Afghanistan Lage am Flughafen von Kabul weiter extrem gefährlich

SDA

28.8.2021 - 17:39

dpatopbilder - HANDOUT - Soldaten der 82. Luftlandedivision der US-Army helfen Menschen während der Evakuierung auf dem Flughafen Kabul. Inzwischen haben die Taliban eigenen Angaben zufolge mehrere Tore am Flughafen unter ihre Kontrolle gebracht. Foto: Staff Sgt. Victor Mancilla/U.S. Marine Corps/AP/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits
dpatopbilder - HANDOUT - Soldaten der 82. Luftlandedivision der US-Army helfen Menschen während der Evakuierung auf dem Flughafen Kabul. Inzwischen haben die Taliban eigenen Angaben zufolge mehrere Tore am Flughafen unter ihre Kontrolle gebracht. Foto: Staff Sgt. Victor Mancilla/U.S. Marine Corps/AP/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits
Keystone

Unter neuen Sicherheitswarnungen der USA haben die Taliban eigenen Angaben zufolge mehrere Tore am Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul unter ihre Kontrolle gebracht.

Die USA hätten «zwei, drei» Zugänge zum Flughafen in der Nacht zu Samstag an Kräfte der Islamisten übergeben, sagte einer ihrer Vertreter der Deutschen Presse-Agentur. Berichte über eine solche Übergabe dementierte das US-Verteidigungsministerium zunächst allerdings vehement und ohne Zögern. Unterdessen wurden noch Tausende Menschen in letzten Zügen der US-Evakuierungsmission aus Kabul ausgeflogen.

Nach dem Angriff am Flughafen mit Dutzenden Toten – darunter 13 US-Soldaten – warnte die US-Botschaft dort erneut vor möglichen Anschlägen. US-Bürger sollten bestimmte Tore sofort verlassen oder aufgrund der Gefahrenlage weiterhin gar nicht erst zum Flughafen kommen. Schon vor dem Anschlag am Donnerstag, bei dem sich nach US-Angaben ein Selbstmordattentäter der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) an einem Tor in die Luft sprengte, hatten die USA eine entsprechende Warnung ausgegeben. Nach der schweren Explosion hatten auch mehrere Schützen das Feuer eröffnet.

Auf den schweren Terroranschlag reagierte das US-Militär mit einem Vergeltungsangriff. Der «unbemannte Luftschlag» – meist sind damit Angriffe mit ferngesteuerten Drohnen gemeint – in der Provinz Nangarhar habe «einem Planer» vom als Isis-K bekannten Ableger des IS gegolten, teilte das US-Zentralkommando mit. «Ersten Anzeichen zufolge haben wir das Ziel getötet», sagte dessen Sprecher Bil Urban. Ob das Opfer direkt in den Anschlag verwickelt war, blieb unklar. US-Präsident Joe Biden hatte nach dem IS-Angriff Rache geschworen.

Nachdem die Bundeswehr und andere Verbündete ihre Evakuierungsmission abschlossen, gingen auch die militärischen Rettungsflüge der USA in die Endzüge. Dabei wurden innerhalb von 24 Stunden noch einmal rund 6800 Menschen aus Kabul ausgeflogen, wie das Weisse Haus am Samstag mitteilte. Seit Mitte August hätten die USA und ihre Partner insgesamt rund 112 000 Menschen ausgeflogen. Etwa 20 500 Evakuierte landeten bis Samstag auf der Air Base Ramstein in Rheinland-Pfalz.

Die Bundeswehr zog auch ihr Sanitätsflugzeug aus dem usbekischen Taschkent ab, das dort noch für eine mögliche Rettung Verletzter aus Kabul stationiert war. Das erfuhr die dpa aus der Bundeswehr. Auch eine Transportmaschine A400M brach mit Material an Bord zurück nach Deutschland auf. Die Bundeswehr hatte ihre Luftbrücke am Donnerstag beendet, Frankreich und Spanien am Freitag. Die britischen Truppen sollten am Wochenende folgen.

Das US-Militär will seine zuletzt gut 5000 Soldaten bis Dienstag vom Flughafen der afghanischen Hauptstadt abziehen. Damit wird der Einsatz zur Evakuierung westlicher Staatsbürger und früherer afghanischer Mitarbeiter ausländischer Truppen und Einrichtungen enden. Das Militär soll noch bis Dienstag Menschen in Sicherheit bringen, allerdings wird die Zahl der ausgeflogenen Personen wegen des gleichzeitigen Abzugs von Soldaten und Ausrüstung sinken.

Deutschland hofft darauf, dass Schutzsuchende das Land künftig auch mit zivilen Flugzeugen verlassen können. Offenbar warten noch rund 300 Deutsche und mehr als 10 000 Afghanen auf Ausreise nach Deutschland. Der Kommandeur des deutschen Evakuierungseinsatzes, Jens Arlt, wagte am Freitagabend allerdings keine Prognose, wann der Flughafen von Kabul wieder zivile Flugzeuge abfertigen kann. Der zivile Teil auf der Südseite des Flughafens sei zerstört, sagte der Brigadegeneral nach der Rückkehr nach Deutschland.

Über die genauen Machtverhältnisse am Flughafen herrschte am Samstag teils Unklarheit. Taliban-nahe Nutzer veröffentlichten auf Twitter Bilder, die Taliban-Kräfte im zivilen Teil des Flughafens zeigen sollen, also innerhalb des Flughafengeländes. Wann die Fotos gemacht wurden, ist nicht klar. Der Sprecher im US-Verteidigungsministerium, John Kirby, sagte in der Nacht zum Samstag dagegen, die Taliban kontrollierten weder den Flughafen noch Teile davon oder Tore.

Zu den Schussverletzungen eines Deutschen, der auf dem Weg zum Flughafen angeschossen worden war, leitete die Bundesanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren ein. Es bestehe ein Anfangsverdacht für die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, sagte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Die Lage um den Flughafen ist seit Machtübernahme der Taliban chaotisch und extrem gefährlich.

Es blieb weiter unklar, ob Frauen unter Taliban-Herrschaft weiter ihren Berufen nachgehen können. Konkrete Aussagen dazu machten die Taliban bisher nur in den Bereichen Bildung und Gesundheit. Am Freitagabend twitterte Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid dazu, dass der Arbeit von Frauen im öffentlichen Gesundheitssektor nichts im Wege stehe. Das Gesundheitsministerium weise alle Mitarbeiterinnen in Kabul und den Provinzen an, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der britische Premierminister Boris Johnson forderten bei einem Telefonat am Samstag internationale Anstrengungen, um eine humanitäre Krise im Land zu verhindern. Wie aus einer Mitteilung der Regierung in London hervorging, bekannten sich die beiden auch zur Zusammenarbeit, um den beim Treffen der G7-Staats- und Regierungschefs Anfang der Woche diskutierten Fahrplan für den Umgang mit einer künftigen Regierung in Kabul umzusetzen.

Neben der politischen Instabilität erschwert eine anhaltende Dürre die Lage im Land zusätzlich. Die Welternährungsorganisation FAO rief die Weltgemeinschaft dazu auf, die humanitären Hilfe für Afghanistan aufzustocken.