Katars WM-Botschafter hetzt gegen Schwule Pinkcross: «Bestürzend, verurteilt die FIFA solche Aussagen nicht»

Von Jan-Niklas Jäger

8.11.2022

Katar-Botschafter macht im ZDF unfassbare Aussage

Katar-Botschafter macht im ZDF unfassbare Aussage

«Lass uns über Schwule reden», sagt der katarische WM-Botschafter Khalid Salman – und gibt dann in der Folge Skandalöses von sich. Das Interview wird durch das WM-Organisationskomitee rasch abgebrochen.

08.11.2022

Wegen zahlreicher Menschenrechtsverletzungen fordern viele einen Boykott gegen das WM-Gastgeberland Katar. Die jüngsten Aussagen des WM-Botschafters Khalid Salman bestätigen die Kritiker.

Von Jan-Niklas Jäger

8.11.2022

Ausbeutung und Todesfälle von Arbeiter*innen, homophobe Gesetze, ein international agierendes Spionage-Netzwerk: Katar ist das wahrscheinlich kontroverseste Gastgeberland in der Geschichte der Fussball-Weltmeisterschaft. Nun wurde ein ZDF-Interview mit Khalid Salman, dem offiziellen WM-Botschafter des Landes, abgebrochen, nachdem dieser Homosexualität als «geistigen Schaden» bezeichnet hatte.

Der katarische WM-Botschafter Khalid Salman im Interview mit dem ZDF-Journalisten Jochen Breyer. Als der ehemalige Nationalspieler Homosexualität als «geistigen Schaden» bezeichnet, wird das Interview durch das WM-Komitee abgebrochen. 
Der katarische WM-Botschafter Khalid Salman im Interview mit dem ZDF-Journalisten Jochen Breyer. Als der ehemalige Nationalspieler Homosexualität als «geistigen Schaden» bezeichnet, wird das Interview durch das WM-Komitee abgebrochen. 
Bild: ZDF

«Während der WM werden viele Dinge hier ins Land kommen. Lass uns über Schwule reden», so der Botschafter. «Jeder wird akzeptieren, dass sie hierherkommen. Aber sie werden unsere Regeln akzeptieren müssen.» Zu diesen Regeln gehöre etwa, dass Homosexualität «haram» sei, weswegen er nicht wolle, dass seine Kinder mit Homosexuellen konfrontiert würden.

Kritik auch an ZDF

Nachdem die homophoben Aussagen gefallen waren, brach der Pressesprecher des Organisationskomitees der WM das Gespräch ab, berichtet der Journalist Jochen Breyer, der das Interview für die Doku «Geheimsache Katar» geführt hatte, auf Twitter. 

Die Aussagen Salmans, einem ehemaligen katarischen Nationalspieler, machen die Menschen vielerorts für fassungslos. Unter Breyers Tweet mehren sich die Boykott-Aufrufe, auch das ZDF, das Spiele der WM live übertragen wird, kommt dabei nicht gut weg. «Sorry, aber eure Arbeit ist nicht ernst zu nehmen, solange ihr es dann übertragt und von Werbeeinnahmen profitiert», schreibt eine Nutzerin.

Unternehmen wie Coca-Cola oder Adidas, die sich in ihren Social-Media-Accounts mit Regenbogenflaggen für LGBTQ-Rechte einsetzen und gleichzeitig die WM sponsern, sehen sich ebenfalls mit Vorwürfen der Scheinheiligkeit konfrontiert. 

Pinkcross: FIFA soll «Farbe bekennen»

Roman Heggli, Geschäftsleiter von Pinkcross, dem Dachverband schwuler und bisexueller Männer in der Schweiz, zeigt sich im Gespräch mit blue News empört: «Ich finde es haarsträubend und bestürzend, dass ein offizieller WM-Botschafter solche Aussagen tätigt und die FIFA diese nicht einmal verurteilt», so Heggli, der vom Weltfussballverband fordert, «Verantwortung wahrzunehmen» und «Farbe zu bekennen».

In Anspielung auf Aussagen des FIFA-Präsidenten Gianni Infantino, der jüngst sagte, man solle es nicht zulassen, «dass der Fussball in jeden politischen und ideologischen Kampf gezogen» würde, sagt Heggli: «Die FIFA verniedlicht das als ‹nur politische Differenzen›.»

Es gehe aber um viel mehr, nämlich «um die Leben von LGBT-Personen, und diese sind in Gefahr». Pinkcross veranstaltete am Dienstagmittag eine Demonstration vor dem FIFA-Museum in Zürich unter den Mottos «Let’s kick away the hate» und «Score a goal for love and equality».

Nati: Aussagen «inakzeptabel und despektierlich»

Der Schweizerische Fussballverband bezeichnete Salmans Aussagen bei «20 Minuten» als «inakzeptabel, unwürdig und despektierlich». So werde der Kapitän der Nati «an der WM die One-Love-Captainbinde tragen, als Symbol dafür, dass gleiche Rechte für alle Menschen gelten.»

Katars Aussenminister Al Thani wirft dem Westen und speziell Deutschland hingegen eine Doppelmoral vor. Auf Forderungen der deutschen Innenministerin Nancy Faeser nach Sicherheitsgarantien für die LGBTQ-Community reagierte er irritiert.

Katar kritisiert deutsche «Doppelmoral»

So seien Faesers Aussagen «überhaupt nicht notwendig gewesen», schliesslich habe man «immer wieder von höchster Stelle wiederholt, dass jeder willkommen ist und niemand diskriminiert wird», so Thani in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung».

Weiter kritisierte der Aussenminister die Bereitschaft Berlins, bei Energiepartnerschaften oder der Rettung deutscher Staatsbürger aus Afghanistan zusammenzuarbeiten: «Wenn wir eine Fussballweltmeisterschaft ausrichten, diesen Moment geniessen und zusammen mit der deutschen Mannschaft feiern wollen, dann gelten auf einmal andere Massstäbe.»