22 Sonntags-Fragen Simon Froehling: «Das tun schon genug alte weisse Cis-Männer»

Von Bruno Bötschi

5.2.2023

«Aufgrund meiner bipolaren Affektstörung – früher sprach man von manisch-depressiver Erkrankung – sollte ich einen möglichst geregelten Alltag führen»: Simon Froehling.
«Aufgrund meiner bipolaren Affektstörung – früher sprach man von manisch-depressiver Erkrankung – sollte ich einen möglichst geregelten Alltag führen»: Simon Froehling.
Bild: Dieter Kubli

Was steht jeden Samstag auf Ihrem Einkaufszettel? Bei welchem Song stürmen Sie sofort auf die Tanzfläche? Heute stellen wir unsere 22 Sonntags-Fragen Autor Simon Froehling.

Von Bruno Bötschi

5.2.2023

Jeden Sonntag stellt blue News einem Menschen aus Gesellschaft, Kultur, Sport, Wirtschaft oder Politik 22 Fragen, um zu erfahren, was sie oder er am Wochenende tut oder lässt – und was der schönste Moment in den vergangenen Tagen war.

Heutiger Gast ist Simon Froehling.

Der 45-jährige Autor und Dramaturg ist aktuell mit seinem Buch «Dürrst» auf Tour. Der Roman erschien im vergangenen Herbst im Zürcher Bilgerverlag und war für den Schweizer Buchpreis 2022 nominiert.

1. Simon Froehling, was bedeutet Wochenende für Sie – in einem Wort?

Kaffeehauszeit.

2. Was war der schönste Moment in den vergangenen Wochen?

Ich bin seit September auf Lesetour mit meinem neuen Roman «Dürrst» und habe mir gestern Samstag zum ersten Mal dieses Jahr einen Absolutreingarnichtstag geleistet – keine Verpflichtungen, kein Computer, kein Handy (fast). Nur Brunch, Bücher und binge watching.

«Dürrst» war für den Schweizer Buchpreis 2022 nominiert, der verdientermassen an Kim de l’Horizon ging, und obwohl ich nicht gewann, bescherte der Rummel meinem Buch und der queeren Literatur ganz allgemein viel Aufmerksamkeit, die erfreulicherweise anhält.

3. Wenn Sie die Macht hätten zu befehlen, was Ihnen heute richtig scheint, würden Sie es befehlen gegen den Widerspruch der Mehrheit?

Nein. Das tun schon genug alte weisse Cis-Männer.

4. Was steht jeden Samstag auf Ihrem Einkaufszettel?

Hafermilch, wobei sie ihren festen Platz zuoberst auf meiner elektronischen Einkaufliste hat. Für den Kaffee und für meinen Porridge, den ich jeden Tag esse.

5. Bei welcher Modedesignerin, bei welchem Modedesigner lassen Sie Ihr Geld?

Bei Julian Zigerli. Ich versuche zwar, die meisten meiner Kleider secondhand zu kaufen – aus Nachhaltigkeitsgründen und weil die Textilindustrie des Teufels ist. Aber zu Zigerli zieht es mich immer wieder.



6. Mit wem würden Sie gern einmal zu Abend essen? Die Person darf auch bereits tot sein.

Mit der sehr lebendigen Kae Tempest. Siehe weiter unten.

7. Wer ist der beste James-Bond-Darsteller? Und warum?

Ganz klar: Daniel Craig. Ich war mit 20 vom Film «Love ist the Devil: Study for a Portrait of Francis Bacon» besessen. Dort sieht man Craig nackt in der Badewanne. Wäre ich damals nicht schon schwul gewesen, ich wäre es definitiv geworden. Und bildender Künstler bin ich dank meiner Figur Andreas Durrer aka «Dürrst» doch noch ein bisschen geworden. Ausserdem ist Craig der erste Bond, der zumindest ansatzweise den Willen zeigt, an seiner Frauenfeindlichkeit arbeiten zu wollen.

8. Welche TV-Serie schauen Sie gerade?

«Please Like Me» zum zweiten Mal. Sie erinnert mich an meine Teenager-Zeit in Australien, wo meine Mutter herkommt und wo ich mein Coming-out hatte. Der Komiker Josh Thomas hat die Serie nicht nur geschrieben, sondern auch die Hauptrolle gespielt. Ebenfalls im Cast: Die grossartige Hannah Gadsby, die mit «Nanette» die beste Comedy-Stunde aller Zeiten produziert hat.

