«White Supremacists» Amerika nach den Massakern: Die Gefahr des rechtsextremen Terrors

dpa

6.8.2019

Neonazi-Gruppen wie die National Socialist Movement konnten in den USA bisher weitestgehend unbehelligt agieren.
Neonazi-Gruppen wie die National Socialist Movement konnten in den USA bisher weitestgehend unbehelligt agieren.
Getty Images/Archiv

Nach den Massakern von El Paso und Dayton steht Amerika unter Schock. Es zeichnet sich ab, dass ein Problem viel zu lange ignoriert worden ist: die Gefahr, die von weissen Rechtsextremisten ausgeht.

Erst wenige Tage ist es her, dass US-Präsident Donald Trump eine neue Gefahr für Amerika ausmachte: «Spinner», die durch die Gegend zögen und andere Menschen mit Baseballschlägern verprügelten. Gemeint war die Antifa, Trump teilte auf Twitter mit, er erwäge, die linksradikalen Antifaschisten zur Terrororganisation erklären zu lassen.

Nicht erst seit den Massakern vom Wochenende in El Paso (Texas) und Dayton (Ohio) meinen Kritiker, dass die wahre Gefahr für Amerika aus einer anderen Richtung kommt: Von sogenannten White Supremacists, also von weissen Rechtsextremisten – und dass Trump deren Geisteshaltung mit seiner Rhetorik befeuert.

Die Hintergründe der Tat von Dayton, wo ein 24-Jähriger in der Nacht zu Sonntag neun Menschen tötete, sind noch unklar – der mutmassliche Täter wurde erschossen. Der mutmassliche Täter in Texas richtete am Samstag ein Blutbad mit mehr als 20 Toten in einem Einkaufszentrum nahe der Grenze zu Mexiko an und ergab sich dann der Polizei. Über ihn sagte Trump am Montag bei einer Ansprache im Weissen Haus: «Der Schütze von El Paso wurde von rassistischem Hass verzehrt.»

So viele Mexikaner wie möglich

Mehr als 20 Menschen wurden bei dem Attentat in El Paso erschossen.
Mehr als 20 Menschen wurden bei dem Attentat in El Paso erschossen.
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Der Sender ABC berichtete, der 21-jährige Weisse habe bei seiner Vernehmung ausgesagt, er habe so viele Mexikaner wie möglich töten wollen – mehrere sind unter den Opfern. Die Behörden stufen die Tat von El Paso als inländischen Terrorismus ein. Dem mutmasslichen Täter wird ein hasserfülltes Pamphlet zugeschrieben, das kurz vor dem Massaker im Internet veröffentlicht wurde.

In der Kampfschrift äussert der Autor seine Unterstützung für den rassistischen Attentäter von Christchurch, der im März in Neuseeland zwei Moscheen angegriffen und 51 Menschen getötet hatte. In dem Text heisst es: «Dieser Angriff ist eine Antwort auf die hispanische Invasion in Texas.»

Das ist die Sprache von Donald Trump, der die illegale Einwanderung von Lateinamerikanern in die USA regelmässig als «Invasion» bezeichnet – und der Migranten immer wieder mit kriminellen Bandenmitgliedern gleichsetzt. Manche kriminelle Einwanderer, sagte Trump im Mai vergangenen Jahres, seien «keine Menschen. Das sind Tiere.» Der Republikaner bemüht immer wieder eine Rhetorik, die hart am rechten Rand spielt – etwa dann, wenn er demokratische Abgeordnete dazu auffordert, in ihre vermeintlichen Heimatländer zurückzukehren.

Zu lange verharmlost

Trump mag dabei noch so oft betonen, er sei kein Rassist, doch viele Amerikaner sehen das anders. In einer Ende Juli veröffentlichten Umfrage der Universität Quinnipiac sagten 51 Prozent, der Präsident sei ein Rassist, 45 Prozent teilten diese Meinung nicht. 80 Prozent der schwarzen Wähler bescheinigten dem Präsidenten Rassismus, unter hispanischen Wählern waren es 55 Prozent.

Kritiker werfen Trump vor, sich viel zu lange nicht gegen weissen Rechtsextremismus positioniert oder diesen verharmlost zu haben. Immer wieder betont Trump dagegen die Gefahr, die vom islamistischem Terrorismus ausgeht. Die «New York Times» kommentierte, wären die jüngsten Massaker von muslimischen Extremisten verübt worden, würde der Staat mit seiner gesamten Macht gegen deren Netzwerke und Unterstützer vorgehen. «Die Welt, und besonders der Westen, hat ein ernsthaftes Problem mit weissen nationalistischen Terroristen, das viel zu lange ignoriert oder entschuldigt worden ist.»

Kritiker werfen Donald Trump vor, Rassismus zu fördern.
Kritiker werfen Donald Trump vor, Rassismus zu fördern.
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Menschen mit «sehr ernsten Problemen»

Trump sah das zumindest bislang nicht so. Nach dem Attentat in Neuseeland im März fragte ein Journalist den Präsidenten, ob weisse Nationalisten ein wachsendes Problem auf der Welt darstellten. Trump verneinte das. «Ich denke, es ist eine kleine Gruppe von Menschen, die sehr, sehr ernste Probleme haben», sagte er.

