Interview Ralf König: «Vielleicht stirbt nicht die Hoffnung zuletzt, sondern der Humor»

Von Bruno Bötschi

30.4.2020

Ralf König gilt als der König des schwulen Humors. Seit Wochen präsentiert er fast täglich einen neuen Coronavirus-Comic. Ein Gespräch über das Lachen in der Krise, die Liebe und über Dinge, die in an Männern nerven.

Herr König, wann ist Ihnen zuletzt das Lachen vergangen?

Oh, vor der Krise hat mich einiges genervt. Vor allem das Meinungsgezeter in den sozialen Netzwerken und Kommentarleisten. Ich musste mich damit befassen, weil ich ein Comicbuch plante über all die Reizthemen, was politisch korrekt und was moralisierend ist, die Streitigkeiten in der queeren Szene, also schwul gegen queerfeministisch gegen Trans und andersrum – das hat schon schlechte Laune gemacht.

Seit einigen Wochen publizieren Sie fast jeden Tag einen Coronavirus-Comic aus ihrer bewährten Reihe «Konrad und Paul» auf Ihrer Facebook-Seite. Wie kam es dazu?

Gerade als ich besagtes Buch anfangen wollte, passierte das mit dem Shutdown. Plötzlich waren all diese Themen zerplatzt wie ein Luftballon, was ich sehr angenehm fand. Aber ich konnte nicht über Monate ein Buch zeichnen, das von einer Normalität erzählt, die es so erst mal nicht mehr gibt. Da war ich dann drei Tage ratlos und verdattert und hab spontan kleine Cartoons und Comics zum Thema Corona auf Facebook gepostet. Das mache ich normalerweise selten, ich bin zurückhaltend mit dieser Umsonst-Kultur. Ich muss Bücher verkaufen, um zu leben. Aber das ging dann durch die Decke mit den begeisterten Kommentaren, und ich hatte zunehmend Spass an dieser kurzen Form. Ich mache ja normalerweise lange Geschichten von 200, 300 Seiten. Das sind nun Comicstrips wie die Peanuts, vier Bilder, fertig. Ich kann gar nicht so schnell zeichnen, wie mir die Ideen plumpsen.

Ralf König über seine Lieblingsmänner: «Knallgeile Chaoten machten mich immer schwach. War nicht immer gut für die Nerven.»
Ralf König über seine Lieblingsmänner: «Knallgeile Chaoten machten mich immer schwach. War nicht immer gut für die Nerven.»
Bild: vvg-koeln

Das Nachrichtenmagazin «Spiegel» fragte kürzlich: Ist es in der Zeit der gesundheitlichen Bedrohung und der sozialen Distanzierungsgebote moralisch okay, dass sich erwachsene Männer Hals über Kopf in den äusserst attraktiven örtlichen Supermarktfilialleiter verknallen?

Man verknallt sich auch in Corona-Zeiten, es ist Frühling, der Sperling piept! Derzeit sitzen wir alle in einem Boot und haben ähnliche Probleme, da bewahre ich meinen Humor, wenngleich ich zwischen den Sprechblasen auch oft Nachdenkliches erzähle. Ich sehe meinen Job darin, in diesen Zeiten einige Leute wenigstens einmal am Tag zum Lachen zu bringen.

Wie sind die Reaktionen Ihrer Leserschaft auf die Corona-Comics?

Die Beifall ist laut, und das ist derzeit mein Lohn. Ich hab da so eine laufende Geschichte mit einem atemberaubend attraktiven Filialleiter eines Supermarktes, in den mein Paul sich verguckt. Den Mann hab ich bisher nicht gezeichnet, aber alle Leser wollen den endlich sehen. Doch, das macht Spass, die Reaktionen sind super.

Es scheint: Gerade in schwierigen Zeiten ist Humor besonders wichtig.

Ja, vielleicht stirbt nicht die Hoffnung zuletzt, sondern der Humor.

Ihr Corona-Lieblingswitz?

Der Spruch meiner Marie Coronette: «Wenn das Volk kein Klopapier hat, gebt ihm Servietten!»

Über welche Themen würden Sie niemals Witze machen?

Ich weiss nicht, ob ich überhaupt «Witze» mache. Ich erzähle meine Geschichten immer in einem gesellschaftlichen Zusammenhang und nehme meine Figuren ernst. In diesem Jahr feiere ich mein 40-jähriges Comiczeichner-Jubiläum, 1980 erschien mein erstes Heftchen. Was heisst «feiern»? Das fällt ja nun alles aus, Lesungen, Ausstellungen etc. Aber ich denke nicht, dass ich immer noch den Erfolg hätte, wenn ich platte Witze reissen würde.



