Herzensprojekt Mit Glatzköpfchen wird es auch im Spital nie langweilig 

Von Sulamith Ehrensperger

13.11.2020

Kennen Sie Glatzköpfchen? Höchste Zeit, die gleichnamige Comic-Geschichte über das krebskranke Mädchen, das nicht aufgibt, kennenzulernen. Es ist ein Herzensprojekt, das kranken Kindern Mut machen soll. 

«Guten Tag, mein Name ist Zita, aber hier im Krankenhaus nennen mich alle nur Glatzköpfchen. Ich bin 13 Jahre alt und leide an einer Art Leukämie, die sich in meinem Körper besonders wohlzufühlen scheint.» Seit neun Jahren wohnt Glatzköpfchen, die Protagonistin, nun schon im 6. Stock des von Dr. Goff gegründeten Krankenhauses. Sie hat zwar sämtliche Haare verloren, nicht aber ihren Witz.

Und genau dieser soll Kindern und Jugendlichen, die in der gleichen Lebenssituation sind, Mut machen, sie aufmuntern und unterhalten. Die Comic-Geschichten von «Glatzköpfchen» (Originaltitel: «Boule à Zéro») drehen sich um ein ganz reales Thema, um krebskranke Kinder. Vor allem aber auch, wie sie mit der Krankheit umgehen und was sie bewegt.

Ein Comic, der auch betroffene Eltern begleitet

Glatzköpfchen gibt niemals auf und sorgt dafür, dass im Krankenhaus keine Langeweile aufkommt. Sie verteilt gern Spitznamen: So gibt es einen Jungen, der Fritte heisst, weil er versucht hat, für seine Eltern Pommes zu machen, oder Puzzle, deren Knochen leicht brechen, und der Superkranke, von dem keiner weiss, was er eigentlich hat. Und nicht zu vergessen: Gertrud, 90 % Baumwolle, Dr. Seymon, die Krankenschwestern, Kioskbesitzer Paco und so weiter.

Mehr zur Aktion «Glatzköpfchen»
Cover Comic Glatzköpfchen für krebskranke Kinder
Panini Verlag

Die Aktion «Glatzköpfchen» («Boule à Zéro») hat bis jetzt über 8'000 Comics an Kinder im Krankenhaus und an Organisationen, die Kinder betreuen, geschenkt. Wer die Aktion unterstützen will, kann den Comic bei «BDmania» bestellen. Mit jedem verkauften Exemplar kann der Verein zwei Comics an Kinder im Krankenhaus verschenken.

Zita bewegt nicht nur ihre Krankheit, sondern vor allem das, was Dreizehnjährige eben beschäftigt. Sie ist in Carlos verliebt und vermisst ihre Mutter sehr. Sie versteht einfach nicht, warum diese nicht öfter zu Besuch kommt. Gefühlvoll thematisiert die Geschichte auch, wie schwierig die Situation für betroffene Eltern ist.

«Ich war traumatisiert vom Anblick des Mädchens»

Der einfühlsame und dennoch witzige Comic stammt aus der Feder von Zeichner Serge Ernst. Er hat sich von der Geschichte von Marine, der Tochter seines Freundes Raymond, inspirieren lassen. Auch sie hatte – das ist mittlerweile 35 Jahre her – lange gegen Nierenkrebs gekämpft und gewonnen.

Der erste Band ist ihr gewidmet und soll Trost und Hoffnung für alle Krebskranken sein. «Damals waren die Behandlungen nicht so verträglich und wirkungsvoll wie heute, und so war ich ziemlich traumatisiert vom Anblick des kleinen Mädchens, das von der Behandlung blaue Hände und Füsse hatte», erinnert sich Ernst, «als ich das Drehbuch von Zidrou las, hallte die Geschichte direkt in mir wider und ich wollte sie zeichnen.»

