollar der Fünf-Dollar-Differenz in die Zeit Trumps. Allerdings: Je länger ein solcher Trend anhält, desto schwerer ist es, ihn aufrechtzuerhalten

2. Behauptung: Die Handelspolitik mit erheblichen Zoll-Hürden für Einfuhren aus China und anderen Ländern bringt grossen Wohlstand für die USA.

Bewertung: Fraglich.

Fakten: Trumps im März verhängte Sonderzölle etwa auf Stahl- und Aluminiumeinfuhren zahlen zunächst einmal die US-Importeure. Die Autoindustrie klagt, Einkaufspreise für Stahl seien in den vergangenen Monaten um 30 Prozent gestiegen. In einer vorsichtigeren Kalkulation hatte die US-Notenbank in Dallas errechnet, dass die Metallpreise insgesamt um 21 Prozent nach oben gehen. Durch Verwerfungen auf den Arbeitsmärkten – wenn etwa inländische Stahlwerke Arbeiter aus anderen Branchen abwerben – komme es zu einem Verfall der Produktivität um drei Prozent.

Der Internationale Währungsfonds hat die US-Handelspolitik als eines der grössten Risiken für die Weltwirtschaft identifiziert. Der scheidende IWF-Chefvolkswirt Maury Obstfeld hat in seinen Blog eine Modellrechnung veröffentlicht. Dem Modell zufolge haben Zölle in Höhe von 20 Prozent auf Importe aus Ostasien – inklusive Vergeltungsmassnahmen – über fünf Jahre einen Negativeffekt von 1,5 Prozentpunkten auf das Wachstum der Wirtschaftsleistung. Der Dollar würde gegenüber der jeweiligen Fremdwährung um zwei Prozent aufwerten und damit Importe weiter verteuern.

«Während sie den direkt von ausländischen Importen betroffenen Branchen und Arbeitern ein wenig Luft verschaffen mögen, wirken sie in der Breite schrumpfend, sie reduzieren den Ausstoss, die Investitionen und die Beschäftigung in der gesamten Volkswirtschaft», schreibt Obstfeld in seinem Blog über Importzölle. Der IWF erwartet solche Effekte für die US-Wirtschaft erst 2020 oder später – das Ausmass würde also wohl erst nach der nächsten Präsidentschaftswahl sichtbar.

3. Behauptung: Trump baut das Handelsdefizit mit anderen Ländern wie China durch seine aggressive Wirtschaftspolitik ab.

Bewertung: Bisher nicht nachweisbar, vermutlich falsch.

Fakten: Donald Trump hat vom ersten Tag seiner Präsidentschaft die Beseitigung der Handelsdefizite der USA mit China und der Europäischen Union zu Eckpfeilern nicht nur seiner Handels-, sondern auch seiner gesamten Aussenpolitik erklärt. «America First» ist der Leitsatz dafür. Allein: Die Beseitigung lässt auf sich warten. In Trumps erstem Amtsjahr 2017 sprang das Handelsdefizit um 12,6 Prozent auf 568 Milliarden Dollar im Vergleich zum Vorjahr. Trump spricht von 800 Milliarden Dollar Defizit, das er abbauen müsse. Bei dieser Betrachtung rechnet er jedoch die Dienstleistungen heraus, bei denen die USA einen Überschuss haben.

Die US-Notenbank in New York geht davon aus, dass die Zollpolitik Trumps und sein Handelskrieg mit China nicht dazu führen werden, das Handelsdefizit abzubauen. Die Zölle machen die Importe teurer und werden sie reduzieren - aber durch Zölle und Vergeltungszölle steigen die Kosten für US-Importe anderer Länder. Gleichzeitig steigen die Herstellungskosten in den USA und machen inländische Produkte teurer. Die Notenbanker zeigen anhand Chinas Beispiel nach dessen Eintritt in die Welthandelsorganisation (WTO), wie durch die deutliche Reduzierung von Zöllen sowohl Exporte als auch Importe enorm anstiegen.

4. Behauptung: Der neue Handelspakt mit Kanada und Mexiko ist viel günstiger für die USA.

Bewertung: Richtig.

Fakten: In dem bis auf die letzte Minute offengehaltenen Handelsabkommen hat Trumps Handelsbeauftragter Robert Lighthizer vor allem zwei grosse Erfolge erzielen können: Zugeständnisse für die US-Landwirtschaft und Zugeständnisse an den US-Automobilstandort. Die US-Farmer bekommen durch das USMCA genannte Abkommen wieder mehr Zugang zum kanadischen Markt für Milchprodukte - den Zugang hatten kanadische Regulierungen zuvor verengt. Im Gegenzug wurde die Einfuhr kanadischer Molkereiprodukte begrenzt.

Vor allem gelang es den US-Verhandlern aber, erstmals Mindestlöhne in der Autobranche für alle drei Länder durchzusetzen - zumindest teilweise. Bis zum Jahr 2023 müssen 40 bis 45 Prozent der Autos von Arbeitern hergestellt werden, die 16 Dollar Stundenlohn oder mehr bekommen - damit gibt vor allem das Billiglohnland Mexiko einen Teil seines Lohnvorteils ab.

Zurück zur Startseite