Wer hat mehr Angst vor der Corona-Pandemie: Konrad oder Paul?

Letztlich Paul, sonst würde er hemmungslos vor die Tür gehen und daten. Konrad bleibt ohnehin meistens entspannt. Der hat eh keine Nerven mehr nach all den Ehejahren mit Paul.

Wie viel Angst haben Sie persönlich vor dem Virus?

Nicht so viel. Ich arbeite zu Hause und treffe mich wenig mit Leuten. Die Kölner Innenstadt ist endlich mal nicht so überlaufen, das finde ich super angenehm. Da fällt einiger Stress weg. Ich mach mir viel mehr Sorgen um den Sommer. Es regnet doch einfach nicht mehr, und ich habe wenig Lust auf wieder 40 Grad hier unterm Dach.

Sie werden im August 60. Sie gehören demnach noch nicht zur Risikogruppe.

Nicht? Das haben Sie aber nett gesagt. Dankeschön.

Spüren Sie etwas von der Gelassenheit des Alters?

Na ja, zwangsläufig ist einiges gelassener, als mir lieb ist. Ich habe ja mit meinem Buch «Herbst in der Hose» die männliche Midlifecrisis abgearbeitet, jetzt lehne ich mich entspannt zurück und beobachte das so. Aber die Jugend war schon ein süsser Vogel.

Wer ist mehr Ihr Typ Mann: Konrad oder Paul?

Paul. Ich hab mich oft in solche Pauls verknallt, kleine niedliche behaarte Testosteronbomben, aussen Kerl, innen ungezogenes Kind. Knallgeile Chaoten machten mich immer schwach. War nicht immer gut für die Nerven. Und da ist auch ein Paul in mir, ganz klar.

Wie muss ein Mann sein, der Ihr Herz erfreut?

Mein Herz? Ach, wie mein Olaf, das ist eher der Konrad in unserer Beziehung. Mit dem bin ich jetzt zehn Jahre zugange, und wir konnten nicht mal was zelebrieren, weil er in Berlin wohnt und ich in Köln – und dann war Shutdown.

Gibt es auch Dinge, die Sie an Schwulen nerven?

Ich bin nicht mehr viel unterwegs in der Szene, aber dass ich von meinen Freunden jedes Jahr dazu aufgefordert werde, mit ihnen den doofen Song Contest zu gucken zum Beispiel. Der fällt ja dieses Jahr aus, da hat sich das erledigt. Schrecklich hysterische Veranstaltung, furchtbare Musik, ich ertrage das nicht.

Wird aus Ihren täglichen Corona-Comics ein Buch entstehen?

Ja. Der Rowohlt Verlag wird das Ganze dann gesammelt und sicher um einige Episoden aufgepimpt nächstes Jahr zum Buch machen. Und das müssen dann bitte auch alle kaufen, die sich jetzt gratis amüsieren.



Haben Ihre Comics Sie eigentlich reich gemacht?

Was? Nein. In den 1990ern hatte ich bemerkenswerte Auflagen, aber das ist schon lange vorbei. Klar, Schwulsein ist in unseren Breitegraden kein Aufreger mehr, und das Internet hat an den Buchverkäufen generell einiges verändert. Aber reich war ich nie, dazu bin ich auch bei allem Erfolg nicht Mainstream genug. Ich bin ja vermutlich der letzte Dirty Old Man der hiesigen Comicszene.

«Der bewegte Mann» ist, denke ich, Ihr erfolgreichstes Comicband. Ist es aber auch ihr liebster Comic?

«Der bewegte Mann» ist von 1987, ich hab danach viele weit bessere Bücher gezeichnet, aber der Titel klebt an mir wie Kaugummi unter der Sohle. Ist okay, immerhin ein grosser Hit, ich beschwer mich nicht. Ich bin nur müde, darüber zu reden, über den Film und so.

Wann hatten Sie zuletzt einen Lachanfall?

Oh. Es wird im Kreise meiner Freunde gewesen sein, wir lachen viel. Die Dialoge sind oft blitzgescheit, da kann ich mir die Pointen gar nicht so schnell merken, wie sie fallen. Das vermisse ich jetzt, Erdbeerkuchen bei Richard und Franz und viel Gelächter.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

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