«Kommission ist von keinem Nutzen» Ex-Sonderermittlerin Carla del Ponte wirft UNO Versagen vor

tsch

9.5.2018

Carla del Ponte versuchte, syrische Kriegsverbrecher vor Gericht zu stellen. Doch sie fühlte sich bald von der UNO im Stich gelassen.
Carla del Ponte versuchte, syrische Kriegsverbrecher vor Gericht zu stellen. Doch sie fühlte sich bald von der UNO im Stich gelassen.
Keystone

Im August 2017 sorgte Carla del Ponte für Aufsehen, als sie die Syrien-kommission der UNO verliess. Nun erhebt die Tessinerin schwere Vorwürfe gegen die internationale Gemeinschaft.

Sie sehe «keinen politischen Willen» der Vereinten Nationen, die Kriegsverbrecher von Syrien zur Rechenschaft zu ziehen, erklärte Carla del Ponte, als sie im Spätsommer 2017 ihr Amt als UNO-Sonderermittlerin niederlegte. Ein Vorwurf, den die 71-Jährige nun in ihrem Buch «Im Namen der Opfer» erhärtet.

Tausende Interviews geführt habe sie im Auftrag der UNO geführt, mit dem Ziel, die vor Gericht zu bringen, die in Syrien grausam foltern und morden. «Aber nichts geschah», klagt del Ponte in einem Radiointerview mit SRF. Zu viele verschiedene politische Interessen innerhalb der internationalen Gemeinschaft würden die Arbeit der Syrien-Kommission blockieren: «Wir konnten dokumentieren, aber nicht mehr», erklärt die enttäuschte Strafverfolgerin. «Diese Kommission ist von keinem Nutzen mehr, eine reine Alibiübung».

«In Syrien gibt es keine Guten und Bösen mehr»

Und das sei auch den Tätern in Syrien bewusst: Es herrsche totale Straffreiheit in dem Bürgerkriegsland, «die Zivilisten werden getötet, als wenn nichts wäre.» Eine solche Grausamkeit habe sie nicht einmal im Jugoslawien-Konflikt oder während des Völkermords in Ruanda erlebt, beklagt Del Ponto, die von 1999 bis 2007 als Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes tätig war. «In Syrien gibt es keine Guten und Bösen mehr. Verbrechen werden von allen Seiten begangen. Alle sind böse.»

Dass sie um die Taten und vielfach auch um die Täter weiss, aber nichts tun kann, sei «zu frustrierend», begründet Del Ponte ihre Amtsniederlegung: «Wenn man mich nichts machen lässt, gehe ich lieber weg. Golf spielen. Ich habe in fünf Jahren alles versucht und nichts erreicht.»

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