Sturm auf US-Kapitol Polizisten schildern Brutalität und rassistische Beschimpfungen

SDA/gbi/tgab

27.7.2021 - 18:45

Der Sturm auf das Kapitol gilt als dunkles Kapitel der jüngsten US-Geschichte. Ein parlamentarischer Ausschuss soll die Ereignisse aufklären. Bei der ersten Anhörung haben mehrere Polizisten ihre Erlebnisse geschildert.

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Es sind Szenen, die sich ins kollektive Gedächtnis der USA eingebrannt haben: Ein Mob zog am 6. Januar zum Kapitol in Washington und verschaffte sich gewaltsam Zugang zu dem Parlamentsgebäude. Es folgten tumultartige Szenen: Die Abgeordneten mussten in Sicherheit gebracht werden, Chaoten drangen in ihre Büros ein, posierten für Fotos und randalierten.

Doch es blieb nicht bei Sachbeschädigung: Bei den Unruhen kamen insgesamt fünf Menschen ums Leben, darunter ein Polizist.

Der damalige Präsident Donald Trump musste sich wegen des Angriffs einem Amtsenthebungsverfahren stellen: Er hatte seine Anhänger zuvor in einer Rede aufgestachelt und behauptet, er werde an ihrer Seite zum Kapitol marschieren – was er dann nicht tat. Am Ende des Impeachment-Verfahrens wurde der Republikaner jedoch dank Rückhalt aus seiner Partei freigesprochen.



Die Aufarbeitung der Ereignisse vom 6. Januar ist damit aber noch nicht abgeschlossen. Am heutigen Dienstag nahm ein Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses seine Arbeit auf. Er soll Licht in die Hintergründe des Sturms aufs Kapitol bringen. Bei der ersten Anhörung haben mehrere Polizisten eindringlich ihre Erlebnisse jener brutalen Attacke geschildert.

Schläge, Tritte, Todesangst

Einer der Beamten, Aquilino Gonell, sagte bei der Ausschusssitzung im Repräsentantenhaus, er habe an jenem Januar-Tag gedacht, er würde sterben. Er beschrieb den Gewaltausbruch «wie etwas aus einer mittelalterlichen Schlacht». Die Beamten hätten sich mit ihren Händen Zentimeter für Zentimeter gegen den gewalttätigen Mob verteidigen müssen. Er und seine Kollegen seien geschlagen und getreten, mit Hämmern und Stöcken malträtiert und Chemikalien besprüht worden.

Der Beamte der Kapitol-Polizei Aquilino Gonell während seiner Anhörung vor dem Untersuchungsausschuss: «Für die meisten Leute hat der 6. Januar ein paar Stunden gedauert, aber für diejenigen von uns, die mittendrin waren, hat es nie aufgehört.»
Der Beamte der Kapitol-Polizei Aquilino Gonell während seiner Anhörung vor dem Untersuchungsausschuss: «Für die meisten Leute hat der 6. Januar ein paar Stunden gedauert, aber für diejenigen von uns, die mittendrin waren, hat es nie aufgehört.»
Bild: Keystone/Brendan Smialowski

Der Polizist Michael Fanone sagte bei der Sitzung er sei gepackt, geschlagen, mit einem Elektroschocker malträtiert und gleichzeitig als Verräter beschimpft worden. Er habe in jenem Moment gedacht, die Wahrscheinlichkeit sei gross, «dass ich auseinandergerissen oder mit meiner eigenen Waffe erschossen werde», sagte der Beamte der Hauptstadt-Polizei. «Ich dachte an meine vier Töchter, die ihren Vater verlieren könnten.»

Der schwarze Beamte Harry Dunn von der Kapitol-Polizei beschrieb ebenfalls, wie die Angreifer alle möglichen Waffen – auch Fahnenstangen oder Teile von Metall-Fahrradständern – gegen Polizisten eingesetzt und diese blutig geschlagen hätten. Er selbst sei mehrfach auch mit dem N-Wort beschimpft worden. Nie zuvor sei ihm das in einer Uniform in der Kapitol-Polizei passiert. Mit dem Begriff «N-Wort» wird heute eine früher gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze umschrieben.

