Haar-Expertin im Interview «Insbesondere Männer verlangen eine Dauerwelle»

Von Marjorie Kublun

7.1.2020

Neben dem «Granny»-Trend kommen wir nächstes Jahr auch am Thema Locken nicht vorbei,  erklärt Nicole Felder, Styling-Expertin bei Wella. Sie selbst hat Naturlocken.
Neben dem «Granny»-Trend kommen wir nächstes Jahr auch am Thema Locken nicht vorbei,  erklärt Nicole Felder, Styling-Expertin bei Wella. Sie selbst hat Naturlocken.
mk

Das Jahr 2020 kann haartechnisch nur natürlicher werden – «Granny»-Trend und natürlichen Locken sei Dank. Doch auch der Vokuhila schwappt zu uns rüber, wie Nicole Felder, Styling-Expertin bei Wella, «Bluewin» sagt.

Frau Felder, befinden wir uns betreffend Schönheitsideal in einem Wandel?

Wir sind in einem sehr starken Wandel. Früher hatten wir ein vorgefertigtes Schönheitsideal, was heute nicht mehr der Fall ist. Ich habe den Eindruck, dass das passé ist. Die Vielseitigkeit und auch das Einzigartige sind das, was heute das Schöne ausmacht. Was wiederum auch polarisieren kann.

Wie zeigt sich das?

Auf den Laufstegen sieht man immer wieder Models mit einem einzigartigen Aussehen – sei es dank Hautflecken oder mehr Gewicht auf den Rippen. Alles kann heute schön sein.

Haben sich die Stereotypen, wie sie etwa Claudia Schiffer verkörpert hat, in den 90ern dennoch erhalten?

Definitiv. Das Beständige bleibt bestehen, wird aber immer wieder modernisiert.

Gibt es denn noch DIE Blondine?

Wenn ich gerade an unser Blond-Seminar denke, sind es tatsächlich noch Brigitte Bardot oder Claudia Schiffer, die das Sinnbild von blonden Frauen ausmachen.

Wie wird bei Wella über Haar-Trends entschieden?

Spannend ist, dass sich Firmen nicht mehr so festlegen. Wir haben ein breites Spektrum an Trends, die nicht mehr von den Laufstegen kommen, sondern von der Strasse oder Social Media. Regeln, wie gedecktere Farben im Winter und ausdrucksstarke Farben im Frühling, werden gebrochen. Wir unterscheiden zwischen kurz aufpoppenden Micro-Trends und langlebigen Macro-Trends. In der Mode ist der Dr. Martens Schuh, der ursprünglich nur eine kleine Sparte, nämlich Punks bediente, ein gutes Beispiel dafür – heute hat sich der Schuh komplett etabliert, ist salonfähig.

Und übertragen auf die Haartrends 2020?

Ganz klar ist Balayage der Macro-Trend schlechthin. Diese Färbetechnik, die auch als Ombre, Foliage, Babylights oder Sombre bekannt ist, ermöglicht einen sehr fliessenden Farbverlauf. Der Vorteil: Der Look sieht sehr natürlich aus, nicht gefärbt und ist einfach zu managen. Und wir bei Wella heben diesen Trend nächstes Jahr auf ein neues Level mit der Einführung von Illuminage.



Erklärt dieser Wunsch nach Natürlichkeit auch den immer grösser werdenden Wunsch nach pflanzlichen Haarfarben?

Mikroplastik, natürliche Inhaltsstoffe, vegane Produkte sind Themen, die den Konsumenten heute beschäftigen. Nachhaltigkeit ist Trend, auch beim Thema Haare.

Was macht Ihr Unternehmen in dem Bereich – und können die Initiativen noch weiter ausgebaut werden?

Für uns ist Nachhaltigkeit ein super relevantes Thema, welches alle Unternehmensbereiche betrifft. So haben wir unter anderem unseren Footprint beim Thema Verpackungsmaterial verringert. Einige unserer Pflegelinien wie z.B System Professional EnergyCode InEssence haben zudem bis zu 96 Prozent natürliche Inhaltsstoffe. Und ich kann verraten, dass wir eine neue eco-ethical Pflegelinie nächstes Jahr launchen werden. Auch ein tolles Beispiel ist unsere permanenten Haarfarben Koleston Perfect, die ohne die allergenen Stoffe PPD und PTD auskommt. Und wir können auch stolz sagen, dass Wella schon immer Produkte wie Eos angeboten haben, ein Färbemittel, dass zu 80 Prozent aus pflanzlichen Inhaltsstoffen besteht.

