Gespalten wie nie Ein Jahr danach: So hat #MeToo die USA verändert

AFP

4.10.2018

Sie hat Dutzende mächtige Männer zu Fall gebracht und bedroht derzeit die Berufung des Juristen Brett Kavanaugh an das Oberste Gericht der USA: #MeToo hat die USA erschüttert wie kein anderes Land.

Ein Jahr ist es her, dass erste Schauspielerinnen dem Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein sexuelle Belästigung vorwarfen. Seither trauten sich viele Frauen, von Schikanen und Übergriffen zu berichten, über die sie lange geschwiegen hatten. Von den neuen Ermittlungen gegen den portugiesischen Fussballstar Ronaldo wegen mutmasslicher Vergewaltigung über die Verurteilung des ehemaligen US-Fernsehstars Bill Cosby bis zur lebenslangen Haft für den Turnerinnen-Mannschaftsarzt Larry Nassar: Es vergeht fast kein Tag, an dem #MeToo nicht Schlagzeilen macht.

Im Vorfeld der Kongresswahl im November, bei der die US-Demokraten die Mehrheit im Kongress gewinnen wollen, opponieren viele Republikaner gegen die Bewegung. Am Dienstag wurde US-Präsident Donald Trump von Anhängern im US-Bundesstaat Mississippi bejubelt, als er Kavanaughs Anklägerin Christine Blasey Ford nachäffte, was eine Welle der Empörung bei den Demokraten und auch Kritik von moderaten Republikanern auslöste. "Es ist eine sehr beängstigende Zeit für junge Männer in Amerika, wenn du für etwas schuldig bist, was du vielleicht nicht getan hast", sagte Trump.

Der Milliardär und New Yorker Ex-Bürgermeister Michael Bloomberg stellte kürzlich die Frage, ob "alles wahr" sei, während US-Schauspieler Sean Penn #MeToo beschuldigte, "Männer und Frauen zu spalten". Jeanne Zaino ist Professorin für Politikwissenschaft am Iona College in New York und betont: "Es kommt zunehmend Protest von Menschen, die glauben, dass die Bewegung zu weit gegangen ist." Institutionen und Unternehmen müssten Regeln aufstellen, um Missbrauchsvorwürfe zu untersuchen, "ohne Karrieren zu zerstören".

Frauen in den USA bewerten Forschungen zufolge sexuelles Fehlverhalten strenger als Männer - und Demokraten strenger als Republikaner: "Zwanzig Jahre nach dem Monica-Lewinsky-Skandal, der fast zur Amtsenthebung des demokratischen Präsidenten Bill Clinton führte, ist #MeToo meist eine Angelegenheit der Demokraten", erklärt Jean Sinzdak, stellvertretende Direktorin des Centre for Women in Politics an der Rutgers University.

Immer mehr Frauen drängen in die Politik

In einer Wahl in Alabama 2017 unterstützten die Republikaner ihren Kandidaten trotz Vorwürfen, er habe Mädchen im Teenageralter belästigt. Auch bei Kavanaugh scheint es für viele in seinem Lager wichtiger, einen konservativen Richter am Obersten Gericht zu haben, als sein Verhalten als Jugendlicher zu beleuchten.

#MeToo wird zugute gehalten, dass Frauen heute in Rekordzahlen für politische Ämter kandidieren. Viele Demokraten hoffen, dass die Kongresswahl mehr Frauen an die Macht bringt. Doch eine Revolution sieht anders aus: Das bestmögliche Ergebnis wäre eine Frauenquote von 24 Prozent im Kongress - statt der aktuellen 19,3 Prozent - eine Quote, die der vieler Industriestaaten weit hinterher hinkt. "Das ist ein Marathon, kein Sprint," betont Sinzdak. "Wir werden wahrscheinlich einige Zugewinne sehen, aber sicher keine Parität."

Wie lange wird es also dauern, bis eine weibliche US-Präsidentschaftskandidatin besser abschneidet als Hillary Clinton 2016? "Wenn die Dinge so weitergehen, werden wir 2020 die gleiche Dynamik haben und Frauen, die bereit sind, ihren Hut in den Ring zu werfen", glaubt Sinzdak. "Aber bis dahin kann noch alles Mögliche passieren."

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