DeSantis im Umfrage-Tief Trumps grösstem Konkurrenten geht die Luft aus

Von Jan-Niklas Jäger

1.5.2023

US-Wahlkampf: Duell zwischen Trump und Biden deutet sich an

US-Wahlkampf: Duell zwischen Trump und Biden deutet sich an

Mit seiner Bewerbung für eine zweite Amtszeit als US-Präsident hat Joe Biden den Wahlkampf offiziell eingeläutet. Bei den Republikanern hat sich Ex-Präsident Donald Trump in Stellung gebracht.

28.04.2023

Ron DeSantis schien Donald Trump den Rang als Anführer der Republikaner abgelaufen zu haben. Doch ein halbes Jahr nach seinem grossen Erfolg bei den Zwischenwahlen befindet sich der Hoffnungsträger in einer Krise.

Von Jan-Niklas Jäger

1.5.2023

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Floridas Gouverneur Ron DeSantis befindet sich in einem Umfragetief.
  • Nach seinem Triumph bei den Zwischenwahlen im vergangenen November galt DeSantis lange als grösster potenzeller Konkurrent Donald Trumps um die republikanische Präsidentschaftskandidatur.
  • Trump dominiert die jüngsten Umfragen. Das liegt auch an dem gegen ihn laufenden Prozess rund um die Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels.
  • Ron DeSantis' Konflikt mit dem Disney-Konzern könnte über seine politische Zukunft entscheiden.

Es kam einer kleinen Sensation gleich, als Ron DeSantis im November vergangenen Jahres von Fox News und anderen konservativen Medien zum «neuen Anführer der republikanischen Partei» ausgerufen wurde.

Der Gouverneur von Florida hatte gerade einen Erdrutschsieg bei den amerikanischen Zwischenwahlen eingefahren, während die Republikaner im Rest des Landes überwiegend Schlappen einfuhren, obwohl ihnen eine «rote Welle» – also die Übernahme einer Mehrzahl an demokratischen Mandaten – vorhergesagt worden war.

In der Folge überwarf sich Fox News mit dem einstigen Senderliebling Donald Trump. Der fing indes an, gegen den beliebten Gouverneur zu schiessen. Trump hatte DeSantis eindeutig als grössten Konkurrenten um die Präsidentschaftswahl 2024 ausgemacht – auch wenn der seine Absicht zu kandidieren, bis heute nicht offiziell erklärt hat.

Ron DeSantis (r.) mit seiner Frau Casey DeSantis nach einem Treffen mit Japans Premierminister Fumio Kishida in Tokio am 21. April 2023.
Ron DeSantis (r.) mit seiner Frau Casey DeSantis nach einem Treffen mit Japans Premierminister Fumio Kishida in Tokio am 21. April 2023.
Bild: Keystone/EPA/Kimimasa Mayama

DeSantis abgehängt

Doch nun, ein halbes Jahr später, sind DeSantis' Aussichten nicht mehr so rosig. Nachdem er mit Trump in Umfragen lange gleichauf war, geniesst letzterer inzwischen einen komfortablen Vorsprung.

Im neuesten Poll der amerikanischen Statistik-Website «FiveThirtyEight» kommt der ehemalige Präsident auf einen Wert von 51,1 Prozent, DeSantis erreicht mit 23,8 Prozent nicht einmal mehr die Hälfte von Trumps Zahl. Fox News sieht Trump sogar bei 53 und DeSantis bei 21 Prozent. Die «FiveThirtyEight»-Zahlen liefern für DeSantis noch die optimistischsten Werte.

Zwischen November 2022 und Februar 2023 hatte DeSantis Trump sogar immer wieder einmal überholt. Doch von diesem Momentum ist nicht mehr viel übrig geblieben. Und auch Fox News hat sich wieder mit Donald Trump versöhnt.

