Kampf dem Lädelisterben Der 24-Stunden-Dorfladen – mit künstlicher Intelligenz

Von Max Hugelshofer

27.2.2021

Die Mehrzahl der Kundinnen und Kunden schätzt die neue Flexibilität beim Einkaufen im Dorfladen «Val-Marché» von Cerniat.
Die Mehrzahl der Kundinnen und Kunden schätzt die neue Flexibilität beim Einkaufen im Dorfladen «Val-Marché» von Cerniat.
Bild: Yannick Andrea

Was tun, wenn der Dorfladen schliesst, weil die Umsatzzahlen zu niedrig und die Personalkosten zu hoch sind? Dann wagt man den Schritt in die Zukunft. Im Fribourger Dörfchen Cerniat ist der «Val-Marché» neu 24 Stunden geöffnet – mit Selbstbedienung und Zutritt per QR-Code.

Jean-François Rime hält seine Kundenkarte vor die Linse, und mit einem leisen Klicken entriegelt sich die Tür zum «Val-Marché». Er tritt ein, nimmt sich einen der bereitliegenden Körbe und macht sich an den Einkauf.

Sonst ist niemand im Laden, schliesslich ist es Sonntagmorgen um 7 Uhr. Ganz alleine ist er beim Einkaufen aber dennoch nicht.

Mehrere Kameras zeichnen alles auf, was im Laden passiert. Bald ist der Korb voll, und Jean-François Rime geht zur Kasse. Er scannt seine Produkte und wählt auf dem Touchscreen die Option «Monatsrechnung» – fertig.

Natürlich wäre auch eine Bezahlung per Karte möglich. Oder per Twint. «Wir bieten alles an, was heutzutage Stand der Technik ist», sagt Guy Maradan. Der pensionierte Bankangestellte ist geistiger Vater des digitalen Dorfladens. Träger ist die «Coopérative Concordia».

Zutritt zum Geschäft erhält man automatisch mit der Kundenkarte.
Zutritt zum Geschäft erhält man automatisch mit der Kundenkarte.
Bild: Yannick Andrea

Als im 350 Einwohner zählenden Cerniat FR gleichzeitig das letzte Geschäft und die letzte Beiz vor der Schliessung standen, wollten das viele nicht einfach so hinnehmen und taten sich zur Genossenschaft zusammen. Diese zählt heute deutlich über 100 Mitglieder und hat das Restaurant La Berra wieder zum beliebten Treffpunkt gemacht.

Kasse bestellt selbst nach

Beim Dorfladen war es schwieriger. Die Umsätze waren zu niedrig, die Personalkosten zu hoch. «Was die Grossverteiler können, können wir doch schon lange», dachte sich Guy und fing an, sich über Self-Scanning-Systeme schlau zu machen.

Einen passenden Scanner zu finden stellte sich dann als das geringste Problem heraus. Sogar für das Zutrittssystem mit QR-Code gab es fixfertige Lösungen. Weil Guy aber auch bei der Lagerbewirtschaftung und dem Bestellwesen eine automatisierte Lösung wollte, wurde die Sache dann doch noch kompliziert.

«Am schwierigsten war, die Software für den Warenbestand mit der Kasse zu verknüpfen.» Es hat eine Weile gedauert, aber es hat geklappt. Heute hat der Dorfladen rund um die Uhr geöffnet, und die einzigen zusätzlichen Kosten, die dabei anfallen, sind ein paar Franken für das Licht im Laden.

Die Bestellungen werden automatisch ausgelöst. Guy Maradan prüft sie in seinem behelfsmässigen Büro im Keller.
Die Bestellungen werden automatisch ausgelöst. Guy Maradan prüft sie in seinem behelfsmässigen Büro im Keller.
Bild: Yannick Andrea

Die meisten Kundinnen und Kunden schätzen die neue Flexibilität beim Einkaufen und kommen nach anfänglicher Skepsis auch gut mit der Technik zurecht.

Wer sich gar nicht mit der neuen Art des Einkaufens anfreunden kann, wird jedoch auch nicht ausgeschlossen: Jeden Vormittag ist der Laden ein paar Stunden lang bedient – irgendwann müssen ja sowieso die Gestelle und Kühlvitrinen aufgefüllt werden. «Ganz soweit, dass wir dafür einen Roboter anschaffen, sind selbst wir noch nicht», lacht Guy.

Diese Reportage erschien zuerst auf der Internetseite der «Schweizer Berghilfe». Das computergestütztes Kassen- und Zutrittsystem für den Dorfladen von Cerniat wird zwar langfristig die Kosten senken. Die anfängliche Investition war aber für die lokale Genossenschaft zu hoch. Die Schweizer Berghilfe ermöglichte mit ihrer Unterstützung dieses innovative Projekt.

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