Kolumne am Mittag Donald Trump und die «feigen» amerikanischen Musikstars

Von Bruno Bötschi

5.11.2020

Jac Holzman, Musikproduzent: «Die ganze Musikszene hat versagt und sich feige aus dem Schlamassel herausgehalten.»
Jac Holzman, Musikproduzent: «Die ganze Musikszene hat versagt und sich feige aus dem Schlamassel herausgehalten.»
Bild: Getty Images

Musikproduzent Jac Holzman, 89, beklagt sich über den Verfall von Amerikas Gegenkultur. Künstlerinnen und Künstler hätten sich klarer gegen Präsident Donald Trump stellen sollen – nicht zuletzt Bob Dylan.

Nach wie vor ist nicht sicher, wer der nächste Präsident der USA wird: Bleibt Donald Trump im Weissen Haus? Oder löst ihn Joe Biden ab und wird der 46. Präsident der Vereinigten Staaten?

Klar aber ist: Amerikas Gegenkultur hat in den letzten vier Jahren dramatisch versagt, zumindest wenn es nach den Worten des US-amerikanischen Musikproduzenten Jac Holzman geht.

Er sehe weit und breit «keinen Künstler, der sich gegen Trump positionieren würde. Noch nicht einmal Bob Dylan», sagt der 89-Jährige in einem Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin «Der Spiegel». «Ein Wort von Dylan hätte sicherlich Gewicht gehabt. Aber er bevorzugt zu schweigen.»

Verfall der Gegenkultur

Holzman hat die legendäre Rockband The Doors mit Leadsänger Jim Morrison gross gemacht. Er ist einer der Mitgründer des Musikkonzerns Warner Music Group. Im Interview beklagt er bitterlich den Verfall der Gegenkultur, also das Infragestellen von primären Werten und Normen der Mehrheit. Vielleicht habe Dylan gedacht, dass Trump zu lächerlich sei, um über ihn zu schreiben. Allein das Verhalten des Präsidenten, nachdem er am Coronavirus erkrankt sei, so Holzman, habe nach einem Song geschrien.

Dabei schien bei seinem Amtsantritt vor knapp vier Jahren der politische Protest in die Musik zurückzukehren. Die Punkrocker von «Green Day» sangen «No Trump! No KKK! No Fascist USA!». Die Band «Death Cab For Cutie» nahm mit «Million Dollar Loan» Trumps väterliche Geldzuwendung aufs Korn.

Auch weibliche Popstars meldeten sich damals angriffslustig mit Songs und Videos zu Wort. Madonna hielt beim «Women’s March» in Washington, D.C. eine aufrüttelnde Rede: «Es brauchte diesen dunklen Moment, damit wir scheisse noch mal aufwachen.»

Der Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz in den USA im vergangenen Mai beschäftigt ebenfalls zahlreiche Sängerinnen und Musiker. Unter anderem kritisierte Taylor Swift Trump auf Twitter scharf.

«Dieses Scheitern wird noch lange nachwirken»

Für Holzman waren all diese Reaktionen zu wenig. «Die ganze Musikszene hat versagt und sich feige aus dem Schlamassel herausgehalten. Dieses Scheitern wird noch lange nachwirken. Man kann sich nicht einfach aus der Verantwortung ziehen», betont er im Gespräch mit dem «Spiegel». Während des Vietnamkriegs habe etwa Jim Morrison den Song «Unknown Soldier» geschrieben. Und nicht zufällig hätten die US-Soldaten im Vietnamkrieg die Doors gehört.

Das Scheitern der Künstlerinnen und Künstler in den vergangenen vier Jahren, ist Holzman überzeugt, werde noch lange nachwirken. Denn man könne sich nicht einfach aus der Verantwortung ziehen. «Es wäre so einfach und zugleich so wichtig gewesen, Farbe zu bekennen. Es steht schliesslich eine Menge auf dem Spiel.»

Sollte Trump wiedergewählt werden, verlören die USA ihr Fundament und die moralische Legitimation. «Wir haben eine Verfassung, wir haben Regeln in diesem Land, und sie werden von Trump und seiner Administration mit Füssen getreten.»

Als er noch Bands unter Vertrag genommen habe, so Holzman weiter, seien die Bosse mit den Künstlern befreundet gewesen. «Es gab viele Gespräche, in denen wir auch über gesellschaftliche Missstände geredet haben.» Oft seien daraus neue Songs entstanden.

Songs, die heute fehlen.

Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «blue News» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.

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