Kolumne Protein- oder Kalorienbombe? Was die Shakes wirklich bringen

Von Jürg Hösli

2.11.2020

Eine konzentrierte Eiweissbombe zu schlucken, ist nicht zielführend. Neben der richtigen Menge Protein bringt vor allem das exakte Timing einen sinnvollen Effekt.
Eine konzentrierte Eiweissbombe zu schlucken, ist nicht zielführend. Neben der richtigen Menge Protein bringt vor allem das exakte Timing einen sinnvollen Effekt.
Bild: Getty Images

Protein-Shakes gehören für viele fest zum Training. Schliesslich versprechen sie mehr Muskeln und weniger Körperfett. Warum diese Rechnung leider selten aufgeht. 

Wenn wir an Proteindrinks denken, dann kommen uns vor allem muskelbepackte Athleten oder Bodybuilder in Muckibuden in den Sinn. Dass aber vor allem ältere Menschen von diesen Drinks profitieren, wissen die wenigsten.

Beim Blick in die Regale im Supermarkt finden wir immer mehr Proteindrinks. Es gibt sie in Pulverform, vegan, aus Molke, direkt zubereitet in Flaschen oder alles zusammen. Proteine sollen ja gesund sein, kann man in Frauen- und Männermagazinen lesen. Darum werden sie auch zuhauf verkauft. Dies sorge für mehr Muskelaufbau und weniger Körperfett. Doch leider stimmt diese Rechnung selten.

Darum ist Protein wichtig

Protein ist der wichtigste Baustoff für den Körper. Aus ihm werden unsere Muskulatur, unsere Hormone und die wichtigen Enzyme hergestellt. Der Bedarf liegt bei minimal rund 0,8 Gramm, besser aber 1,3 bis 1,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Diese Menge ist mit einer ausgewogenen Ernährung auch relativ einfach zu erreichen.

Neben der richtigen Menge Protein sorgt vor allem das exakte Timing für einen sinnvollen Effekt. Während Proteindrinks zwischendurch vor allem eine Kalorienbombe sind, helfen sie nach dem Training, den Muskelaufbau wirksam zu unterstützen. Nach vorherigem Krafttraining im Fitnesscenter oder in der Physiotherapie unterstützen rund 20 Gramm Protein den Muskelaufbau. 

Für wen sind Shakes sinnvoll?

Zum Autor: Jürg Hösli
Porträt Jürg Hösli Ernährungsdiagnostiker und Kolumnist bei blue News
erpse

Jürg Hösli ist Ernährungswissenschaftler und greift gern kontroverse Themen aus Sport, Psychologie und Ernährung auf. Er ist Begründer der Ernährungsdiagnostik und der Schule für Ernährungsdiagnostik erpse in Winterthur und Zürich.

Leistungssportler und Muskel-Enthusiasten profitieren definitiv von einer schnelleren Regeneration oder einem optimalen Muskelaufbau. Wenn aber Fitnesssportler zwischendurch literweise Proteindrinks in sich hineinleeren, vergessen sie oft, dass sie keine Muskeln trinken, sondern Kalorien. Mit diesem Überschuss macht der Körper dann halt Fettpölsterchen statt Muckis grösser. Für eine weitere Zielgruppe sind die Proteindrinks oft deutlich sinnvoller.

Viele ältere Menschen gehen wegen Schmerzen oder Verletzungen zur Physiotherapie. Dort soll nun zielgerichtet Muskulatur aufgebaut werden, um schneller wieder auf den Beinen zu sein und Schmerzen zu reduzieren. Leider wird aber dabei besonders oft vergessen, dass ohne die richtige Ernährung keine schützenden Muskelfasern aufgebaut werden können.

Sogar das Gegenteil ist der Fall: Trainieren wir ohne genügend Nährstoffe, bauen wir aktive Körpermasse, sprich Muskulatur, ab und bekommen noch mehr Probleme. Gibt der Physiotherapeut also keine korrekten Ernährungsempfehlungen ab, ist der Trainingseffekt gleich null oder sogar kontraproduktiv.

Warum ältere Personen von Shakes profitieren

Vor allem ältere Menschen achten rund um das Training aber deutlich zu wenig auf die richten Nährstoffe. Tendenziell essen sie sogar zu wenig oder essen auch aufgrund schlechterer Zahnqualität weniger Fleisch. Schon haben wir das Problem: Sie können sich gar nicht richtig verbessern und haben nach zwölf Sitzungen immer noch dieselben Probleme.

Genau hier könnten Proteindrinks helfen. Führen wir rund um das Training genug Eiweiss und Gesamtkalorien zu, verhindern wir nicht nur den muskelabbauenden Effekt, sondern bauen gezielt Muskulatur auf und erreichen schneller einen schmerzfreien Zustand.

Gibt es ein Zuviel an Protein?

Um es kurz zu machen: Wir sterben nicht an einem Proteinüberschuss. Wenn wir zu viel davon zuführen, verbrennt der Organismus einfach mehr Protein als Energie. Der Abfallstoff Ammoniak wird dann über die Niere ausgeschüttet. Und die Niere kann dies im Normalfall sehr gut. Das einzig wirkliche Problem, das wir immer wieder in der Beratung sehen, ist die Anpreisung von Protein als Allheilmittel. Deshalb wird immer mehr auf Kohlenhydrate verzichtet – die Folgen: innere Unruhe, Schlafstörungen und Dünnhäutigkeit.

Der Proteindrink hat sicherlich seine klare Berechtigung und dies vor allem in einem Umfeld, in dem es die wenigsten erwartet hätten. Leider ist es  wohl so, dass die wichtigste Zielgruppe am wenigstens Proteindrinks zu sich nimmt. Die Jüngeren hingegen würden viel weniger davon brauchen, als sie meinen.

Mehr zu «blue News»-Kolumnist Jürg Hösli finden Sie auf der Seite des erpse-Instituts.

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