Deutschland Letzte Evakuierungsversuche in Mariupol – Neue Angriffe auf Odessa

SDA

7.5.2022 - 16:54

Menschen, die ihren Unterschlupf im Stahlwerk Asovstal in Mairupol verlassen haben, gehen zu einem Bus. Foto: Alexei Alexandrov/AP/dpa
Menschen, die ihren Unterschlupf im Stahlwerk Asovstal in Mairupol verlassen haben, gehen zu einem Bus. Foto: Alexei Alexandrov/AP/dpa
Keystone

Begleitet von Sorgen vor einer möglichen Ausweitung des russischen Angriffskriegs läuft in der südukrainischen Hafenstadt Mariupol die vorerst letzte Phase einer gross angelegten Evakuierungsaktion. Mit internationaler Hilfe sollten am Samstag die letzten Zivilisten gerettet werden, die unter katastrophalen Bedingungen auf dem Gelände des Stahlwerks Azovstal eingeschlossen sind. Russlands Armee hatte dafür eine vorübergehende Feuerpause versprochen – griff in anderen Teilen der Südukraine aber offensichtlich weiter mit grosser Härte an.

Kiew bereitete sich derweil auf einen Solidaritätsbesuch von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) am Sonntag vor. Auch Kanzler Olaf Scholz ist in die ukrainische Hauptstadt eingeladen – doch ob und wann er kommen will, ist weiter unklar.

Prorussische Separatisten verkünden weitere Evakuierungen in Mariupol

Aus dem seit Wochen belagerten Stahlwerk in Mariupol wurden nach Angaben der prorussischen Separatisten weitere 50 Zivilisten fortgebracht. «Heute, am 7. Mai, sind vom Territorium des Metallurgiekombinats Azovstal in Mariupol 50 Menschen evakuiert worden», teilte der Stab der selbst ernannten Donezker Volksrepublik am Samstag auf seinem Telegram-Kanal mit. Eine unabhängige Bestätigung gab es zunächst nicht. Am Vortag waren ukrainischen und russischen Angaben zufolge ebenfalls 50 Menschen gerettet worden.

Trotzdem sitzen Schätzungen zufolge noch immer Dutzende Zivilisten in den Bunkeranlagen von Azovstal fest – und die Zeit wird knapp. Die vorerst letzte von Russland zugesagte Waffenruhe sollte am Samstagabend enden. Beobachter gehen davon aus, dass Moskau das Stahlwerk, in dem sich auch die letzten verbliebenen ukrainischen Kämpfer verschanzt haben, bald erobert haben will. So könnte der Kreml am 9. Mai – dem Jahrestag des sowjetischen Sieges über Hitler-Deutschland 1945 – offiziell die Einnahme von Mariupol feiern.

Befürchtet wird in der Ukraine auch, dass Russlands Präsident Wladimir Putin, am kommenden Montag bei seiner Rede in Moskau eine Ausweitung der Kampfhandlungen anordnen könnte.

Neue Raketenangriffe auf Odessa

In einer anderen südukrainischen Region gingen Russlands Angriffe schon jetzt mit grosser Härte weiter. Auf die Hafenstadt Odessa wurden ukrainischen Angaben zufolge mindestens vier russische Raketen abgefeuert. Örtliche Medien zeigten dicke schwarze Rauchwolken über dem Stadtgebiet. Berichten zufolge soll ein Militärflugplatz getroffen worden sein. Die Behörden machten zunächst keine Angaben zu möglichen Opfern. Von russischer Seite gab es am Nachmittag erst einmal keine Bestätigung.

Explosionen – teils von der Luftabwehr – wurden auch aus dem benachbarten Gebiet Mykolajiw, dem zentralukrainischen Poltawa und dem westukrainischen Chmelnyzkyj gemeldet. Bei einem Angriff auf das grenznahe nordostukrainische Gebiet Sumy sei bei einem Luftangriff mindestens ein Mensch verletzt worden.

Ukraine meldet Abschuss von russischem Landungsboot

In der Schwarzmeer-Region beanspruchte das ukrainische Militär einen Erfolg für sich: «In den Gewässern des Schwarzen Meeres wurde ein feindliches Landungsboot vom Typ «Serna» vernichtet», teilte der Pressechef der Militärverwaltung von Odessa, Serhij Bratschuk, auf seinem Telegram-Kanal mit. Dazu veröffentlichte er ein Video, das den Beschuss des Schiffs mit einer Drohne zeigen soll. Ob die Aufnahmen echt sind, konnte allerdings nicht überprüft werden.

Das Schiff soll den ukrainischen Angaben zufolge nahe der Schlangeninsel versenkt worden sein. Ukrainische Journalisten hatten am Vortag davon berichtet, dass in diesem Gebiet eine russische Fregatte beschossen worden und in Brand geraten sein soll – was allerdings weder aus Kiew noch aus Moskau offiziell bestätigt wurde. Unklar war zunächst auch, ob die Berichte vom Freitag und vom Samstag sich tatsächlich auf zwei verschiedene russische Wasserfahrzeuge bezogen oder ob möglicherweise dasselbe gemeint sein könnte.

Solidarität mit Ukraine: Bundestagspräsidentin Bas in Kiew erwartet

Auf ukrainische Einladung hin reist am Sonntag Bundestagspräsidentin Bärbel Bas nach Kiew. Sie könnte dort möglicherweise auch Präsident Wolodymyr Selenskyj treffen. Bas' Besuch fällt zusammen mit dem 77. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa. In einem Interview des SWR sagte die SPD-Politikerin: «Und natürlich ist es auch mein Wunsch, dass wir die Parallelen dieses Krieges von damals ins Heute ziehen, also dass Krieg nur Verlierer kennt und dass wir zu einer Waffenruhe kommen müssen und die Eskalation vermeiden.»

Ebenfalls am Sonntag plant Bundeskanzler Olaf Scholz eine Fernsehansprache zum Krieg in der Ukraine, die am Abend übertragen werden soll. Ob und wann der Kanzler, den Selenskyj für den 9. Mai eingeladen hat, in die ukrainische Hauptstadt reisen will, blieb weiter offen.

Zwischen Kiew und Berlin hatte es wochenlang Verstimmungen gegeben, weil ein Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in der Ukraine zwischenzeitlich nicht erwünscht war. Steinmeier und Selenskyj räumten die Irritationen in der vergangenen Woche in einem Telefonat aus.

Göring-Eckardt: Moldau braucht europäische Perspektive

Sorge vor einer Ausweitung des russischen Kriegs hat auch die kleine Ex-Sowjetrepublik Moldau – ein Nachbarland der Ukraine. Bei einem Besuch in Moldaus Hauptstadt Chisinau betonte Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt die Bedeutung einer EU-Beitrittsperspektive. Moldau brauche schnelle Hilfe, sagte die Grünen-Politikerin nach einem Treffen mit der moldauischen Ministerpräsidentin Natalia Gavrilita der Deutschen Presse-Agentur. «Die Stabilität von Moldau ist ganz zentral für den Konflikt, den wir gerade in Europa erleben.»

In der von Moldau abtrünnigen Region Transnistrien melden prorussische Separatisten seit einigen Wochen immer wieder angebliche Anschläge – zuletzt soll es in der Nacht zum Samstag Explosionen gegeben haben. Moldauische und auch ukrainische Beobachter hingegen beschuldigen Russland, das in Transnistrien Soldaten stationiert hat, dort gezielt zu provozieren, um die Lage zu destabilisieren.