Manipulationsversuche Facebooks wiederkehrendes Problem: Hilfe beim Verderben von Wahlen

Ryan Nakashima und Anick Jesdanun, AP

19.3.2018

Facebook hat die Datenanalyse-Firma, die eine wichtige Rolle beim Wahlsieg von US-Präsident Trump nachgesagt wird, ausgesperrt. 
Facebook hat die Datenanalyse-Firma, die eine wichtige Rolle beim Wahlsieg von US-Präsident Trump nachgesagt wird, ausgesperrt. 
Bild: Matt Rourke/AP/dpa

Eine vom Wahlkampfteam von US-Präsident Trump angeheuerte Firma soll die Facebook-Profile von mehr als 50 Millionen Nutzern angezapft haben. Nach Fake News und russischen Manipulationsversuchen bei der US-Wahl steht das Soziale Netzwerk damit erneut massiv in der Kritik.

Facebook hat ein Problem und wird es einfach nicht los: Immer wieder nutzen Leute das soziale Netzwerk so aus, dass sie Wahlen beeinflussen und sogar die Demokratie untergraben können.

Die vom Wahlkampfteam des späteren US-Präsidenten Donald Trump angeheuerte Datenanalysefirma Cambridge Analytica hat laut Berichten der «New York Times» und des britischen «Guardian» vom Samstag die Facebook-Profile von mehr als 50 Millionen Nutzern ohne deren Genehmigung angezapft. Damit habe sie die privaten Social-Media-Aktivitäten eines Teils der Wählerschaft ausgenutzt, berichteten die Zeitungen.

Es ist bereits der dritte derartige Fall für Facebook in rund einem Jahr. Das Unternehmen hatte erst im September einräumen müssen, dass in den Monaten vor und nach der US-Wahl etwa 3000 Anzeigen mit polarisierenden Inhalten geschaltet worden seien. Die Auftraggeber sässen vermutlich in Russland. Und davor waren es Verbreiter von Fake News, die mit falschen Geschichten versuchten, die Stimmung in bestimmten Gruppen für ihre Zwecke aufzuheizen.

Risiken und Aumass heruntergespielt

In allen drei Fällen spielte Facebook die mutmasslichen Risiken zunächst herunter. Um Fake News und die russische Beeinflussung kümmerte das Unternehmen sich erst, als sich die Kritik von Nutzern, Experten und der Politik nicht legte. Jeder Fall machte zudem die widerstrebenden Interessen von Facebook deutlich: Zum einen muss das Netzwerk seine Nutzer beschützen, zum anderen braucht es deren Daten für seine höchst lukrative, zielgerichtete Werbung.

Am späten Freitagabend teilte Facebook mit, man habe Cambridge Analytica mittlerweile vom Datenfluss abgeschnitten. Das Unternehmen habe zu Unrecht die Informationen von 270 000 Menschen erhalten, die eine als Persönlichkeitstest deklarierte App innerhalb von Facebook heruntergeladen hätten. Facebook hatte von dem Bruch der Privatsphäre bereits vor zwei Jahren erfahren, ging aber erst jetzt an die Öffentlichkeit.

Mit dieser Aussage spielt Facebook aber wohl erneut das Ausmass herunter, wie Christopher Wylie sagt. Der ehemalige Cambridge-Angestellte, der den beiden Zeitungen als Zeuge diente, erklärte, man habe Daten von rund 50 Millionen Profilen abgreifen können - und zwar über die unwissenden Facebook-Freunde der Personen, die die App heruntergeladen hatten.

Wylie erklärte, Cambridge habe mit den Daten detaillierte Profile erstellt, mit denen einzelne Wähler identifiziert und angesprochen wurden, um sie mit personalisierten politischen Botschaften zu einer Meinungsänderung zu bringen. «Das war ein grob unethisches Experiment», sagte er. «Du spielst mit einem ganzen Land. Mit der Psychologie eines gesamten Landes, ohne dass es zugestimmt hätte oder sich dessen bewusst ist.»

«Ein abstossender Missbrauch der Privatsphäre»

Cambridge Analytica hat jegliches Fehlverhalten zurückgewiesen und bezeichnete Wylie als verärgerten Ex-Mitarbeiter. Man sei zwar mit einer Verletzung der Facebook-Regel an die Daten gelangt, doch dafür sei ein Mittelsmann verantwortlich gewesen. Man habe die Daten niemals verwendet und komplett gelöscht, als man von dem Verstoss erfahren habe. Wylie widerspricht dieser Aussage jedoch, und Facebook hat eine Untersuchung dazu eingeleitet.

Jonathan Albright, Forschungsdirektor für Digitalen Journalismus an der Columbia University, sagt, Facebook müsse die gleiche Transparenz herstellen, die es auch seinen Nutzern abverlangt, wenn diese ihre Gewohnheiten und Vorlieben über Likes und Dislikes zeigten. Es grenze jedoch an Nachlässigkeit, wie Facebook immer wieder Informationen zurückhalte.

Der Cambridge-Fall machte auch die Schlupflöcher in den Privatsphären-Versprechen von Facebook an seine Nutzer deutlich - besonders bei Apps von Drittanbietern. Dabei gibt es offensichtlich keinen technischen Weg, solche Versprechen von App-Entwicklern nachzuprüfen. Letztlich ist der Anwender auf sich selbst gestellt, ob er solchen Angeboten traut oder nicht. Die Massnahmen, die Facebook nun angekündigt hat, reagieren nur auf die Vorfälle. Ansätze, diese künftig so oder in anderer Form zu verhindern, gibt es nicht.

Am Samstag betonte das Unternehmen, die Datensammlung von Cambridge sei keine Verletzung der Privatsphäre gewesen, weil jeder ja seine Zustimmung gegeben habe, seine Daten mitzuteilen. Die App sei den bestehenden Privatsphäreregeln gefolgt, kein System wurde infiltriert, niemand habe Passwörter gestohlen oder sensible Informationen ohne Zustimmung erlangt. Der einzige Verstoss aus Sicht von Facebook war es, dass die Daten für Forschungszwecke an eine dritte Partei, in diesem Fall Cambridge, gegangen seien.

Experten sagen jedoch, dieses Argument ergebe nur Sinn, wenn jeder Nutzer die verworrenen Privatsphären-Einstellungen von Facebook komplett verstehe, die in der Grundeinstellung oft auf maximalem Datenaustausch stehen. «Das ist ein abstossender Missbrauch der Privatsphäre», sagt Larry Ponemon, Gründer des Ponemon-Instituts, das zum Thema Privatsphäre forscht. «Generell sind die meisten dieser Privatsphären-Einstellungen oberflächlich. Die Firmen müssen einfach mehr tun, damit sie ihre eigenen Verpflichtungen auch einhalten.»

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