Vor Trump-Entscheidung Iran schwankt vor Trump-Entscheidung zwischen Angst und Resignation

Mohammad Nasiri und Amir Vahdat, AP

8.5.2018

Nach dem Atomabkommen 2015 keimte im Iran die Hoffnung, in Teheran jubelten die Menschen auf den Strassen. Nun könnten die USA den Ausstieg aus dem Abkommen verkünden. Doch die Begeisterung ist hier schon lange der Ernüchterung gewichen.

Kurz vor Bekanntgabe des Entschlusses von US-Präsident Donald Trump zum Atomabkommen mit dem Iran herrscht auf den Strassen von Teheran gedrückte Stimmung. Wo früher die Wechselkurse des iranischen Rial zum US-Dollar angeschlagen waren, gähnen heute leere Fenster: Die Schwarzmarktkurse sind auf 70'000 Rial für einen Dollar geschnellt – der von der Regierung verordnete Kurs liegt bei 42000 Rial. Geschäftige Einkaufsviertel, in denen junge Paare einst Kühlschränke und andere Haushaltsgeräte kauften, stehen weitgehend leer, weil viele ihr Geld sparen. Manche denken sogar laut ans Auswandern.

«Wir alle denken über die unsichere Zukunft nach», sagt der 27-jährige Mohammad Chaleghi, Verkäufer von Haushaltsgeräten auf der Amin-Hosur-Strasse in Teheran. «Alle haben Angst vor der Zukunft – sogar ich. Ich weiss nicht, was passieren wird, ob ich in diesem Geschäft überlebe oder nicht. Diese Situation geht uns alle an.»

2015 wurde auf dem Strassen gejubelt

Was für ein Kontrast zu den jubelnden Menschen, die 2015 auf den Strassen das Atomabkommen mit den Grossmächten feierten. Damals keimte die Hoffnung, dass der Iran seinen Paria-Status im Westen langsam verliert, der von der Islamischen Revolution 1979 und der Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran zementiert wurde. Andere lobten Präsident Hassan Ruhani und weitere gemässigte Politiker im Iran für die Aufhebung der lähmenden Wirtschaftssanktionen, die wegen des umstrittenen iranischen Atomprogramms verhängt worden waren.

Heute sehen nur noch wenige einen Nutzen des Atomdeals: «Wir spüren keine besonderen Auswirkungen auf unsere Wirtschaft oder unser Leben», sagt die 25-jährige Architektin Schadi Gholami. «Es ist, als gäbe es so ein Abkommen gar nicht.» Zwar bot das Abkommen dem Iran die Möglichkeit, Rohöl und Erdgas auf dem internationalen Markt zu verkaufen, doch half es nicht bei der Bekämpfung der hohen Arbeitslosigkeit, vor allem unter den Jugendlichen der 80-Millionen-Einwohner-Nation. Die Banken sind noch immer mit umfangreichen, notleidenden Krediten aus der Zeit der Sanktionen belastet.

Auch ist die Korruption im Beamtenapparat noch immer weit verbreitet. «Unsere wirtschaftlichen Probleme haben nichts mit dem Atomdeal oder mit Trump zu tun, unser Problem ist, dass unsere Beamten nur an ihre eigene Tasche denken», sagt die 33-jährige Verkaufsleiterin Ladan Schiri. «Wenn sie wirklich an die Leute dächten und nicht nur an ihren eigenen Profit, hätte unser Volk nicht die Probleme, die es heute hat.»

So denkt auch der 33-jährige Industrie-Ingenieur Ali Forusi: «Es ist nicht schön, nur andere wie Amerika und Trump für unsere Probleme verantwortlich zu machen. Ich glaube, dass die Wurzel dafür im Land selbst liegt», betont er. «Wenn wir intern stark genug sind, kann uns niemand etwas anhaben, doch leider sind unsere Probleme systemimmanent. Dazu gehört mangelnde Koordinierung zwischen der Regierung und anderen Organen sowie innerhalb der Bevölkerung selbst.»

Trump sorgt für Empörung

Auch ohne seine Kritik am Atomdeal sorgt Trump im Iran für Empörung. Obwohl viele Iraner in den USA leben, schloss der US-Präsident die islamische Republik in seine Reiseverbote ein und stoppte damit Visa für Verwandtenbesuche in den USA. Viele Iraner kritisierten auch, dass Trump den Persischen Golf «Arabischen Golf» nannte.

Dies alles war Wasser auf den Mühlen der Hardliner in der iranischen Regierung, die die USA als «Grossen Satan» der postrevolutionären Jahre sehen. «Wenn Trump aus dem Deal aussteigt, wird das der Welt und unserem Volk sehr gut zeigen, wie illoyal sich Amerika bei seinen Verträgen verhält, und die Wahrheit wird ans Licht kommen», sagt Forusi. «Es führt vielleicht sogar zu einem besseren Bild von uns, weil wir uns an unsere Versprechen gehalten haben.»

Nach Ansicht des 58-jährigen schiitischen Geistlichen Sejed Resa Musawi hat der Deal «Supermächte entwaffnet» und die Stärke des Iran gezeigt. «Wir haben keine Angst vor Trumps Entscheidung und werden ihm ohne Zögern die Stirn bieten. Auch wenn er aus dem Deal aussteigt, wird uns das nicht schaden. Wir haben unseren Weg gewählt und ein Rückzug wird den USA weh tun, nicht uns», glaubt er.

Viele Iraner wollen ins Ausland

Vor allem gegenüber Nordkorea könnte ein möglicher Ausstieg aus dem Atomabkommen den USA schaden, glaubt der 52-jährige Firmenchef eines Pharma- und Kosmetikunternehmens, Aliresa Jarmohammadi. Denn Nordkoreas Führer Kim Jong Un könnte Trump bei geplanten Gesprächen der beiden Staatschefs nicht mehr ernst nehmen: «Es wird nicht sehr einfach sein für Amerika, aus dem Deal auszusteigen, denn in diesem Fall wird Nordkorea keine Gespräche mit ihm führen», sagt Jarmohammadi. «Sie werden keine Einigung erzielen mit einem Land, das sich hinsichtlich eines anderen Abkommens illoyal zeigt, das nur zwei Jahre alt ist. Abgesehen davon könnte auch der nächste US-Präsident kommen und sagen, dass er ein zuvor getroffenes Abkommen nicht akzeptiert.»

In den eigenen vier Wänden sprechen immer mehr Iraner darüber, ihr Glück im Ausland zu suchen. Manche haben Verbindungen nach Westeuropa, Wohlhabende reisen visumfrei nach Armenien, Georgien und Serbien, um dort eine Staatsbürgerschaft zu kaufen. «Oft denke ich, für ein besseres Leben muss ich aus dem Iran auswandern», sagt die Architektin Gholami. «Dieser Gedanke begleitet mich immer. Ich wünschte, es gäbe einen Ort, wo ich in Frieden mit Freunden und Familie leben könnte. Aber manchmal werden die Dinge so bitter, dass wir keine Wahl haben.»

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