Kolumne am Mittag Was Pippi mit dem N-Wort und Buchverbrennungen zu tun hat

Von Julia Käser

2.9.2020

Das rothaarige Mädchen mit dem zungenbrecherischen Namen: Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf. 
Das rothaarige Mädchen mit dem zungenbrecherischen Namen: Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf. 
Bild: Getty Images

Mutig, frech und ganz schön stark: Pippi Langstrumpf ist ein Vorbild für viele Kinder. Mit der politischen Korrektheit aber hat sie es nicht immer so genau genommen. 

Aufmüpfig, mutig, stark: Ja, ich hätte mehr als nur einmal so sein wollen wie Pippi Langstrumpf. Bewundert hat sie mein Kindergarten-Ich weniger dafür, dass sie ohne grosse Anstrengung Pferde in die Luft heben konnte, als vielmehr für Sätzen wie: «Das haben wir noch nie probiert, also geht es sicher gut.» 

Vor allem den Erwachsenen würde es gut tun, häufiger so zu denken – war ich damals der festen Überzeugung. Ach, Pippi, du kleine Anarchistin. 

Noch heute ist das sommersprossige Mädchen ein Vorbild für viele Kinder. Unumstritten ist die quirlige Affenhalterin in der Erwachsenenwelt aber nicht. Dass sie ein Fall für die KESB sei, heisst es. Oder dringend eine ADHS-Abklärung benötige – ein doch eher schlechtes Idol also, der kecke Rotschopf. 

Buchverbrennungen und Polizeieinsätze

Und wie hat sie es eigentlich so mit Political Correctness, die liebe Pippi? Nun ja. Die Bewohnerin der Villa Kunterbunt war es sich gewohnt, ihren Vater – eigentlich Kapitän Efraim Langstrumpf – «Negerkönig aus Taka-Tuka-Land» zu nennen. Ein Name, der angesichts der heutigen Rassismusdebatte alles andere als unproblematisch ist.

Eine kurze Recherche zeigt denn auch: In Schweden, wo Pippi herkommt, hat das schon zu Polizeieinsätzen und Buchverbrennungen geführt. 



Ist mein Kindergartenidol in Wirklichkeit also eine kleine Rassistin? Gar eine innerfamiliäre? Nicht so ganz, würde ich sagen. Vielmehr war die Welt, in der Pippi erschaffen wurde, eine rassistische. Von wegen kunterbunt. 

Die Sommersprossenträgerin kann auch anständig

Vor einigen Jahren hat der deutsche Verlag der Langstrumpf-Bücher reagiert und den Vater kurzerhand in «Südseekönig» umgetauft. Während die einen darin einen absolut notwendigen Schritt sahen, schrieen die anderen laut: «Zensur!». 

Ich glaube: Wäre die selbstbewusste Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf in Bezug auf das N-Wort so aufgeklärt gewesen, wie wir es heute sind, hätte sie es niemals gebraucht. Schliesslich rät sie ihren Freunden Annika und Tommy, anderen Menschen stets gutgesinnt zu begegnen.

«Warte nicht darauf, dass die Menschen Dich anlächeln ... Zeige ihnen wie es geht.» Gell, Pippi, auch kleine Anarchistinnen haben durchaus Moral und Anstand. 

Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «Bluewin» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.

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