Wenn die Dunkelheit zuschlägt Das hilft gegen den Winterblues

Von Vanessa Büchel

18.11.2023

Rund ein Viertel der Bevölkerung in der Schweiz sollen vom Winterblues betroffen sein.
Rund ein Viertel der Bevölkerung in der Schweiz sollen vom Winterblues betroffen sein.
Bild: PantherMedia / Sergio Monti

Der Winter in der Schweiz ist gekennzeichnet von Dunkelheit, Kälte und nassem Wetter. Darunter leiden viele Menschen. Eine Expertin verrät, wie du den Winterblues erkennst und was du dagegen tun kannst.

Von Vanessa Büchel

18.11.2023

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Zwischen 23 und 25 Prozent der Bevölkerung in der Schweiz leiden unter dem Winterblues.
  • 90 Prozent erkennen in den Wintermonaten Veränderungen in Bezug auf Energie, Schlaf und Appetit.
  • Verschlechterte Stimmung, weniger Interesse an Aktivitäten, die sonst Freude bereiten, reduzierte Energie, verminderter Antrieb, Schlagmangel oder ein hohes Schlafbedürfnis sind Anzeichen für einen Winterblues.
  • Psychotherapeutin Roya Sabeti verrät im Gespräch mit blue News, was du gegen den Winterblues tun kannst.

Morgens auf dem Weg ins Büro ist es noch dunkel und auf dem Nachhauseweg ist es schon wieder – der Schweizer Winter ist alles andere als mit viel Sonnenschein gesegnet. Hinzu kommen düstere Wetteraussichten:

Es regnet tagelang oder schneit zwischendurch und ist eiskalt. Das schlägt vielen Menschen aufs Gemüt.

In der Schweiz leiden zwischen 23 und 25 Prozent der Bevölkerung unter dem sogenannten «Winterblues», sagt Roya Sabeti. Die 35-Jährige ist eidgenössisch anerkannte Psychotherapeutin und arbeitet in ihrer eigenen Praxis in Luzern.

Wichtig sei hierbei, zwischen dem Winterblues und der Winterdepression, auch saisonale Depression genannt, zu unterscheiden. Zweitere wird häufig auch als Subform der klinischen Depression bezeichnet, denn bis heute sind sich Expert*innen nicht einig darüber, ob es die Winterdepression als eigenständige Diagnose tatsächlich gibt.

Roya Sabeti ist eidgenössisch anerkannte Psychotherapeutin, stellvertretende Leiterin Supported Employment PUK (berufliche Reintegration von Menschen mit psychischen Erkrankungen) und Dozentin für Gesundheitspsychologie an der Hochschule Luzern.
Roya Sabeti ist eidgenössisch anerkannte Psychotherapeutin, stellvertretende Leiterin Supported Employment PUK (berufliche Reintegration von Menschen mit psychischen Erkrankungen) und Dozentin für Gesundheitspsychologie an der Hochschule Luzern.
Bild: zVg

Für gewöhnlich zeigen sich die ersten Anzeichen bei Winterblues-Betroffenen im Herbst. Den Höhepunkt erreichen sie im Dezember bis Februar und verbessern sich dann im Frühling wieder.

«Dann kommt es zu einer sogenannten Spontanremission, also zu einem spontanen Verschwinden der Symptome, ohne dass aktiv etwas gegen die Symptomatik unternommen wurde», sagt Psychotherapeutin Sabeti. Wenn die Natur wieder erwacht, blühen auch wir Menschen wieder auf.

90 Prozent der Menschen fühlen sich im Winter antriebslos

Dass der Winter Herr und Frau Schweizer stark zusetzt, hat Roya Sabeti in den letzten Jahren vermehrt wahrgenommen. «Rund 90 Prozent der Bevölkerung bemerkt in den Wintermonaten Veränderungen in der Energie sowie im Schlaf und Appetit. Die Natur scheint den Menschen im Winter dazu anzuhalten, sein Tempo runterzufahren.»

Ob es sich bei solchen Symptomen um ein natürliches In-sich-kehren während der dunklen Jahreszeit oder etwas Pathologisches, sprich Behandlungsbedürftiges, handelt, sei immer auch mit dem subjektiven Leistungsdruck abhängig.

