Kolumne Im Kampf gegen den Kühlschrank und die Einsamkeit

Von Jürg Hösli

30.11.2020

So verlockend Homeoffice im ersten Moment klingt, so herausfordernd kann es sein: Nicht nur die Arbeit, auch die Ernährung braucht eine Struktur. 
So verlockend Homeoffice im ersten Moment klingt, so herausfordernd kann es sein: Nicht nur die Arbeit, auch die Ernährung braucht eine Struktur. 
Bild: Getty Images

Das Homeoffice hat so seine Tücken für die Linie: Aus Langeweile, Frust oder Stress greifen viele zum Essen. Warum eine Tagesstruktur zu Zeiten des Homeoffice besonders wichtig ist.

Tagsüber im Homeoffice und kaum etwas gegessen? Dann der Frontalangriff auf den Kühlschrank am Abend? Als Folge ein Kommaschlaf, am Morgen immer noch müde und die Waage ist noch etwas böser als gestern. Dann wird es Zeit mehr Struktur in den Alltag zu bringen.

Ein Grossteil der Bevölkerung arbeitet zurzeit und wohl noch den ganzen Winter im Homeoffice. Was für die einen eine Vereinfachung des Alltags ist, bedeutet für viele andere einen Verlust von Struktur, menschlichen Kontakten und Bewegung. Dass dies oft einhergeht mit Ängsten, Vereinsamung und mehr Übergewicht, liegt auf der Hand.

Wird Homeoffice zum Dauerzustand haben insbesondere auch Alleinlebende oder Singles immer weniger reale soziale Kontakte und Familien sind schnell überfordert. Wir sehen in unseren Praxen, dass viele Menschen Mühe haben, mit dieser neuen Arbeitssituation umzugehen, denn viele können Homeoffice noch nicht.

Weniger Appetit auf Süsses

Zuerst muss eine Tagesstruktur her. Wichtig ist vor allem, dass wir nicht nur unsere Arbeit planen, sondern auch Pausen, die Mahlzeiten, den Einkauf und was oft vergessen geht: auch Spaziergänge und liebe Menschen treffen oder zumindest anrufen.

Zum Autor: Jürg Hösli
Porträt Jürg Hösli Ernährungsdiagnostiker und Kolumnist bei blue News
erpse

Jürg Hösli ist Ernährungswissenschaftler und greift gerne kontroverse Themen aus Sport, Psychologie und Ernährung auf. Er ist Begründer der Ernährungsdiagnostik und der Schule für Ernährungsdiagnostik erpse in Winterthur und Zürich.

Ein guter Tag beginnt mit einem Frühstück. Dies liefert nicht nur wichtige Energie, sondern gibt uns auch die Zeit, den bevorstehenden Tag ein wenig zu überblicken und zu ordnen. Wer keinen Hunger hat, könnte den Tag einmal mit einer heissen Schokolade beginnen. 

In unserem Beratungsalltag sehen wir, wie wichtig kleine Zwischenmahlzeiten sind. Früchte und Nüsse lassen uns weniger über den Tag ermüden. Und wir können am Abend energiegeladen in den Feierabend, statt todmüde auf dem Sofa vor Netflix einzuschlafen. Ich würde jedem empfehlen, eine Schale auf den Schreibtisch zu stellen mit den Zwischenmahlzeiten, die wir über den Tag essen sollten: zwei bis drei Früchte und je nach Kalorienbedarf ein paar Gramm einer leckeren Nussmischung. Am Abend wird die Schale automatisch leer sein und Sie haben deutlich weniger Lust auf Süsses.

Essen beruhigt

Das Mittagessen sollten Sie auf keinen Fall immer zu Hause essen. Machen Sie doch mal mit Freunden ab und tauschen Sie sich aus. Wir fragen unsere Kunden immer: Wie oft haben Sie in der letzten Woche gelacht? Nach einigem Nachdenken kommt leider in der gegenwärtigen Zeit oft die Antwort: «Ich kann mich kaum noch an das letzte Mal erinnern.»

Das ist tragisch. Lachen ist nicht nur gesund, es ist vor allem menschlich. Wenn Sie am Mittag keine Freunde treffen können, verabreden Sie sich doch wenigstens zu einem Spaziergang, gemeinsamen Sport oder zu einem Tee. Denn für viele gilt: Wer genug menschliche Kontakte pflegt, muss weniger übers Essen sich selbst Nähe geben. Wir alle kennen das Gefühl, dass Essen beruhigt. Genauso tun dies gute Gespräche mit Freunden.

So entspricht Homeoffice einer artgerechten Haltung

Wer gut gefrühstückt hat, ein ausgewogenes Mittagessen geniesst, und die Zwischenmahlzeiten nicht vergisst, hat am Abend kaum noch Hunger. Wer abends weniger isst, der belastet seine Verdauung weniger, schläft deutlich besser und ist erholter am Morgen. Und wer beim Abendessen zurückhaltend isst, hat am Morgen richtig Lust auf ein Frühstück.

In Zeiten des Homeoffice ist es besonders wichtig, regelmässig Sport zu treiben oder spazieren zu gehen. Im Vor-Corona-Alltag haben viele 5000 bis 10'000 Schritte gemacht, seit Homeoffice angesagt ist, kommen viele gerade noch auf 1000. Darum planen Sie doch Ihren Sport oder schlicht Bewegung mit ein, damit das Homeoffice auch einer artgerechten Haltung entspricht.

Wer die Ernährungsstruktur einhält, regelmässig Freunde trifft und an die frische Luft geht, der macht das Beste aus der Situation, das Optimum für seine Gesundheit – und das tut nicht nur der Waage gut.

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In der Rubrik «Die Kolumne» schreiben Redaktorinnen und Redaktoren von «blue News» regelmässig über Themen, die sie bewegen. Leserinnen und Leser, die Inputs haben oder Themenvorschläge einreichen möchten, schreiben bitte eine E-Mail an: redaktion.news@blue.ch.

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