Trump punktet mit Anklage

Woran mag das liegen? Zum einen hat DeSantis Konkurrenz von anderen Trump-Herausforder*innen bekommen. Im Februar gab Nikki Haley ihre Kandidatur bekannt. Während Trumps Zahlen von Haleys Eintritt in den Wahlkampf unberührt blieben, liefen einige potenzielle DeSantis-Wähler*innen zur ehemaligen Gouverneurin von South Carolina über.

Allerdings hat Haley auf diesem Anfangserfolg nicht aufbauen können. Ihrer Ankündigung folgten einige negative Schlagzeilen. Zuletzt stagnierten ihre Werte im 4-Prozent-Bereich. Auch Ex-Vizepräsident Mike Pence steht nur marginal besser da.

Donald Trump hingegen hat Aufwind – durch ein Ereignis, das bei seinen grössten Gegner*innen für Freude gesorgt hatte: Seit seiner Anklage wegen eines möglichen Verstosses gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung sind seine Werte gestiegen.

Konservative Politiker*innen und Wähler*innen, die Trump bereits den Rücken gekehrt hatten, sahen sich dazu veranlasst, sich gegen die in republikanischen Kreisen als von den Demokraten angetriebene, politisch motivierte Anklage zu stellen und dem ehemaligen Reality-TV-Star den Rücken zu stärken.

Triumph wegen relativ liberaler Abtreibungsgesetze

In der restlichen Bevölkerung könnte der Prozess gegen Trump durchaus abschreckend wirken. Unter konservativen Wähler*innen hingegen hat sie offenbar den gegenteiligen Effekt: Im innerparteilichen Wahlkampf ist sie eine Stütze für Trump – und das Timing hätte kaum besser sein können.

Doch DeSantis hat auch selbst Verantwortung zu übernehmen. So wurde sein Sieg bei den Zwischenwahlen auch auf Floridas damals relativ liberales Abtreibungsrecht zurückgeführt, das Schwangerschaftsabbrüche nach bis zu 15 Wochen erlaubte. Dieses war erst im April 2022 unter DeSantis eingeführt worden und stellte bereits eine Verschärfung des bisherigen Gesetzes dar.

Während Republikaner in anderen Bundesstaaten, die, nachdem der konservativ geführte Oberste Gerichtshof das Grundsatzurteil Roe v. Wade gekippt hatte, strengere Abtreibungsgesetze eingeführt hatten, bei den Wahlen abgestraft wurden, behielt DeSantis die Oberhand.

Ein Republikaner, der ein Grossunternehmen attackiert

Doch nun macht ihm sein eigener Kongress zunehmend einen Strich durch die Rechnung. Mitte April verabschiedete dieser, unter republikanischer Mehrheit, eine weitere Verschärfung des Abtreibungsrechts: Abtreibungen sind nun nur noch sechs Wochen lang legal.

DeSantis stand vor der Wahl, das Gesetz nicht zu unterzeichnen und somit seine Parteikollegen sowie ultrakonservative Wähler*innen zu verärgern – oder mitzuspielen und einen seiner politischen Trümpfe aus der Hand zu geben. Er entschied sich für letzteres.

Besonders kontrovers ist auch der Konflikt, mit dem der Gouverneur in der amerikanischen Presse derzeit am meisten Aufmerksamkeit auf sich zieht: Er hat dem Disney-Konzern offen den Krieg erklärt.

Für einen Republikaner eine äusserst untypische Position: Das grösste Unternehmen des Staates zu attackieren statt zu fördern steht ganz und gar nicht im Geiste der unternehmerfreundlichen Partei. Dementsprechend verwundert sind auch einige von DeSantis' Parteikolleg*innen.

Eine Frage der Meinungsfreiheit?

