Experte ordnet ein Das steckt wirklich hinter Putins Vorschlag für eine Waffenruhe

Philipp Dahm

24.5.2024

Wladimir Putin – hier am 22. Mai in Moskau – will angeblich eine Feuerpause in der Ukraine: Russland-Kenner Ulrich Schmid ordnet ein.
Wladimir Putin – hier am 22. Mai in Moskau – will angeblich eine Feuerpause in der Ukraine: Russland-Kenner Ulrich Schmid ordnet ein.
Keystone

Will Wladimir Putin wirklich einen Waffenstillstand in der Ukraine erreichen? Russland-Kenner Ulrich Schmid von der Universität St. Gallen ordnet ein und erklärt, was die Motive des Kreml sind.

Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge ist Wladimir Putin bereit für eine Feuerpause in der Ukraine.
  • Russland-Experte Ulrich Schmid von der Universität St. Gallen dämpft die Erwartungen an eine Waffenruhe.
  • Schmid zeigt auf, warum dieser Vorstoss eher theoretischer Natur ist, und erklärt, was der Kreml damit bezweckt.

Angeblich will Wladimir Putin einen Waffenstillstand mit der Ukraine schliessen: Halten Sie diesen Bericht für realistisch?

Das sind zunächst einmal ungesicherte Informationen. Wahrscheinlich muss man von einem kontrollierten Leak ausgehen. Ich könnte mir vorstellen, dass damit die Reaktion des Westens auf eine solche Ankündigung getestet werden soll.

Zur Person
IHK SG

Ulrich Schmid ist Professor für Kultur und Gesellschaft Russlands an der Universität St. Gallen mit den Schwerpunkten russische Medientheorien und Nationalismus in Osteuropa. Der Zürcher lehrte oder lehrt an den Universitäten Bern, Basel, Bochum und Oslo.

Was verstehen Sie unter einem kontrollierten Leak?

Ich glaube nicht, dass aus dem engsten Kreis Putins eine solche Information an die Öffentlichkeit gelangt, ohne dass das tatsächlich vom Führungskreis gewollt wird.

Handelt es sich also um eine konzertierte Aktion, um den Westen zu testen?

Von einer konzertierten Aktion würde ich noch nicht sprechen. Dafür bräuchte es mehrere solcher Quellen. Ich denke, das ist erstmal ein kleiner Luftballon.

Was würde eine Feuerpause Russland bringen?

Das Erstaunliche ist, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erst kürzlich einen Waffenstillstand während der Olympischen Spiele im Sommer vorgeschlagen hat – und Putin hat das explizit abgelehnt. Vor diesem Hintergrund kommt die aktuelle Information sehr überraschend, denn wenn Putin tatsächlich aus militärischen oder politischen Gründen an einer Feuerpause interessiert gewesen wäre, hätte er diesen Steilpass aufnehmen und sich der Weltöffentlichkeit als Friedensfürst präsentieren können. Von daher ist es eher seltsam, dass jetzt diese Information herauskommt.

Zwischen ihnen liegen Welten: Wladimir Putin (links) traf seinen französischen Amtskollegen Emmanuel Macron zuletzt am 7. Februar 2022 persönlich.
Zwischen ihnen liegen Welten: Wladimir Putin (links) traf seinen französischen Amtskollegen Emmanuel Macron zuletzt am 7. Februar 2022 persönlich.
Keystone

Ist es vielleicht so, dass es an der Front nicht so gut läuft?

Die militärische Lage ist im Moment so, dass Russland versucht, vor allem im Nordosten der Ukraine neue Angriffe zu starten. Eine Feuerpause würde jetzt dieser Strategie widersprechen, denn Russland sieht derzeit offensichtlich ein Zeitfenster, das es auszunutzen gilt, bevor neue Waffen- und Munitionslieferungen aus dem Westen kommen. In diesem Sinne käme eine Feuerpause jetzt zu einem unerwarteten Zeitpunkt.

Würde Kiew auf einen solchen Vorschlag überhaupt eingehen?

Kiew muss natürlich abwägen zwischen der Erschöpfung der eigenen Truppen sowie der prekären Situation bei der eigenen Bewaffnung und Munition auf der einen Seite. Auf der anderen Seite möchte die Ukraine Russland auch nicht Gelegenheit geben, sich während einer solchen Feuerpause aufzumunitionieren. Das sind schwierige Entscheidungen.

Was sind Ihrer Meinung nach Putins Grundbedingungen für einen Frieden?

Krieg in der Ukraine

Seit Ende Februar 2022 tobt in der Ukraine nach der Invasion russischer Truppen ein erbitterter Krieg. blue News informiert dich im Ukraine-Ticker zu den aktuellen Entwicklungen rund um den Konflikt.

Ich denke, die Minimalbedingung wäre die Sicherung der vier annektierten Gebiete Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja. Es ist das, was Putin der eigenen Bevölkerung als einen Sieg verkaufen könnte, aber davon sind wir noch weit entfernt.

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