Kolumne Wozu braucht der Mensch Bargeld?

Marianne Siegenthaler

8.4.2019

Neue Zahlungsmittel erobern die Schweiz und verursachen ein schleichendes Bankomaten-Sterben. Doch hierzulande gilt nach wie vor: Nur Bares ist Wahres.
Neue Zahlungsmittel erobern die Schweiz und verursachen ein schleichendes Bankomaten-Sterben. Doch hierzulande gilt nach wie vor: Nur Bares ist Wahres.
Bild: Keystone

Dank einer neuen App kann man in rund 2'000 Geschäften in der Schweiz Bargeld beziehen. Doch braucht es heutzutage überhaupt noch Bares, fragt sich «Bluewin»-Kolumnistin Marianne Siegenthaler.

Der Volg ist jetzt auch eine Bank. Seit Kurzem kann man da nämlich Bargeld beziehen. Wie schon seit letztem Jahr am Kiosk. Und so funktioniert’s:

Sonect-App aufs Handy laden. Geschäft aussuchen. Wunschbetrag eingeben. Den erhaltenen Barcode im Lädeli scannen lassen. Der Betrag wird vom Konto abgebucht und ausbezahlt. Ganz einfach. Und auch noch kostenlos und gebührenfrei.

Das junge Start-up füllt damit eine Lücke. Denn gerade in kleineren Gemeinden werden Bancomaten Mangelware. Es gebe immer weniger Bezüge, monieren die Banken. Und das ist ärgerlich. Denn je mehr Bezüge, desto mehr Umsatz. Wenn die Rechnung nicht stimmt, werden die Geldautomaten eben eingestampft.

Wozu Bargeld?

Das ist aber auch für die Kunden ärgerlich. Denn sie stehen ohne Bargeld da. Doch wozu braucht man im Zeitalter von Kredit-, Debitkarten und Twint überhaupt noch Nötli und Münz?

Das hat schon seinen Grund. Bargeld hat nämlich zumindest in der Schweiz einen besonderen Stellenwert. Eine Erhebung der Schweizerischen Nationalbank im Jahr 2017 hat ergeben, dass 70 Prozent aller Transaktionen hierzulande noch mit Bargeld abgewickelt werden. 42 Prozent der Bevölkerung sehen keinen Anlass, vermehrt bargeldlos zu bezahlen.

Keine Gebühren

Bares ist eben Wahres. Man weiss, was man hat. Man kann nicht mehr ausgeben, als im Portemonnaie drin ist. Fürs Aufbewahren zahlt man keine Kontogebühren oder gar Negativzinsen. Wenn man bar bezahlt, fallen auch keine Gebühren an. Man bleibt anonym. Und nicht zuletzt ist mit Bargeld Skimming oder Phishing, also das Abgreifen von Daten, gar nicht möglich.

Klar kann man auch beklaut werden. Oder das Portemonnaie verlieren. Oder man weiss nicht mehr, wo man sein gehortetes Bargeld versteckt hat. Und dann sollen ja die Münzen und Noten ein Paradies für krankmachende Keime aller Art sein. Kein Wunder. Bargeld geht ja von Hand zu Hand – und die ist nicht immer sauber.



Apropos sauber: Als die neue 1'000er Note am 13. März vorgestellt wurde, gab es genau deswegen in einigen Medien eine kleine Aufregung. 1'000er-Nötli seien überflüssig, konnte man da lesen, denn sie dienen praktisch nur kriminellen Zwecken. Geldwäscherei zum Beispiel. Oder Steuerhinterziehung. Oder Schmuggel. Denn eine Million Franken in Tausendern wiegt keine zwölf Kilogramm. Die transportiert man also locker im Handgepäck – wohin auch immer.

Geschätztes Kulturgut

Konsumentinnen und Konsumenten interessiert das nicht. Sie wollen ihr Bargeld. Denn Bargeld ist auch ein Kulturgut. Nur so lässt sich der Hype um jedes neue Noten-Design erklären.

Trotzdem: Im Stadt-Land-Vergleich zeigt sich ein Unterschied, wie die Studie von Moneyland zeigt. Bargeld wird auf dem Land mehr geschätzt als in der Stadt. Ist ja auch kein Wunder. Auf dem Land beziehungsweise der Agglomeration gibt es noch Lädeli, die nur Bares nehmen.

Unsere Dorfbäckerei zum Beispiel. Da bekomme ich das Gipfeli und den Sonntagszopf nur gegen Bargeld. Gerne in Münz. Denn das ist oft Mangelware.

Der Geldautomat gleich vis-à-vis spuckt ja nur Noten aus. Vorläufig noch. Wer weiss, wann auch der abgebaut wird. Und man ganz froh ist um die Sonect-App. Sofern im Dorf nicht auch der Volg beziehungsweise der Kiosk geschlossen wurde.

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