Für wen eignen sich Pflanzenfarben?

Eigentlich für alle, die auf Chemie verzichten wollen. Sie eignen sich gut, um mit Kakao- oder Kupfer- und Safran-Tönen zu spielen. Man kann allerdings nicht damit aufhellen.

Graues oder silbernes Naturhaar, «Granny» gennannt, ist ein riesen Trend. Wie kommt dieser an?

Es ist ein mutiges Thema. Man braucht einerseits Mut, und man muss davon überzeugt sein, es wirklich zu wollen. Mit dem Herzen dabei sein und zum grauen oder weissen Haar stehen.

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Graue Haare haben es in der Gesellschaft noch immer schwer. Kürzlich wurde etwa über die neue Lebensgefährtin von Keanu Reeve diskutiert, die sich eben ihre grauen Haare nicht färbt.

Es ist tatsächlich nicht ganz einfach, seine Haare grau zu tragen. Das liegt daran, dass der Gegentrend – junges Aussehen – sehr entgegenwirkt. Und durch graues oder weisses Haar wirkt man nun einmal älter. Dass junge Frauen zu ihrem natürlichen Grau stehen, ist darum eine Seltenheit.

Ist es für Männer einfacher, graue Haare selbstbewusst zu tragen?

Ich glaube, mit dem grauen Haar haben die Männer kein Problem. Sie sehen George Clooney und denken, graue Haare sähen auch an ihnen gut aus. Dafür stören sie sich an der abnehmenden Haardichte mit dem Alter.



Weisses Naturhaar ist oft borstig. Muss man es auf eine besondere Art pflegen?

Um das «Granny Hair» zu veredeln, gibt es im Salon spezielle Verfahren wie Gray Shading, die das Haar veredeln. Das verhindert auch, dass das graue Haar einen gelben Stich hat. Zuhause kann der Kunde Silbershampoos verwenden. Einen tollen Lippenstift zum Naturhaar tragen, und man sieht wunderbar aus.

Wie oft kommt es vor, dass jüngere Frauen nach dem künstlichen Grau fragen?

Das kommt immer öfter vor. Das künstliche Grau muss stark blondiert werden, um dann den Grau-Effekt zu bekommen. Grau ist ein riesen Trend, aber das neue Blond ist es doch noch nicht. 

Ist eine silberne Haarpracht eine Antwort auf den Haar-Farbrausch von 2019?

Wir haben tatsächlich viel Farbe gehabt mit allen Regenbogenfarben. Das zeigt, dass der Kunde bereit ist, Aufwand zu betreiben, denn solche Farben beanspruchen viel Zeit. Sie müssen zu Hause gepflegt werden und mit Pigmenten stetig aufgefrischt werden, damit sie nicht verblassen.

Sie selbst tragen aktuell einen Hauch Rosa im Haar. Müssen wir uns 2020 von den Pastellfarben verabschieden?

Der leicht pudrige Charakter wird sicher noch im nächsten Jahr bestehen bleiben.

Welche Frisur sieht mit grauen Haaren am besten aus?

Ich finde einen perfekt auf das Kinn geschnittenen Bob am glamourösesten.

Locken sind im Kommen. Kommt die Dauerwelle etwa wieder?

Locken sind 2020 ein grosser Trend. Die Dauerwelle kommt jedoch nicht wieder. Im Herrenbereich ist sie allerdings ein Thema. Insbesondere junge Männer verlangen eine Dauerwelle am Oberkopf, während die Seiten kurz geschnitten werden. Die Damen wünschen aber keine permanente Lockenpracht.

Wie trägt man 2020 Locken?

Die Damen möchten Locken-Stylings verwirklichen und verschiedene Lockenarten ausprobieren. Dafür gibt es verschiedene technische Hilfsmittel – etwa den Lockenstab für kompakte und strukturierte Locken, oder auch das Glätteisen, um eine Wellenform zu erzeugen. Und dann gibt es ganz neuartige Tools wie das «Oracle», die beides können.

Sie haben selbst Naturlocken, zu denen Sie erst seit Kurzem stehen. Wird man mit der Frisur anders wahrgenommen?

Oh ja! Ich kann natürlich nur von mir sprechen: ich werde komplett anders wahrgenommen. Ich kann in kein Geschäft gehen, ohne dass man mich spätestens an der Kasse auf meine Haare anspricht (lacht).

Was ist die Haar-Revolution 2020?

Der lange Nacken kommt! Ich bin gespannt, ob der starke Vokuhila-Trend aus Japan zu uns rüberschwappt. Einen durfte ich kürzlich schon schneiden.

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