«Sind wir jetzt etwa so weit, dass, wenn eine Firma eine Meinungsverschiedenheit ausdrückt, sie von der Regierung bestraft wird?», sagte der ehemalige Gouverneur von New Jersey, Chris Christie kürzlich bei einer Veranstaltung. Christie konnte sich 2016 kurz vor dem Aufstieg Donald Trumps selbst gute Chancen auf die republikanische Präsidentschaftskandidatur ausmalen.

Die Fehde zwischen dem Unterhaltungsgiganten und dem Gouverneur hatte begonnen, nachdem die Firma ein umstrittenes Gesetz kritisiert hatte, das den Unterricht von Sexualkunde an Grundschulen stark beschränkt – laut Kritiker*innen solle so verhindert werden, dass Kinder mit Themen wie Homo- oder Transsexualität in Verbindung kommen.

DeSantis reagierte, indem er Disney bis dahin geltende Sonderbefugnisse und Steuervorteile strich – das genaue Gegenteil davon, wie Republikaner für gewöhnlich regieren. Normalerweise sind sie es, die sich überhaupt erst für solche Befugnisse für grosse Konzerne einsetzen.

«Keine Zeit für die wirklichen Probleme»

Kritiker*innen wie Christie argumentieren darum, der Konflikt widerspräche der konservativen Agenda. Schliesslich seien doch die Demokraten die «Partei der Cancel Culture», die in die Meinungsfreiheit von Konzernen sowie Individuen eingreife – und nicht die Republikaner.

Auch Republikaner im Kongress von Florida beginnen, ihren Unmut auszudrücken. DeSantis erhofft sich von ihnen Unterstützung für seinen Kampf. Doch dafür bleiben die eigenen Gesetzesvorhaben der Abgeordneten oftmals auf der Strecke.

«Sie sind frustriert. Es wird keine Zeit für die wirklichen Probleme aufgebracht», sagt etwa der ehemalige Staatssenator Jeff Brandes dem Politmagazin «Politico». Viele würden glauben, es werde Zeit, dass sich der Kongress wieder als Gesetzesorgan auf Augenhöhe mit der Regierung etabliert.

DeSantis macht sich angreifbar

DeSantis' Strategie könnte am Ende jedoch noch aufgehen. Zumindest gibt es derzeit keine stichhaltigen Hinweise darauf, dass es sein Kampf gegen Disney ist, der ihn an Popularität gekostet hat.

Nach einer neuen Umfrage könnte der Gouverneur damit bei republikanischen Wähler*innen sogar punkten. 64 Prozent von ihnen gaben darin an, dass DeSantis in dem Konflikt im Recht sei, während nur 37 Prozent der Ansicht sind, dass er die Firma für die Ausübung ihrer Meinungsfreiheit ungerecht bestrafe.

Je allgemeiner die Frage jedoch formuliert wird, umso mehr nimmt die Unterstützung für einen politischen Kampf eines Politikers gegen eine Firma ab.

Spielt DeSantis Trump in die Hände?

63 Prozent der konservativen Wähler*innen gaben an, sie würden einen Kandidaten, der Gesetze anstrebe, mit denen eine Firma für ihre politischen oder kulturellen Ansichten bestraft wird, weniger unterstützen wollen als einen, der das nicht tut.

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28.04.2023

Ob der Fall DeSantis vs. Disney dem Gouverneur also am Ende nützen oder schaden wird, hängt davon ab, wie die breite Öffentlichkeit seine Massnahmen einschätzt. Die öffentliche Einschätzung darüber, ob er einen ehrwürdigen Kampf führt oder einen irrationalen Kampf zulasten des Wirtschaftstandortes Florida führt, könnte sich positiv wie negativ zementieren.

Gerade ein starker politischer Gegner wie Donald Trump könnte mit dem richtigen Framing dafür sorgen, dass Ron DeSantis plötzlich nicht mehr als der heroische Kulturkämpfer dasteht, als der er sich so gerne inszeniert. Und wenn Trump eines bewiesen hat, dann seine Stärke darin, seine Gegner schlecht dastehen zu lassen.

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