Veteranenschicksale Amerikas Trauma – wie ein Tweet der US Army alte Wunden aufreisst 

Von Philipp Dahm

29.5.2019

«Memorial Day» in den USA: Ein Soldat hält bei Wind und Wetter am Grab des unbekannten Soldaten auf dem Nationalfriedhof in Arlington, Virginia, die Stellung.
«Memorial Day» in den USA: Ein Soldat hält bei Wind und Wetter am Grab des unbekannten Soldaten auf dem Nationalfriedhof in Arlington, Virginia, die Stellung.
Bild: US Army

Am «Memorial Day» fragt die US Army, wie der Militärdienst die Menschen verändert habe. Die Antworten zeigen, wie wenig die USA ihre konfliktreiche Vergangenheit aufgearbeitet haben.

Der «Memorial Day» hat in den USA Tradition: Schon vor dem amerikanischen Bürgerkrieg pilgerten Hinterbliebene zu den Gräbern ihrer Verwandten, um sie zu schmücken – weshalb dieser Tag veraltet auch «Decoration Day» genannt wird.

1882 wird der Tag erstmals so bezeichnet, doch wirklich geläufig wird der «Memorial Day» erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Am diesjährigen Feiertag haben viele Amerikaner einen Grund, an ihre Lieben zu denken, die aktuell Militärdienst leisten – oder an jene, die früher im Einsatz waren oder nie davon zurückkamen.

Noch nie so wenige US-Soldaten im Ausland

Das US-Militär ist in 177 Ländern aktiv, unterhält etwa 800 Stützpunkte im Ausland und stellt 15 Prozent der Truppen für Einsätze ausserhalb des eigenen Landes ab. Knapp 200'000 Männer und Frauen sind im Ausland stationiert, vor allem in Europa (Deutschland, Grossbritannien und Italien), dem Nahen Osten (Afghanistan, Kuwait, Bahrain) und Asien (Japan und Südkorea) – zu Kampfeinsätzen wiederum kam es zuletzt in Afghanistan, dem Irak, Syrien, Libyen und im Jemen.

Infographic: Where U.S. Military Personnel Is Stationed Abroad | Statista You will find more infographics at Statista

Obwohl die oben genannten Zahlen hoch erscheinen, zeigt eine Grafik der Auslandeinsätze seit 1957, dass es noch nie so wenige GIs auf den Kriegsschauplätzen der Erde gegeben hat. Das bedeutet aber längst nicht, dass deshalb an der Heimatfront am «Memorial Day» Friede oder Freude herrschen würde.

US-Militär im Ausland zwischen 1957 und 2016.
US-Militär im Ausland zwischen 1957 und 2016.
Grafik: Pew Research Center

Bis zu 30 Prozent mit Traumata

Denn auch heute hadern noch erschreckend viele Veteranen mit dem Dienst an ihrem Mutterland: Schätzungen zufolge leiden 30 Prozent der Vietnamkrieg-Teilnehmer, zwölf Prozent der GIs aus dem Golfkrieg und elf bis 20 Prozent der Veteranen der Operation «Enduring Freedom» alias «Iraqi Freedom» unter den Folgen ihres Einsatzes: In der Regel lautet die Diagnose auf «posttraumatic stress disorder» (PTSD, auf Deutsch: Posttraumatische Belastungsstörung).

«Jemen - Der vergessene Krieg» – die Bilder zur SRF-Doku:

Dass hier noch viele nicht oder kaum beachtete Schicksale auf Aufarbeitung warten, zeigt ein aktueller Tweet der US Army: Vor dem «Memorial Day» wurde auf dem offiziellen Account die Frage gestellt, inwiefern der Dienst die Angesprochenen verändert habe.  

Der Schuss ging voll nach hinten los. Statt patriotischer Hurras hagelte es in den 12'000 Antworten jede Menge Kritik und Verbitterung, als diverse User von ihren Negativerfahrungen berichten.

Schicksale, die betroffen machen

Die Antworten auf Twitter sprechen für sich. Sie betreffen alle Generatioen, alle Teilstreitkräfte und beide Geschlechter. Sie erinnern daran, wie grausam und unmenschlich Krieg ist. Eine Auswahl:

Zumindest kneift die Army nicht ob der Masse an Kritik – und räumt ein, dass der Krieg Narben verursache, die man nicht sehen könne:

Hier bekommen Sie Hilfe:

Wenn Sie selbst Suizid-Gedanken haben oder jemanden kennen, der Unterstützung benötigt, wenden Sie sich bitte an die Berater der Dargebotenen Hand. Sie können diese vertraulich und rund um die Uhr telefonisch unter der Nummer 143 erreichen. Spezielle Hilfe für Kinder und Jugendliche gibt es unter der Nummer 147.

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