Parteipolitische Auseinandersetzungen

Die Einrichtung des Untersuchungsausschusses war Gegenstand heftiger politischer Auseinandersetzungen zwischen Republikanern und Demokraten. Republikaner hatten sich gegen die Einsetzung eines solchen Gremiums gewehrt und argumentiert, es gebe an anderer Stelle genug Aufarbeitung der Attacke. Sie warfen den Demokraten vor, vor allem parteipolitische Motive bei der Untersuchung zu verfolgen.

Im Mai hatten die Republikaner im Senat die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission verhindert. Die Demokraten entschieden daraufhin, aus eigener Kraft ein Gremium im Repräsentantenhaus zu installieren, wo sie die Mehrheit haben.

Wie heftig der Streit ausgefochten wird, zeigt sich am Kräftemessen zwischen der demokratischen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, und dem obersten Republikaner in der Kongresskammer, Kevin McCarthy.

Pelosi verärgerte die Republikaner vor einigen Wochen damit, dass sie Liz Cheney in das Gremium berief. Cheney ist Republikanerin, aber eine ausgewiesene Trump-Kritikerin. Und sie war auf Trumps Druck hin Mitte Mai aus einem Führungsamt in ihrer Fraktion abgewählt worden.

Nancy Pelosi, die Vorsitzende der Demokraten im Parlament, geht auf Konfrontationskurs mit den Republikanern.
Nancy Pelosi, die Vorsitzende der Demokraten im Parlament, geht auf Konfrontationskurs mit den Republikanern.
Bild: Keystone/AP/J. Scott Applewhite

McCarthy reagierte «schockiert» auf den Entscheid, Cheney in den Ausschuss zu holen. Er liess offen, ob sich ausser Cheney überhaupt Mitglieder seiner Fraktion in dem Gremium engagieren würden.

Schliesslich schlug McCarthy in der vergangenen Woche doch fünf republikanische Abgeordnete vor. Pelosi lehnte zwei von ihnen jedoch ab – die Abgeordneten Jim Banks und Jim Jordan. Sie gelten als besonders glühende Trump-Anhänger. Pelosi begründete ihre Entscheidung damit, dass sie die Integrität des Ausschusses in Gefahr sehe. «Die beispiellose Natur des 6. Januar erfordert diese beispiellose Entscheidung», teilte sie mit.

Zwei Republikaner, sieben Demokraten

McCarthy reagierte erneut verärgert, drohte mit einem Boykott des Ausschusses und zog alle fünf Namen seiner Fraktionskollegen zurück. Er warf Pelosi «Machtmissbrauch» und «politische Spielchen» vor. Diese nominierte im Gegenzug einen weiteren republikanischen Trump-Kritiker: den Abgeordneten Adam Kinzinger.



In dem Ausschuss sitzen nun also nur zwei Republikaner und sieben Demokraten. «Vielleicht können die Republikaner nicht mit der Wahrheit umgehen, aber wir haben die Verantwortung, sie zu suchen und zu finden, und zwar auf eine Weise, die das Vertrauen des amerikanischen Volkes aufrechterhält», sagte Pelosi. Kritische Stimmen fürchten aber, dass der Ausschuss in seiner jetzigen Form wenig zur Wahrheitsfindung beitragen dürfte und stattdessen zum Schauplatz politischer Kämpfe verkommen sei.

Biden verteidigt Pelosi

US-Präsident Joe Biden stellte sich hinter Pelosi. Er verfolge das gleiche Ziel wie Pelosi – «nämlich dem Geschehen auf den Grund zu gehen und zu verhindern, dass so etwas in Zukunft passiert», sagte die Sprecherin des Weissen Hauses, Jen Psaki am Montag. «Und er vertraut auf ihre Führung, um genau das zu tun.»

Biden hatte in der vergangenen Woche bei einer Fernseh-Fragerunde mit Bürgern betont, er glaube an die Zusammenarbeit zwischen Republikanern und Demokraten im Kongress.

Auch Ex-Präsident Donald Trump hat sich jüngst zu den Ereignissen vom 6. Januar geäussert – und löste einmal mehr irritierte Reaktionen im Land aus. «Es gab eine Menge Liebe. Das habe ich von allen gehört», sagte Trump in einem Gespräch mit zwei Reportern der «Washington Post».