Immerhin findet Trump am Montag bei seiner Ansprache an die Nation klare Worte: «Mit einer Stimme muss unsere Nation Rassismus, Fanatismus und weissen Rechtsextremismus verurteilen. Diese finsteren Ideologien müssen besiegt werden. Hass hat keinen Platz in Amerika», sagte er. Eine Konsequenz daraus: Trump will Täter bei Hassverbrechen in Form von Massenmorden künftig schnell hinrichten lassen, am Montag kündigte er eine entsprechende Gesetzesinitiative an.

«White Supremacists» im Aufwind

Die «New York Times» listete nach den jüngsten Massakern mindestens acht Fälle in den USA seit dem Jahr 2017 auf, bei denen Schützen mit einem mutmasslich rechtsextremen Hintergrund Menschen ermordeten. «Weisse extremistische Angreifer haben das Feuer in Schulen, in Synagogen und in Geschäften eröffnet», schrieb das Blatt.

Bei diesen Tätern ist nicht bekannt, dass sie organisiert gewesen wären. Unabhängig davon sieht die Anti-Rassismus-Organisation Anti-Defamation League (ADL) den Rechtsextremismus in den USA in den vergangenen Jahren im Aufwind. Die ADL schreibt, «White Supremacists» gingen davon aus, dass die Weissen Gefahr laufen, auszusterben – gesteuert werde das ihrer Überzeugung nach von Juden. Sie glaubten, «dass fast alle Taten gerechtfertigt sind, die dazu beitragen, die weisse Rasse zu ‹retten›».

Die Bürgerrechtsorganisation SLPC registrierte im vergangenen Jahr 1'020 «Hassgruppen» in den USA. SLPC definiert diese Gruppen als solche, die andere Menschen etwa auf der Basis von deren Ethnie oder auch sexuellen Orientierung ablehnen. Darunter sind etwa Neonazis, weisse Nationalisten, rassistische Skinheads oder auch der berüchtigte Ku Klux Klan. Im vergangenen Jahr fanden sich noch 954 solcher Gruppen auf der SLPC-Liste, im Jahr zuvor waren es 917.

Die Alt-Right-Bewegung ist nur die Spitze des Eisbergs.
Die Alt-Right-Bewegung ist nur die Spitze des Eisbergs.
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Die Rolle des Internets

Ins Visier geraten ist nun auch das Online-Forum 8Chan. Dort wurde das Pamphlet veröffentlicht, das dem mutmasslichen Täter von El Paso zugeschrieben wird. Gründer Fredrick Brennan setzte 8Chan (die «8» steht für das Unendlichkeits-Symbol) 2013 als eine Neuauflage des zuvor ebenso ungezügelten Online-Forums 4Chan fort, das damals erste Grenzen für Inhalte einzog. Ihm schwebte eine Plattform vor, wo jegliche – legale – Ansichten willkommen wären, unabhängig davon, wie «toxisch» sie wären, sagte Brennan der «New York Times».

Am Ende wurde 8Chan zum Sammelbecken für Ansichten, für die man bei anderen Plattformen verbannt wird: Hass, Hetze, Rassismus, Antisemitismus, Schwulenfeindlichkeit. Brennan gab die Kontrolle über 8Chan bereits 2015 auf und distanzierte sich davon. «Macht die Website dicht. Sie bringt der Welt nichts Gutes», sagte er.

Inzwischen wird 8Chan von den Philippinen aus vom Amerikaner Jim Watkins betrieben. Er selbst sei kein Anhänger der These von der Überlegenheit der weissen Rasse, sagte Watkins 2016 der Website «Splinter». Aber er habe auch kein Problem damit, dass diese Leute auf 8Chan präsent seien. «Sie haben Gründe für ihre Überzeugungen. Ich muss diese Überzeugungen nicht rechtfertigen.»

Trump: «Fake News»-Medien sind schuld

Trump wehrt sich nun mit seiner üblichen Taktik gegen die Kritik an seiner Person: Angriff ist die beste Verteidigung. Er gab den «Fake News»-Medien eine Mitverantwortung für «den Zorn und die Wut» im Land – also jenen Medien, die kritisch über ihn und seine Politik berichten. Besonders perfide: Der Präsident, der strikt gegen eine Einschränkung des Rechts auf Waffenbesitz ist, sprach sich auf Twitter zwar für schärfere Hintergrundkontrollen bei Menschen aus, die Waffen kaufen. Er brachte aber auch ins Spiel, ein entsprechendes Gesetz mit einer Reform der Migrationsgesetze zu verknüpfen.

Der Sheriff von El Paso, Richard Wiles, machte nach der Bluttat keinen Hehl aus seiner Verbitterung. «El Paso wird niemals wieder derselbe Ort sein, weil ein Rassist in unsere Stadt gekommen ist, um zu versuchen, seine Ansicht durchzusetzen», schrieb er auf Facebook. «Es ist an der Zeit, sich zu erheben und unsere Abgeordneten auf allen Ebenen zur Rechenschaft zu ziehen. Ich will Abgeordnete, die sich gegen Rassismus stellen.»

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