Rasendes Relikt Morgan Threewheeler – das Dreirad für Erwachsene

dpa/tafu

7.3.2020

Es braucht schon etwas Spleen, wenn man erwachsene Männer mit einem Dreirad ködern will. Erst recht, wenn dessen Konstruktion im Grunde schon 110 Jahren alt ist. Was also hat der Morgan Threewheeler zu bieten?

Zwei Räder vorne und eines hinten: Ein Dreirad für Erwachsene, und dann auch noch falsch herum montiert – viel schräger als ein Morgan Threewheeler kann ein Auto kaum sein.

Und dennoch hält sich der englische Exot schon überraschend lange. Sehr lange sogar. Denn im Grunde gibt es das Dreirad bereits seit mehr als einem Jahrhundert, und seitdem hat sich an ihm auf den ersten Blick nur wenig verändert. Einst ein Modell zum Steuern sparen, ist daraus heute ein Spielzeug geworden, das weniger dem Fortkommen als dem Vergnügen dient.



Damit bedienen die Briten eine ähnliche Kundschaft wie mit einem Supersportwagen, nur dass ihr Dreirad ein Bruchteil dessen kostet. Denn auch wenn 53'000 Franken viel Geld für ein Spielzeug sind und der Preis mit ein paar Extras sogar auf 64'000 Franken klettern kann, ist der Morgan verglichen mit einem McLaren oder einem Maserati ein Schnäppchen. Und mehr Spass macht der Sonderling obendrein.

Viel Fahrspass trotz nüchterner Zahlen

Das liegt vor allem an der ungefilterten, fast schon brachialen Art, die der Threewheeler an den Tag legt: Auch den kleinsten Druck auf das Gaspedal quittiert der Morgan mit explosiver Beschleunigung. Und wenn man das Lenkrad nur ein paar Millimeter bewegt, reisst es den Wagen förmlich herum.

Ohnehin liefert der Engländer bei hohem Tempo ein Erlebnis der besonderen Art. Der Motor rattert lauter als ein Silvesterfeuerwerk, und gegen den Fahrtwind im Morgan ist mancher Orkan nur ein laues Lüftchen.



Dabei sind die Zahlen eher nüchtern. Der vor dem Bug montierte Motorradmotor hat gerade mal zwei Zylinder und holt aus seinem imposanten 2,0-Liter-Hubraum magere 51 kW/68 PS. Mit maximal 129 Nm beschleunigt der Zweisitzer in 7,0 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100.

Und wo man bei den meisten Sportwagen erst so langsam etwas von der Geschwindigkeit spürt, ist beim Threewheeler schon wieder Schluss. Denn mehr als 185 km/h sind nicht drin. Und mit einem Normverbrauch von 8,1 Litern (CO₂-Ausstoss: 187 g/km) ist das Dreirad obendrein hoffnungslos ineffizient.

Doch mit dem Hintern direkt über dem Asphalt und dem Kopf ungeschützt im Wind, mit einer manuellen Schaltung, die direkter und vor allem schneller ist als jede Doppelkupplung, und mit einem Gewicht von nicht einmal 600 Kilogramm fühlt man sich in dem Dreirad so schnell, so wendig und so tollkühn wie früher die Piloten der Royal Air Force in ihren offenen Jagdflugzeugen. Kein Wunder, dass Morgan mit typisch englischem Humor gegen einen stolzen Aufpreis auch bunte Aufkleber mit den Kennzeichen historischer Flugzeuge samt dekorativer Einschusslöcher anbietet.

Komfort? Fehlanzeige!

So viel Spass der Morgan auch macht, eines kann er aber nicht einmal ansatzweise bieten: Komfort. Nicht nur, dass es kein Verdeck gibt, auch die kleine Scheibe vor dem Fahrer ist allenfalls die Andeutung eines Windschutzes. Die Heizung wird durch einen Auspuff ersetzt, der offen wie ein Ofenrohr montiert wurde und der sich über kurz oder lang jedem als bleibende Erinnerung in die Wade brennt.



Zudem ist die von Hand aus Aluminium gedengelte Karosserie so eng, dass man vor dem Einsteigen erst einmal ein paar Dehnübungen machen muss und man sich fragt, für wen die Briten einen zweiten Sitz montiert haben, wenn man schon allein Platzangst bekommt. Von so etwas wie einer Federung oder Stossdämpfung ganz zu schweigen.

Ach ja – Sicherheitsextras wie Airbags oder gar Assistenzsysteme sucht man natürlich auch vergebens. Denn was wie die Gurte nicht zwingend für die Zulassung notwendig ist, das haben die Briten einfach weggelassen.

Aber auch das gehört bei einem Morgan zum Erlebnis: Der Schmerz vergeht, doch der Stolz bleibt. Schliesslich hat man es geschafft, ein derart archaisches Gefährt zu beherrschen und dabei auch noch den Elementen zu trotzen. Mit Nackenföhn und Sitzheizung kann schliesslich jeder offen fahren.

Fazit: Traumwagen auf Zeitreise

Rustikal, radikal und zumindest gefühlt rasend schnell – wer sich auf den Morgan Threewheeler einlässt, der erlebt gleich im doppelten Sinne eine Zeitreise. Denn man fährt nicht nur einen fabrikneuen Oldtimer, der aussieht wie vor über 100 Jahren. Sondern man fühlt sich auch noch einmal wie ein Kind auf seinem Dreirad und hat dabei mehr Spass als in einem ernsthaften Sportwagen.

Die Klasse von 1990: Diese Autos gelten ab 2020 als Oldtimer

Zurück zur Startseite