9. Welches Konzert haben Sie zuletzt besucht?

Kae Tempest im Salzhaus in Winterthur. Ich war knapp zwei Stunden lang wie in einem Rauschzustand. Rowohlt, ihr deutscher Verlag, bezeichnet sie zu Recht als «eine Mischung aus einer epischen Hohepriesterin und einem rappenden Robin Hood». Wenn Kae, die sich als non-binär identifiziert, nicht dichtende und performende Person wäre, müsste sie eine Sekte anführen. Ich würde sofort konvertieren.

10. Bei welchem Song lassen Sie sofort alles stehen und liegen und stürmen die Tanzfläche?

Ich tanze zu fast allem. Und am liebsten sonntags an einem day dance. Das finde ich eine der besten Erfindungen je, denn man bekommt den ganzen Spass einer Klubnacht, ohne danach eine Woche lang unter Schlafmanko leiden zu müssen.

«Ich bin ganz verrückt nach Pflanzen»: Simon Froehling.
«Ich bin ganz verrückt nach Pflanzen»: Simon Froehling.
Bild: Dieter Kubli

11. Wie lange bleiben Sie am Sonntag im Bett, nachdem Sie aufgewacht sind?

Ich bin einer dieser nervigen Menschen, die sofort hellwach sind und auch sofort aus dem Bett springen müssen. Ausserdem sollte ich aufgrund meiner bipolaren Affektstörung – früher sprach man von manisch-depressiver Erkrankung – einen möglichst geregelten Alltag führen, wozu auch ein regelmässiger Schlafrhythmus gehört.

12. Frühstück im Bett – ja oder nein?

Ach, das mit dem Frühstück – beziehungsweise dem Porridge ... Mir würde Kaffee ja reichen, aber weil ich meine Medikamente nicht auf einen leeren Magen schlucken darf, geht das leider nicht. Doch ich frühstücke jeweils so spät als möglich. Deshalb: Nicht im Bett, nein.

13. Wann sind Sie zuletzt in ein Gotteshaus gegangen?

Letzten Sommer. Eine kleine katholische Kirche in einem kleinen französischen Dorf im Loire-Tal, wo Freunde von mir ein Haus kaufen wollen. Ich habe eine Kerze angezündet, weil ich nicht möchte, dass meine Freunde nach Frankreich ziehen. Aber ich habe für die Kerze nicht bezahlt, also wird mein Wunsch wohl nicht wahr.

14. Welchen Gegenstand brauchen Sie am Wochenende am meisten?

Mein Handy, leider.

15. Gibt es ein Ritual, das Sie jeden Sonntag pflegen?

Ich pflege meine Pflanzen. Ich bin ganz verrückt nach Pflanzen.

16. Freiburger Fondue Moitié-Moitié oder Tessiner Risotto?

Weder noch, da ich keinen Alkohol trinke – oder esse – und beide Gerichte anscheinend schlecht ohne auskommen.



17. Das beste Fortbewegungsmittel, das Sie je besessen haben?

Mein Silberpfeil. Ein Rennvelo Marke unbekannt. Es wurde mir geklaut. Aber ich habe ihm in meinem Roman «Dürrst» ein kleines Denkmal gesetzt.

18. Locarno oder Lugano?

Locarno fürs Filmfestival. Lugano für alles andere.

19. Wenn Sie das Wort Romandie hören: Woran denken Sie?

Die tolle zeitgenössische Tanzszene, die es dort gibt. Neben meiner Tätigkeit als Autor bin ich Leitender Dramaturg am Tanzhaus Zürich und verfolge deshalb die Szene in der ganzen Schweiz, so gut ich kann.

20. Was tun Sie am Wochenende zu wenig?

Day dancing.

21. Welches hartnäckige Gerücht über Sie ist schlichtweg nicht wahr?

Dass ich einen Hund habe und im Zürcher Reusstal lebe. Plus ein paar andere Dinge, die in meiner Wikipedia-Page stehen. Wenn jemand weiss, wie man Wikipedia-Einträge editiert: Bitte melden!

22. Ihr Lieblingswitz?

Meine Kochkünste. Die Antwort habe ich zwar bei Anna Rosenwasser geklaut, ist aber deswegen nicht weniger wahr. Anna hat übrigens einen grossartigen Humor, was einer der Gründe ist, weshalb ich mich auf ihr «Rosa Buch» freue, das demnächst erscheint.

Simon Froehling hat den Fragebogen schriftlich ausgefüllt.


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