Parteitag in China Von «Vater Xi» zum «Hefekloss»

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15.10.2022 - 18:46

Chinas Präsident Xi Jinping will auf dem Parteitag am Sonntag seine Macht ausbauen.
Chinas Präsident Xi Jinping will auf dem Parteitag am Sonntag seine Macht ausbauen.
Sergei Bobylev/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

Die Null-Covid-Strategie hält China im Würgegriff. Auf dem nur alle fünf Jahre stattfindenden Kongress der Kommunistischen Partei will Xi Jinping seine Macht ausbauen – und knüpft damit an Mao Tsetung an. Doch seine Popularität schwindet. Rutscht China weiter in die Krise?

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Xi Jinping wird als «Vorsitzender von allem», als «Mao 2.0» oder «Der mächtigste Mann der Welt» beschrieben. Auf dem am Sonntag in Peking beginnenden Kongress der Kommunistischen Partei Chinas will sich der Staats- und Parteichef für eine historische dritte Amtszeit bestätigen lassen. Es wird eine «Krönungszeremonie», wie Experten kommentieren.

Indem sich der 69-Jährige über bisher respektierte Altersgrenzen hinwegsetzt, demonstriert Xi Jinping seine Macht, die sich nur mit der Stärke des «grossen Steuermanns» Mao Tsetung vergleichen lässt. Der Staatsgründer brachte Chaos über das Land, wollte seine Führung aber bis ans Lebensende nicht hergeben.

«Ich habe die Nase voll von Xi Jinping»

Nach zehn Jahren fällt die Bilanz von Xi Jinping misslich aus. Innenpolitisch hat der Parteichef seine politische Dominanz ausgebaut und einen Personenkult entwickelt, was als Rückschritt in die Mao-Ära kritisiert wird. Die Zentralisierung der Macht lässt jede Diskussion über andere Wege der Politik als Kritik an Xi Jinping erscheinen. Niemand traut sich noch, ein offenes Wort zu pflegen oder Widerspruch zu erheben. Wo der Parteichef aber jede Entscheidung selbst fällt, wird auch jedes Problem ihm persönlich angelastet.

«Ich habe die Nase voll von Xi Jinping», klagt denn auch eine 70-Jährige, die es leid ist, alle 72 Stunden zum PCR-Test gehen zu müssen, wenn sie im Supermarkt einkaufen oder mit der U-Bahn fahren will. Die fanatische Kontrolle der Null-Covid-Politik erinnert viele an kulturrevolutionäre Kampagnen. Xi Jinpings Popularität hat schwer gelitten: Vom gütigen «Vater Xi» (Xi Dada) zum «Hefekloss» (Baozi), wie der Parteichef heute in sozialen Medien respektlos genannt wird.

Xi Jinping: Nur noch Mao kann ihm das Wasser reichen

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Nach zehn Jahren im Amt hat Chinas Staatschef Xi Jinping eine Stellung erreicht wie vor ihm nur Mao Zedong. Bei dem anstehenden Parteitag am Sonntag will er sich eine dritte Amtszeit sichern. Kritik an seiner Amtsführung hat im Keim erstickt.

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China hält an Null-Covid-Strategie fest

Trotz massiver Sicherheitsvorkehrungen demonstrierte eine seltene Protestaktion am Donnerstag in Peking die Spannungen. Dabei wurde sogar zum Sturz von «Diktator Xi Jinping» aufgerufen. Ein Banner hing an einer Brücke: «Wir wollen Nahrung, keine Covid-Tests. Wir wollen Freiheit, keine Lockdowns.» Auch hiess es in roten Schriftzeichen: «Wir brauchen Reform, keine Kulturrevolution» und «Wir wollen eine Stimme, keinen Führer.» Mindestens eine Person wurde abgeführt.

Während der Rest der Welt versucht, mit dem Virus zu leben, hält China am Null-Toleranz-Ziel fest. Zu Recht befürchtet die Regierung eine Überlastung des Gesundheitssystems, treibt aber Impfungen nur unzureichend voran. Viele Ältere sind ungeimpft. Es fehlt an natürlicher Immunität, weil wenige der Krankheit ausgesetzt waren. Und Chinas Impfstoffe haben keinen guten Ruf. Null-Covid erscheint spiegelbildlich für die Abkehr von Reform und Öffnung: Das Land hat sich abgeschottet, erlaubt nicht einmal den Import ausländischer Impfstoffe. Wir kommen schon alleine klar, lautet die Botschaft.

