Kolumne Als Meghan die Fassade fallen liess – und was das für uns Mütter heisst

Von Anja Knabenhans

25.10.2019

Schwanger sein und ein Kind gebären: Herzogin Meghan hat jetzt in einem Interview von diesen enormen Anstrengungen berichtet – und damit Aufsehen erregt, denn normalerweise wird in Königshäusern geschwiegen.
Schwanger sein und ein Kind gebären: Herzogin Meghan hat jetzt in einem Interview von diesen enormen Anstrengungen berichtet – und damit Aufsehen erregt, denn normalerweise wird in Königshäusern geschwiegen.
Bild: Getty Images

Wir Mütter müssen endlich aufhören, nach aussen den schönen Schein zu wahren. Müssen wirklich sagen, wie es uns geht. Herzogin Meghan macht’s vor.

Es muss ein Alptraum sein. Schwanger sein und ein Kind gebären, die ersten Wochen und Monate in der neuen Rolle als Mutter. Und permanent ein riesiges Tamtam in der Presse – kein wohlwollendes noch dazu. Herzogin Meghan hat kürzlich in einem Interview gesagt und gezeigt, wie stark ihr all das zu schaffen macht.

Natürlich führte das nicht dazu, dass sich die Klatschmedien ihre geifernden Lefzen abtupfen und endlich mal das Maul halten. Au contraire.

Aber der Interview-Ausschnitt zeigte wenigstens vielen Frauen: Auch eine prominente Mutter kämpft mit Anpassungsschwierigkeiten. Ist verletzlich, unsicher und überfordert. Und: Auch ihre Befindlichkeit wird selten wahrgenommen. Meghan sagte zum Interviewer: «Danke, dass Sie mich fragen, wie es mir geht. Das tun nicht viele.»

Seliges Nicken erwartet

Leider wahr. Schwangere und frische Mütter hören oft Suggestivfragen wie «Ist es nicht ein absolutes Wunder, dieses Geschöpf?» Was soll man darauf antworten? Erwartet wird ein seliges Nicken. Nicht die Wahrheit.



Die könnte zum Beispiel lauten: «Muttersein ist das Schönste und Schlimmste, das ich je erlebt habe.» Eine Kollegin sagte das vor Jahren – ich fand es toll. Weil es authentisch wirkte. Und weil ich damals noch keine Kinder hatte und so eine realistischere Vorstellung bekam.

Wer weiss: Vielleicht kam ich unter anderem dank dieser Aussage recht locker durch die ersten Wochen als Neumutter. Ich hatte keinen Dauerflug auf rosa Wölkchen erwartet, sondern eine Achterbahnfahrt. Hatte meine Ansprüche an mich vorsorglich drastisch runtergeschraubt.

Bloss kein Lachanfall

In der Elternberatung wurde ich einmal auf meine strubbligen Haare und meine sehr legere Kleidung angesprochen. Die meisten Frauen würden sich etwas mehr zurechtmachen für Termine ausser Haus, hiess es, weil «man sonst überfordert wirkt». Mein Beckenboden war damals noch geburtsgeschwächt, drum verzichtete ich auf einen heftigen Lachanfall. Aber ich diskutierte mit der Beraterin intensiv darüber, weshalb man als Jungmutter bittschön nicht überfordert wirken dürfe.

Wenn das keine Lebensphase ist, in der man mit Crazy Hair, in Trainerhosen und mit zwei verschiedenfarbigen Schlappen aus dem Haus gehen darf: Wann denn dann? Dass Frauen tatsächlich unter dem Druck stehen, in dieser Extremsituation nach aussen einen Schein zu wahren, ist absurd.



Und traurig ist es, wenn Frauen erzählen, wie allein sie sich in den ersten Monaten als Mutter fühlen. Weil all ihre Kolleginnen nur Schwärmereien übers Muttersein daherfloskeln oder haufenweise Tipps rausposaunen. Statt einfach mal zu fragen: «Wie geht es dir?» Und dann wirklich zuzuhören.

Manchmal will man gar keine Aufmunterungssätze oder Ratschläge. Sondern sich einfach auskotzen bei anderen. Daheim kann man es ja nicht, da macht es schon das Baby.

Hier gibt es an jedem Freitagmorgen eine Autoren-Kolumne – abwechselnd zu den Themen Mode, Digitales Leben, Essen und Muttersein. Heute: zum Muttersein.

Zur Autorin Anja Knabenhans: Ist Mutter von zwei Buben. Sie ist Chefin der Schreibmaschinerie und Chief Content Officer der Eltern-Plattform Any Working Mom.

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