Starkes Signal an Verbündete – und China Deutschlands Zickzack-Kurs in den Fernen Osten

Von Philipp Dahm

8.8.2021

Zankapfel Südchinesische Meer: Während die Royal Navy gerade mit einem Flugzeugträger Flagge zeigt, entsendet auch Berlin eine Fregatte. Doch Deutschland fährt dabei keine klare Linie – und die Region rüstet auf.

Von Philipp Dahm

Es ist gut fünf Jahre her, dass der Internationale Seegerichtshof in Hamburg sein Urteil gesprochen hat: Nach dem Seerechtsübereinkommen gaben die Richter den Philippinen recht, die gegen die Grenze geklagt haben, die China im Südchinesischen Meer gezogen hat.

Wenn es nach jener Nine-dash line ginge, würden Peking rund 90 Prozent des gesamten Meeres zustehen. Das trifft bei den anderen Anrainern natürlich auf wenig Gegenliebe: Zuletzt ist es deswegen immer wieder zu maritimen Scharmützeln zwischen Chinesen einerseits und Philippinern, Vietnamesen und dem Sultanat Brunei gekommen.

Militärisch ausgebaute Insel in umstrittenem Gebiet: China hat auf dem Fiery Cross Reef eine Landebahn und weitere Anlagen gebaut.
Militärisch ausgebaute Insel in umstrittenem Gebiet: China hat auf dem Fiery Cross Reef eine Landebahn und weitere Anlagen gebaut.
Archivbild: Keystone

Dabei wurde die Nine-dash line 1947 eigentlich von Taiwan lanciert, um eigene Ansprüche zu untermauern – und obwohl Peking die Regierung in Taipeh als fehlgeleitet ansieht, hatte China in diesem Punkt keine Mühe, über die unterschiedlichen Systeme hinwegzusehen. 

Salami-Taktik vs. Marine-Manöver

China setzt in dem Konflikt auf eine Politik der kleinen Schritte: Mit kleineren Aktionen sollen die Gegner zermürbt werden, ohne dass ein heisser Konflikt daraus wird – etwa durch den Einsatz einer zivil anmutenden Fischereiflotte, die die Boote anderer Länder belästigt.

Was der Westen dagegen tut? China in die Parade fahren – im wahrsten Sinne des Wortes. Die US Navy befährt regelmässig das Gebiet, um zu verdeutlichen, dass Washington die Ansprüche nicht anerkennt. Dabei melden sich die Kriegsschiffe nicht, wie China es fordert, an – und fahren extra zickzack, denn das Durchqueren fremden Gebietes muss in einer direkten Linie erfolgen.

Inzwischen beteiligen sich weitere Verbündete an solchen Aktionen. Da wären zum einen Frankreich und Grossbritannien, die ihrerseits ein Atom-U-Boot und einen Flugzeugträger in die Region entsandt haben. Die brandneue HMS Queen Elizabeth und der dazugehörige Verband sind dort gerade erst angekommen.

Berlin entsendet Fregatte

China warnte London prompt, die Volksbefreiungsarmee sei allzeit bereit, falls sich die Briten nicht benähmen. Und während die Royal Navy sich davon kaum beeindrucken lassen wird, ist eine andere Marine, die sich nun ebenfalls in dem Gebiet engagieren will, deutlich kleiner und anfälliger: Die Rede ist von der Bundesmarine aus Deutschland.

Die Entsendung der Fregatte Bayern ist für Berlin eine grosse Sache und kommt einem Kurswechsel gleich: Die Bundeswehr hat sich bei internationalen Konflikten bisher tunlichst zurückgehalten. Wenn deutsche Soldaten im Einsatz gewesen sind, dann nur zusammen mit ihren Verbündeten – so wie im Kosovo, in Afghanistan oder in Mali.

Die Fregatte Bayern mit 232 Soldatinnen und Soldaten läuft am 2. August aus ihrem Heimathafen Wilhelmshaven aus.
Die Fregatte Bayern mit 232 Soldatinnen und Soldaten läuft am 2. August aus ihrem Heimathafen Wilhelmshaven aus.
KEYSTONE

Im September 2020 hat die Bundesregierung die Grundsätze verabschiedet, die die Grundlage für die Bayern-Fahrt bilden: In den Politischen Richtlinien für den Indo-Pazifik betont Berlin die Bedeutung freien Handels und staatlicher Integrität in der Region. Aussenpolitisch soll und will Deutschland mehr Verantwortung übernehmen.

Zeichen setzen – mit einem Besuch in China?

Taiwan hat die Entsendung der Fregatte bereits begrüsst, die im November in Asien erwartet wird. Die Bayern soll Japan besuchen, aber auch in Korea, Vietnam, Singapur und Australien Halt machen. Während keine Manöver mit befreundeten Nationen geplant sind, soll Deutschland gleichwohl auch einen Abstecher nach Shanghai ins Auge fassen.

Der wurde aber noch nicht bestätigt: Laut «Frankfurter Allgemeine Zeitung» will Peking darüber erst entscheiden, wenn feststeht, welche Route die Bayern nimmt. Sprich: Von einem entschiedenen Auftritt wie dem der Amerikaner, Briten, Australier und Japaner ist Deutschland noch einige Seemeilen entfernt.

Die amerikanischen Flugzeugträger USS Nimitz und USS Ronald Reagan am 6. Juli im Südchinesischen Meer.
Die amerikanischen Flugzeugträger USS Nimitz und USS Ronald Reagan am 6. Juli im Südchinesischen Meer.
EPA

Die Bundesmarine scheint mit ihrem Zickzack-Kurs jedoch auf Grund zu laufen: «Kopfschmerzen für Merkel, nachdem Peking nicht auf Berlins Bluff im Südchinesischen Meer hereinfällt», titelt die regimetreue South China Morning Post. Bei einem virtuellen Treffen von Anrainern des Südchinesischen Meers legte Aussenminister Wang Yi gestern nach: «Der grösste Störenfried» in der Region sei Washington, schimpfte er.

Indien schickt Schiffe, Japan stationiert Raketen

Auch in Zukunft dürfte es in den Gewässern vor China kaum ruhiger werden: Indien, das eine Sicherheitskooperation mit Japan, Australien und den USA eingegangen ist, hat gerade verkündet, vier Kriegsschiffe gen Osten zu schicken. Auch Indonesiens Aussenminister versicherte die USA bei einem Besuch in Washington seines Rückhalts.

Und auch Japan stellt sich China immer entschiedener entgegen: Seit Juli wird dort diskutiert, ob eine Attacke auf Taiwan nicht auch einem Angriff auf Japan gleichkäme, das strategisch das nächste logische Ziel Pekings sein müsste – ein Novum in einem Land, das aktive Kriegsführung per Verfassung ausschliesst.

Tokio lässt nun sogar seine äusseren Inseln mit Raketen bestücken: Anti-Schiffs- und Flugabwehr-Flugkörper sollen bis Ende nächsten Jahres auf den Inseln in der Präfektur Okinawa stationiert sein. Aber auch China rüstet auf und modernisiert und erweitert fortlaufend seine Flotte: Die könne Washington die uneingeschränkte Herrschaft der Meere streitig machen, warnt ein aktueller Bericht an den US-Kongress.

Es ist «die erste derartige Herausforderung für die US Navy seit dem Kalten Krieg», hält der Bericht fest.