Rund 30 Millionen Menschen sind ganz oder teilweise im Lockdown, während die knapp 2300 Delegierten in der Grossen Halle des Volkes in Peking zusammenkommen. Ausgangssperren, Kontaktverfolgung, Quarantäne und andere Beschränkungen sorgen nicht nur für Unmut im Volk, sondern belasten auch die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt. Hinzu kommen die Immobilienkrise, schwache heimische Nachfrage und Überschuldung.

«Chinas soziale und wirtschaftliche Lage ist düster»

Xi Jinpings ideologiegetriebenen Eingriffe bremsen einst boomende Tech-Riesen wie Alibaba und Tencent. Das Wachstumsmodell mit staatlichen Investitionen ist überholt. Aber in der Krise werden staatliche Konjunkturspritzen überlebenswichtig. Das Wachstumsziel der Regierung für dieses Jahr von 5,5 Prozent wird weit verfehlt. Gerade einmal 3,5 Prozent könnten es werden. «Chinas soziale und wirtschaftliche Lage ist düster», stellt das China-Institut Merics in Berlin fest. «Der Krisenmodus ist zur Normalität geworden.»

Fast jeder fünfte junge Chinese zwischen 16 und 24 Jahren ist arbeitslos. Dabei verfolgt Xi Jinping auf dem Parteitag sein Motto «Gemeinsamer Wohlstand»: Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit und Einkommensungleichheit – und alle sonstigen Übel ungebremsten Wachstums. «Obwohl Millionen Menschen im Lockdown sind und sich die sozioökonomischen Herausforderungen häufen, will der Parteitag eine siegesgewisse Botschaft senden», sagt Merics-Experte Nis Grünberg.

Vorspiel für die Neubesetzung der Regierung

Ausser im Posten des Generalsekretärs mit Xi Jiping wird der einwöchige, nur alle fünf Jahre stattfindende Parteitag einen Personalwechsel in der Führungsspitze vollziehen. Es ist ein Vorspiel für die Neubesetzung der Regierung im März auf dem Volkskongress, wenn Premier Li Keqiang abtreten wird. Das 400 Sitze zählende Zentralkomitee wird neu bestimmt. Rund 10 der 25 Mitglieder im mächtigen Politbüro dürften aus Altersgründen ausscheiden – zwei im siebenköpfigen Ständigen Ausschuss, dem obersten Machtorgan.

Als Zeichen, dass gerade jetzt absolute Loyalität gefordert ist, hat Xi Jinping kurz vor dem Parteitag demonstrativ illoyale Führer des Sicherheitsapparats lebenslang in Haft bringen lassen. In einem System, das auf Beziehungen (Guanxi), gegenseitigen Gefälligkeiten bis hin zur Bestechung basiert, fällt es ihm leicht, den Kampf gegen Korruption dafür zu nutzen, sich seiner Gegner zu entledigen.

Dissidenten oder Bürgerrechtsanwälte hat Xi Jinping längst hinter Gitter und zum Schweigen gebracht. Selbst die kleinen Spielräume, die seine Vorgänger für Meinungsäusserung noch erlaubt hatten, sind geschlossen worden. Minderheiten wie Tibeter oder Uiguren werden unterdrückt, wie jüngst selbst das UN-Menschenrechtskommissariat beklagte. Das Aufbegehren demokratischer Kräfte in Hongkong wurde niedergeschlagen, das asiatische Wirtschaftszentrum politisch der Volksrepublik untergeordnet: «Ein Land, ein System.»

Auch aussenpolitisch weht starker Gegenwind: Das Ansehen Chinas in der Welt ist unter Xi Jinping «steil negativer geworden», stellt das Meinungsforschungsinstitut Pew fest. Die Rückendeckung für Wladimir Putin nach Russlands Einmarsch in der Ukraine hat es noch schlimmer gemacht. Drohungen, Territorialansprüche, Säbelrasseln gegenüber Taiwan und Diplomaten als «Wolfskrieger»: «Die forsche Aussenpolitik hat meist kontraproduktive Ergebnisse gebracht, während Versuche, die Veränderungen im globalen Gleichgewicht der Mächte auszunutzen, energischen Widerstand durch die USA und ihre Verbündeten provoziert haben», meint der Experte Minxin Pei im «China Leadership Monitor».