Krise in OsteuropaKiew setzt auf Beschwichtigungssignale an das Volk
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26.1.2022
Ukraine-Konflikt: EU und USA schliessen die Reihen
Im Ukraine-Konflikt ist keine Entspannung in Sicht: Während die Nato auf den russischen Aufmarsch an der Grenze zur Ukraine ihrerseits mit Truppenverstärkungen reagiert, betonen die USA und die EU ihre Einigkeit und fordern Zugeständnisse von Mosk
25.01.2022
«Alles unter Kontrolle», «keine Sorge»: Die ukrainische Führung spielt die Möglichkeit einer russischen Invasion herunter. Doch gänzlich Entwarnung geben will der Verteidigungsminister dann doch nicht.
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26.01.2022, 06:36
26.01.2022, 08:21
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Inmitten der Sorge vor einem russischen Einmarsch setzt die ukrainische Führung auf Beschwichtigungssignale an das Volk – und Vorbereitungen für den möglichen Ernstfall. Verteidigungsminister Oleksi Resnikow betonte am Dienstag im Parlament in Kiew, dass es derzeit «keinen Anhaltspunkt» für eine unmittelbar bevorstehende Invasion gebe. Die russischen Truppen hätten keinen Gefechtsverband gebildet, der die Grenze durchbrechen könnte. «Macht euch keine Sorgen, schlaft gut», ergänzte Resnikow. Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte in einer Fernsehansprache, «wir sind stark genug, um alles unter Kontrolle zu behalten».
Zugleich räumte Verteidigungsminister Resnikow in einem am Montagabend verbreiteten Interview ein, dass es «gefährliche Szenarien» gebe, die «in der Zukunft möglich und wahrscheinlich» sein könnten.
Am Dienstag traf in der Ukraine Militärausrüstung und Munition aus den USA ein, die im Rahmen neuer Sicherheitshilfen im Umfang von 200 Millionen Dollar vereinbart wurden, wie die stellvertretende Verteidigungsministerin Hanna Maliar sagte.
Den russischen Truppenaufmarsch von schätzungsweise 100'000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine sieht der Westen als Vorbereitung einer möglichen Invasion. Moskau bestreitet dies und bezeichnet den Vorwurf als Vorwand für eigene Provokationen der Nato. Kremlsprecher Dmitri Peskow hielt den USA am Dienstag abermals vor, rund um die Ukraine «Spannungen zu schüren».
Russland verlangt vom Westen die Zusage, dass die Nato niemals die Ukraine aufnimmt. Auch andere Aktivitäten solle die Militärallianz einschränken, etwa die Stationierung von Truppen im früheren Einflussbereich der Sowjetunion. Einige Forderungen Moskaus wie eine dauerhafte Absage an eine ukrainische Nato-Mitgliedschaft lehnt das Bündnis ab. Viele Beobachter befürchten, dass die festgefahrene Situation in einen Krieg münden könnte.
Die Nato kündigte eine verstärkte Abschreckungspräsenz in der Ostsee-Region an, die USA versetzten rund 8500 Soldaten in erhöhte Bereitschaft. Diese könnten als Teil der «Nato Response Force» notfalls nach Europa verlegt werden, hiess es aus Washington. US-Präsident Joe Biden sagte, die USA hätten nicht vor, Soldaten in der Ukraine zu stationieren. Wenn Russland zur Invasion übergehe, werde es für den russischen Präsidenten Wladimir Putin ernste wirtschaftliche Konsequenzen geben. Dazu gehörten Sanktionen gegen die Person, sagte Biden.
Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz rief bei einem Treffen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Berlin zu einer Deeskalation auf. «Wenn es eine Aggression gibt, wird es Vergeltung geben und die Kosten werden sehr hoch sein», sagte Macron. Er kündigte an, am Freitag mit Putin zu telefonieren.
Aus Sicht von Experten muss die Regierung in Kiew den Balanceakt vollführen, für Ruhe in der Bevölkerung zu sorgen, aber zugleich ausreichende westliche Unterstützung zu sichern, falls es doch zu einer Invasion kommen sollte.
Den ukrainischen Behörden gehe es darum, Destabilisierung und Panik im Land zu verhindern, sagte der Politologe Wolodymyr Fessenko. Daher rührten die Beschwichtigungen, dass es keine akute Bedrohung gebe. Zugleich sei es Teil der Kremlpläne, Hysterie und Furcht unter den Menschen zu schüren. «Die Behörden in Kiew haben immer mehr Mühe, diesen Schneeball einzufangen», erklärte Fessenko.