Im Prozess gegen den in der Türkei wegen Terrorvorwürfen angeklagten deutschen Menschenrechtler Peter Steudtner hat die Staatsanwaltschaft am Mittwoch Freispruch gefordert. Grund sei ein Mangel an Beweisen.
Steudtner war zur Verhandlung nicht angereist. Ein Urteil fiel noch nicht. Der nächste Gerichtstermin ist für den 19. Februar angesetzt.
Die Anklage schlug auch einen Freispruch für Steudtners schwedischen Kollegen Ali Gharavi und drei weitere der insgesamt elf Angeklagten vor. Fünf Angeklagte sollen aus Sicht des Staatsanwalts für Terrorunterstützung verurteilt werden.
Strafe für AI-Vorsitzenden gefordert
Für den im selben Verfahren angeklagten Ehrenvorsitzenden der Menschenrechtsorganisation Amnesty International in der Türkei, Taner Kilic, forderte er allerdings eine Strafe wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation.
Steudtner sagte, er sei «genervt und entsetzt über das Ergebnis des heutigen Verhandlungstages». Wieso es die unterschiedlichen Strafforderungen gebe, sei ihm unverständlich. Das Plädoyer des Staatsanwalts sei fast eine «Kopie der ursprünglichen Anklageschrift» und damit ein «juristisches Unding».
Entlastende Beweise, die zum Teil auf Polizeiermittlungen beruhten, seien nicht berücksichtigt worden. Steudtner sagte, er könne sich vorstellen, dass der für ihn vorgeschlagene Freispruch auch mit wirtschaftlichen und politischen Erwägungen der türkischen Regierung zu tun habe.
Auch ein Amnesty-Vertreter, Andrew Gardner, reagierte mit scharfer Kritik. «Selbst für die sehr niedrigen Standards von Prozessen, die in solchen Fällen stattfinden, war das ein wirklich unerwartetes und wirklich schlechtes Ergebnis heute», sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Bestimmte Anschuldigungen hätten sich bereits als falsch herausgestellt, das habe der Staatsanwalt in seiner Stellungnahme aber nicht anerkannt. «Es ist, als ob die letzten beiden Jahre Prozess nie stattgefunden hätten.»
«Terrorunterstützung»
Allen Beschuldigten wurde Mitgliedschaft in einer Terrororganisation beziehungsweise Terrorunterstützung vorgeworfen. Darauf stehen bis zu 15 Jahre Haft. Steudtner hatte mehr als 100 Tage in türkischer U-Haft gesessen, bevor er zu Prozessbeginn im Oktober 2017 ausreisen durfte.
Der Fall sowie einige weitere Haftfälle mit «politischer Begründung» hatten ab 2017 die türkisch-deutschen Beziehungen schwer belastet. Zwischenzeitlich hatte sich nach der Freilassung prominenter Betroffener das Verhältnis etwas entspannt. Zuletzt war die Zahl der Deutschen im Konflikt mit der türkischen Justiz aber wieder gestiegen.
Nach offiziellen Angaben von vergangener Woche sitzen derzeit 60 Deutsche in türkischer Haft. Noch im Februar lag die Zahl bei 47. Das Aussenministerium in Berlin erhebt allerdings nicht mehr öffentlich, wie viele Fälle «politisch» sind – bei denen es also etwa um Terrorvorwürfe oder Präsidentenbeleidigung geht.
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