Roya Sabeti sagt: «Zum Problem wird der Winterblues somit erst dann, wenn er zu Leiden und zu Einschränkungen im Alltag führt.»

Stellt sich die Frage: Wie erkenne ich überhaupt, ob ich vom Winterblues betroffen bin?

«Verschlechterte Stimmung, weniger Interesse an Aktivitäten, die sonst Freude bereiten, reduzierte Energie, verminderter Antrieb, Insomnie oder Hypersomnie sowie Veränderungen im Appetit.» Das sind laut Sabeti mögliche Anzeichen für den Winterblues.

Sport und Vitamin D helfen gegen den Winterblues

Um gegen den Winterblues anzukommen, sind regelmässige Bewegung, gesunde Ernährung und der Kontakt zur Aussenwelt, aber auch ein achtsamer Lebensstil essenziell.

Die Psychotherapeutin erwähnt eine Studie, die 2019 im Journal «Depression and Anxiety» publiziert wurde, in welcher die Probanden regelmässig wöchentlich gegen vier Stunden Sport trieben.

Das Ergebnis: eine geringere Wahrscheinlichkeit an einer Depression zu erkranken. «Dies war selbst dann so, wenn sie eine genetische Disposition, also Veranlagung, zu Depressionen aufwiesen», so Roya Sabeti.

Moderates Sporttraining könne zu einer höheren Ausschüttung von Endorphinen führen, was wiederum die Stimmung verbessert. Um welche Art von Sport es sich dabei handelt, spiele keine Rolle. Die Psychotherapeutin meint jedoch: «Besonders empfehlenswert ist es, sich zwischendurch auch draussen bei Tageslicht zu bewegen.»

Was ebenfalls sinnvoll sein kann im Winter: eine Vitamin-D-Supplementierung.

Das Sonnenvitamin kümmert sich unter anderem um die Reglung von Serotonin, dem sogenannten Glückshormon. «Durch die reduzierte Sonnenlichtexposition im Winter kann es vermehrt zu einem Vitamin-D-Mangel und damit zu einer Verminderung von Serotonin kommen», sagt Sabeti. 

Im Winter ebenfalls soziale Kontakte pflegen

Gelingt es, im Winter dem wetterbedingten, vermehrten sozialen Rückzug entgegenzuwirken und Freundschaften besonders dann zu pflegen, wird das Gemüt danken.

Denn Beziehungen zu anderen Menschen sind laut der Expertin ein fester Bestandteil unseres Lebens, der durch das Gefühl von Verbundenheit zu anderen Menschen unser Wohlbefinden beeinflusst. Sabeti unterstreicht: «Unterstützende und Halt gebende soziale Kontakte können sogar als Puffer für Depressionen wirken.»

Nichtsdestotrotz sollte man sich selbst nicht vernachlässigen. Weil wir aufgrund von niedrigen Temperaturen öfters daheim sind und weniger Ablenkung haben, sind wir im Winter vermehrt dazu gezwungen, Zeit mit uns selbst zu verbringen und uns mit uns selbst auseinanderzusetzen. «Diese Auseinandersetzung mit sich selbst kann herausfordernd sein, da wir verlernt haben, mit uns selbst in Kontakt zu sein», so die Psychotherapeutin.

Es könne helfen, die Zeit für sich bewusst schön zu gestalten und beispielsweise Kerzen anzuzünden, die Wohnung gemütlich zu dekorieren oder Musik zu hören, die man mag. Sich selbst etwas Gutes tun, heisst immer auch, die eigenen Energiequellen bewusst zu pflegen und aufzuladen.

Wer so stark mit dem Winterblues zu kämpfen hat, dass er sich im Alltag eingeschränkt fühlt, und auch mit diesen Tipps keine Besserung wahrnimmt, der sollte sich überlegen, professionelle Hilfe zu holen. Eine Beurteilung durch eine Fachperson könne laut Roya Sabeti verhindern, dass sich hinter dem Winterblues allenfalls eine manifeste klinische Depression verbirgt, die unentdeckt bleibt.


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