In bester franko-belgischer Manier kreierten er und Starautor Zidrou «Boule à Zero» (Glatzköpfchen). Der Comic ist laut Ernst das richtige Medium, um ein solch schwieriges Lebensthema zu thematisieren: «Er kann heikle und tabuisierte Themen aufgreifen, und das ist meiner Meinung nach ein guter Weg, um auf das junge Publikum zuzugehen und die nicht immer heiteren Dinge in der Erwachsenenwelt bewusst zu machen.» Nicht nur die Krebserkrankung steht im Zentrum des Geschehens, auch umfassendere Themen wie Rassismus und das Erwachsenwerden.

Kranken Kindern ein Wegbegleiter sein

Serge Ernst hat den Verein «2000 BD» gegründet, um die Comicreihe gratis an hospitalisierte Kinder in der Schweiz, Frankreich, Deutschland, Spanien, USA, Peru und möglichst viele weitere zu verteilen. Was klein angefangen hat, ist inzwischen zu einem Herzensprojekt gewachsen: Fast 100'000-mal ist die Reihe schon verkauft und verschenkt worden. Nun will Alain Carrupt, der Unterstützungsaktionen in der Schweiz mit dem Verein «Aktion Glatzköpfchen» leitet, dieses auch in der Deutschschweiz etablieren.

Die Geschichten seien für die kranken Kinder ein Wegbegleiter in schwierigen Zeiten: «Sie identifizieren sich mit Zita, sie ist wie eine kleine Kollegin, die sie begleitet.» Immer wieder erreichen ihn positive Rückmeldungen wie der einer Mutter eines viereinhalbjährigen Patienten: «Welch ein Glück, dass wir dieses kleine Juwel entdeckt haben, das den richtigen Ton trifft, zärtlich und humorvoll ist. Es ist sehr schwierig, den Alltag eines in der Onkologie hospitalisierten Kindes zu erklären. Es ist tabu, es bringt einen durcheinander, über eine so schwere Krankheit bei einem solch jungen Menschen nachzudenken.»

Zita spricht mit dem Tod, sie schreibt ihm Briefe und lässt die Leser dabei in ihr Innerstes blicken.
Zita spricht mit dem Tod, sie schreibt ihm Briefe und lässt die Leser dabei in ihr Innerstes blicken.
Bild: Panini Verlag

Zitas Brief an den Tod mitlesen

Fast 3'000 kleine Patienten haben bisher im Spital Wallis Glatzköpfchens Abenteuer kennengelernt. «Diese kleine Freude ermöglicht es den Patienten, besser mit ihrer Krankheit umzugehen, insbesondere weil es ihren Krankenhausaufenthalt ein bisschen humaner gestaltet», sagt Juan Llor, Abteilungsleiter der Pädiatrie. Es sei ein einfaches, aber wirksames Konzept, das von den Kindern und Jugendlichen sehr geschätzt würde.

Zurück zu Zita: Sie wird nun also 13 Jahre alt. Dass sie diesen Geburtstag feiern kann, haben nur wenige in ihrem Umfeld erwartet. Ein Grund mehr, sie alle zu ihrer Geburtstagsparty einzuladen. Wir begleiten Glatzköpfchen nicht nur durchs Krankenhaus, sie lässt uns auch in ihr Innerstes blicken. Etwa wenn wir Zitas Brief an den Tod mitlesen. Eine Frage liegt ihr auf dem Herzen: Wohin geht die Liebe, die wir für andere Menschen empfinden, ihnen aber nicht geben können, weil sie vielleicht nicht da sind? Auch auf diese Frage findet Glatzköpfchen eine Antwort. 

Lektüre: «Glatzköpfchen Bd. 1: Wer braucht schon Haare?» und «Glatzköpfchen Bd. 2: Club der grünen Krokodile» von Zidrou, Serge Ernst, et al., im Panini Verlag erschienen, 16 Franken. Eine Leseprobe finden Sie hier.



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