EU-Sondergipfel Brüssel wartet auf Selenskyj

AFP/tgab

9.2.2023

Vor knapp einem Jahr, am Donnerstag, den 24. Februar 2022, fand in Brüssel ebenfalls ein EU-Sondergipfel zur Situation in der Ukraine statt. (Archiv)
Vor knapp einem Jahr, am Donnerstag, den 24. Februar 2022, fand in Brüssel ebenfalls ein EU-Sondergipfel zur Situation in der Ukraine statt. (Archiv)
FLORIAN SCHRÖTTER/KEYSTONE

Nach seinen Besuchen in London und Paris wird der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Brüssel erwartet. Dort findet am Donnerstag und Freitag ein Sondergipfel der EU statt, bei dem es um weitere Ukraine-Hilfen gehen soll. Selenskyj wirbt für Kampfjets.

AFP/tgab

Selenskyjs Teilnahme an dem EU-Sondergipfel rund zwei Wochen vor dem Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar soll ein Symbol der Einheit Europas gegenüber Russland sein. Am Mittwochabend landete Selenskyj in Paris,  um mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz zusammentreffen.

Zuvor hatte der ukrainische Präsident London besucht, wo er mit Premierminister Rishi Sunak und König Charles III. zusammentraf. Erst am Freitag hatten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel den ukrainischen Präsidenten in Kiew getroffen.

In Brüssel könnte Selenskyj eine Rede im Europaparlament halten und die 27 Staats- und Regierungschefs der EU am Rande ihres geplanten Sondergipfels treffen, wie es aus den Institutionen heisst.

EU-Mitgliedschaft, Panzer und Sanktionen

«Für die EU ist die Symbolik von Selenskyjs Brüssel-Besuch sehr wichtig», sagt Bruno Lété von der US-Denkfabrik German Marshall Fund. «Für die Ukraine steht allerdings viel mehr auf dem Spiel.» Lété erwartet, dass sich der ukrainische Präsident auf drei Forderungen an die EU konzentriert: «die Mitgliedschaft, Panzer und Sanktionen».

«Die Ukraine gehört zu Europa, ihre Zukunft liegt in der Europäischen Union, und dieses Versprechen gilt!», hatte Scholz (SPD) am Mittag in seiner Regierungserklärung zum EU-Sondergipfel im Bundestag betont. Uneinigkeit besteht allerdings über den Zeitplan: Selenskyj dringt auf ein Eilverfahren mit Aufnahme der Beitrittsverhandlungen noch in diesem Jahr. Brüssel und Berlin sehen dies mit grosser Skepsis und verweisen auf nötige Reformen in der Ukraine, etwa beim Kampf gegen die Korruption.

In London forderte Selenskyj von den Verbündeten erneut Kampfflugzeuge. Damit steigt der Druck auf Scholz, der dies bisher ablehnt und vor einem «Überbietungswettbewerb» mit Waffen warnt. Gerade erst hatte die Bundesregierung der Ukraine gemeinsam mit den USA und anderen Nato-Partnern Kampfpanzer zugesagt.

«Die Sanktionen gegen Russland werden wir als Europäische Union zum Jahrestag des Kriegsbeginns noch einmal verschärfen», sagte Scholz im Bundestag. Dies sei ein «klares Signal an Putin, dass er keinen Erfolg hat mit seinen imperialistischen Plänen».

Die Einigung der EU-Länder auf das zehnte Sanktionspaket seit dem russischen Angriff wird laut Diplomaten kommende Woche erwartet. Es dürfte neue Einreise- und Vermögenssperren gegen russische Verantwortliche umfassen und Schlupflöcher bei der Ausfuhr von Gütern nach Russland schliessen, die militärisch wie zivil genutzt werden können.

Polen und die Baltenstaaten drängten die EU zudem kurz vor dem Gipfel, eingefrorenes Vermögen der russischen Zentralbank im Wert von mehr als 300 Milliarden Euro zu beschlagnahmen und an die Ukraine weiterzugeben. In Deutschland gilt das als juristisch schwer umsetzbar.

Weitere Themen: Migration und Wettbewerbsfähigkeit

Die eigentlichen Themen des EU-Sondergipfels könnten durch Selenskyjs Besuch in den Hintergrund rücken. Zum einen die Migration: Angesichts von rund vier Millionen nach Europa geflüchteten Ukrainern und fast einer Million Asylanträge in der EU im vergangenen Jahr rufen die meisten Mitgliedstaaten nach beschleunigten Abschiebungen sowie einer Abschottung an den Aussengrenzen. Österreich droht mit einer Blockade, sollte es für neue Zäune keine finanziellen Zusagen der EU geben.

Zweites Thema ist die Wettbewerbsfähigkeit: Scholz warnte die EU vor einem «ungehemmten Subventionswettlauf» mit den USA. Auf Berliner Druck gab Frankreich seine Forderung nach einem neuen schuldenfinanzierten Fonds vorerst auf. Präsident Macron will das Thema «mittelfristig» wieder auf den Tisch bringen, wie es aus dem Elysée-Palast hiess.

Nach dem verheerenden Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet könnte der EU-Gipfel zudem weitere Hilfszusagen an die Region geben. Zwei Tage nach der Türkei hatte auch Syrien die Europäer am Mittwoch offiziell um Hilfe gebeten.